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7412 Nichtamtlicher Teil. 237, 11. Oktober 1859. 4. Rußland betreffend. Der Heidelberger Kongreß begrüßt mit Freude die Vor bereitung eines russischen Gesetzes betreffend den Schutz der Urheberrechte als eines der typischen nationalen Gesetze, wie sie die ^ssooiation aufgestellt hat. Die Gerechtigkeit, das wohlverstandene eigene Interesse, die Lage Rußlands und namentlich die durchgreifenden Aenderungen seiner Gesetz gebung gestatten nicht mehr, die im internationalen Verkehr ausgestellten Rechtsprinzipien in Rußland zu verkennen. Der Kongreß spricht deshalb den Wunsch aus, die russischen Gesetz geber möchten dem neuen Gesetz noch diejenigen Garantieeu hinzufiigen, die den Autoren und Künstlern des Auslandes, unter Voraussetzung der Reciprocität, denselben Schutz wie den Inländern gewähren. Der russische Gesetzentwurf wird der Prüfungskommission der ^Woeigtiov überwiesen, um ihn gründlich durchzuarbeiten und die für nötig zu erachtenden Ergänzungen vorzunehmen. 5. Das »Droit mors,!«. 1. Der Urheber eines jeden Geistesproduktes hat das Recht auf Anerkennung seiner Eigenschaft als Urheber und darf sich seines Rechtes gegen jedermann bedienen, der sich seine Eigenschaft aueignet. 2. Das Werk darf nicht reproduziert werden in irgend welcher Form ohne Zustimmung des Urhebers. 3. Die Cession von Urheberrechten kann immer nur be schränkt ausgelegt werden. Der Urheber, auch wenn er sein Werk veräußert hat, behält das Recht, seine Eigenschaft als Urheber von jedem Dritten respektiert zu sehen. Anderseits kann er Einspruch dagegen erheben, daß der Cessionar das Werk reproduziert, oder es verändert, oder irgend welchen Gebrauch davon macht, der nicht im Kontrakt vorgesehen ist. 4. Nach dem Tode des Urhebers steht dessen Erben, wenn kein Testamentsvollstrecker von ihm ernannt ist, die Ausübung des Urheberrechts nach Maßgabe des unter Absatz 3 Gesagten zu. Sie dürfen aber niemals irgend eine Aende- rung an dem Werke vornehmen, und es bleibt dem Civil- tribunal Vorbehalten, auf Verlangen des Ministers die Ver öffentlichung oder Aufführung oder Ausstellung eines durch die Erben veränderten Werkes zu untersagen. Wenn ein Werk für die Oeffentlichkeit frei geworden ist, so können die Gerichte, auf Requisition des Ministeriums oder der Familie des Urhebers oder anderer Interessenten, jede Usurpation des Urheberrechts, jede Veränderung an den: Werke untersagen, die geeignet ist, den Ruf des Urhebers zu beeinträchtigen, oder verlangen, daß die an dem Werke vorgenommenen Aenderungen in geeigneter Weise zur Kennt nis des Publikums gebracht werden. 6. Werke der angewandten Kunst. Der Kongreß spricht den Wunsch aus, es möge iu allen Gesetzen anerkannt werden, daß alle Werke der graphischen und plastischen Künste einen gleichmäßigen Schutz genießen, einerlei, welches der Wert, die Bedeutung, die Verwendung und die Bestimmung, auch die industrielle, des Werkes setz und daß die Cessionäre keine anderen Formalitäten als die Urheber zu beobachten haben. Zum Schluß will ich nicht unterlassen, Herrn Professor Röthlisberger in Bern für die gefällige Mitteilung der Kongreßbeschlüsse meinen verbindlichsten Dank zu sagen. Berlin, 7. Oktober 1899. Otto Mühlbrecht. Das Recht der Rezensionsexemplare. (Vgl. Börsenblatt Nr. 221, 228.) Aus Anlaß der Gerichtsentscheidung in Sachen Lutz contra Velhagen L Klasing — die mir übrigens völlig