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142 - dazu keine Bühne, sondern nur ein Paar Spa nische Wände, und ein Paar gute Köpfe, wel che die Kunst der Darstellung besitzen, oder aus dem Stegreif etwas Paffendes zu erfinden wissen. ' Aber auch das Verlesen ist eine gute Unter haltung. Nur darf es nicht zu lange dauern, und muß einen allgemeinen interessanten Gegen stand betreffen. Ein solcher ist z. B. jedes ächt-komische Gedicht, selbst jede Posse, die in den Schranken des feinen und gesitteten Welttons bleibt, und man kann sicher darauf rechnen, daß die Vorlesung eines solchen Pro ducts (natürlich muß es neu, der Gesellschaft angemessen, und der Vorleser ein gu^r Leser seyn) jedem Unbefangenen Neiz und Vergnügen gewährt. Herr von Kotzebue hat Recht, wenn er an irgend einem Orte sagt: „wir Teutsche verlernen immer mehr dae Lachen." Lor Kunst sinn lind leidiger SenrimentaUtätssucht ver schmäht man den biedern wutschen Scherz, der die Seele erhebt und froh macht, und zerbrök- kelt lieber seine Empfindung, statt daß man sie erheitern sollte. Beinahe geht die pseudosenli- mentale Kunstperiode auch in die Gesellschaft über. Man hört schon hier und da ein Kunst, jüngerlein über Form und Nichtform dociren, und verächtlich über das Moderne sprechen, während es, ganz antick, mit Brillengläsern einhergeht. So wenig das Humane der Lite ratur aus den höher«, Gesellschaften zu verban nen ist, so wenig darf darin über gelehrte und artistische Gegenstände docirt werden, oder der Docent muß sich gefallen lassen, daß man ihn endlich allein stehen läßt, welches freilich für manchen unserer neuen Docenten das Veste wäre. Was die gesellschaftlichen Spiele betrifft, so Hai man zwar treffliche Spiele für Geist und Herzensgenuß, — aber die Gesellschaft ist gewöhnlich zu gemischt, als daß man nicht däl> bei in Verlegenheit kommen sollte; andere sind wieder für den gebildeteren Theil zu uninteres sant. Das beste Gesellschaftsspiel ist immer — Musik. Ein Klavier, eine Guitarre — ist leicht herbei zu schaffen, und es findet sich leicht in jedem Zirkel einer oder der andere, der ein solches Instrument spielt. Die übrigen beglei ten ihn mit Gesang oder — hören zu. Wir Teutsche haben zwar wenig Volkslieder, (ich rede von den Volksliedern in dem Sinne, wie Bürger sie nahm) aber wir besitzen doch einige, und wie viel kleine treffliche herzerhebende Ge sänge gaben uns Reichardt, Himmel, Mozart, Zumsteeg und andere? Man kann solche kleine musikalische Vergnügungen für die Gesellschaft nicht genug empfehlen. Was erhebt mehr den Sinn zur Freude, zu edlen reinen Gefühlen, als Musik und Gesang? Heilige Kunst der Musik, in deren weiten Ge bieten Kraft und Schönheit herrscht, und Sprache frommer Empfindung, Wo ist irgend ein Herz, dem nicht dein himmlischer Zauber Blumen der Freude gewebt? Endlich sollten wir den Franzosen, denen wir so viel für das gesellschaftliche Leben zu danken haben, noch eine Haupt-Unterhaltung abler nen. Ich meine die Deklamation. Die Meisterwerke unserer dramatischen Literatur lie gen, so lange sie nicht auf der Bühne vorge stellt werden, ungenassen in unserer Bücher sammlung. Ihren Inhalt wissen wir zum Theil,