gerechtfertigt erscheint — versucht Herr Dr. jar. Alexander Elster i/H. Gustav Fischer in Jena betreffs der Rezensionsexemplare »im Prinzip klarzulegen und insbesondere für das bürgerliche Gesetzbuch anzugeben, was Rechtens sei«. Das Ergebnis, zu dem Herr Elster gelangt, eröffnet unter dem neuen Recht ür die Buchverleger ein Paradies, für die Zeitungsverleger aber eine Hölle. Solche Gegensätze sind nun Gott sei Dank in der Welt ziemlich selten, und die Zeitungsverleger brauchen denn auch nicht allzu sehr zu erschrecken, denn — um es gleich herauszusagen — glücklicherweise wird das, was Herr Elster ihnen androht, niemals Rechtens werden! Die gesamten Ausführungen des Herrn Dr. Elster gehen von einer von ihm mißverstandenen Bestimmung des neuen bürgerlichen Gesetzbuches aus, nämlich dem Z 151, lautend: »Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zu 'tande, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist« rc. Daraus schließt nun Herr Dr. Elster: Die Uebersendung des Rezensions exemplars ist von seiten des Verlegers ein Antrag; die aus drückliche Annahme-Erklärung ist von seiten der Redaktionen nicht Verkehrssitte, folglich kommt zwischen Verleger und Redaktion durch die Uebersenduug des Rezensionsexemplars ein Vertrag zu stände, laut dem die Redaktton zur Be- prechung des Buches verpflichtet ist. Das gäbe nun in der Praxis herrliche Zustände, und daß der Gesetzgeber solche geradezu unmöglichen Verhältnisse nicht hat schaffen wollen, hätte Herrn Dr. Elster doch einiges Nachdenken lehren sollen. Als Jurist wird es Herrn Dr. Elster bekannt sein, daß es bisher zum Zustandekommen eines Vertrags nötig war, daß owohl der Antrag gewollt und erklärt, als auch die Annahme gewollt und erklärt sein mußte. Und einen solchen fundamen talen Rechtsgrundsatz sollte nun das bürgerliche Gesetzbuch umstoßen? Das ist nun in der That nicht der Fall. Erstens hat Herr Dr. Elster falsch gelesen, wenn er glaubt, der tz 151 konstruiere einen Vertrag ohne Annahme -des Angebots. heißt dort im Gegenteil, wie ich schon durch Sper rung hervorgehoben habe, daß ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zu stände komme; diese ist also unbedingt nach wie vor nötig; nur braucht diese Annahme nicht in allen Fällen ausdrücklich erklärt zu werden. Dr. Brandts giebt in seiner kommentierten Ausgabe des bürgerlichen Gesetzbuchs (Leipzig, Stock) als Beispiel der letzteren Art an, daß ein Kohlenhändler, bei dem ich Kohlen bestelle, ohne mir zu antworten, seinen Leuten die Anweisung giebt, mir die Kohlen hinzufahren. Dies ist ein recht anschauliches Beispiel für das, was der Gesetzgeber in der Ausnahme ausdrücken wollte. Ich mache meinem Kohlen händler das Angebot zu einem Vertrag, indem ich ihm schreibe, er möge mir morgen nachmittag so und so viel Kohlen liefern. Dadurch kommt aber selbstverständlich ein Vertrag zwischen uns noch nicht zu stände. Nun ist es nicht üblich, daß mir mein Kohlenhändler schreibt: Ich nehme Ihr Angebot dankend an und werde Ihnen die Kohlen pünktlich liefern, sondern er schickt sie einfach. Erst durch die Sen dung aber, als einer konkludenten Handlung der Willens erklärung, kommt unser Vertrag rechtsgültig zu stände. Also die Annahme ist auf alle Fälle nötig. »Stillschweigen«, sagt der. angezogene Kommentator weiter, »wird in der Regel als Annahme gelten bei Personen, die im ständigen Geschäfts verkehr stehen, wo der eine ständig Aufträge des andern