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17 S, 18. Januar 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 459 (Berlin ISO«. Otto Janke. 183 S. 8°. 1 geb. 1 ^ 80 H). Es spielt im Jahre 1266, da Manfred Kaiser Friedrichs II außerehelicher Sohn, der Fürst v. Tarent, im Kampse gegen den Papst zum König von Sizilien ausgerufen wird. Man fred liebt Aglante, die Tochter des Fürsten Tarik von Luzeria, eines sarazenischen Edlen. Aglante liebt auch ihn, aber sie hält an der mohammedanischen Religion fest und will lieber auf die Krone verzichten, als ihren Glauben aufgeben. Sie versucht, ihn zu bewegen, den Kampf um die Königskrone einzustellen, und da dies ihr nicht gelingt, läßt sie ihn in der entscheidenden Schlacht verraten. Sie hofft nämlich, ihn als Geliebten zu behalten, wenn er unterläge, aber da er in der Schlacht fällt, tötet sie den Verräter und ersticht sich dann selbst an der Leiche Manfreds. Das Stück weist eine ungemein wuchtige Handlung auf und wirkt sowohl durch den Charakter der beiden Haupt- Personen, der Sarazenin und Manfreds, als auch durch die mancherlei Jntriguen in der Entwicklung der Ereignisse sehr spannend. Die Personen sind scharf charakterisiert (der Ver fasser lehnt sich allerdings nur wenig an die Geschichte an, denn Manfred war in Wirklichkeit mit einer griechischen FUrftentochter Helena verheiratet, und ob es einen Bettel mönch Fra Filippo mit so schwarzem Charakter gegeben hat, erscheint mir allerdings fraglich). Die Handlung ist in geschickter Steigerung aufgebaut, so daß das Stück den Eindruck auf den Leser nicht verfehlt und sicher auch auf der Bühne sich als wirksam erweisen würde. Das neueste Werk ist Paulinzelle, Trauerspiel in 5 Aufzügen (Berlin 1909, Otto Janke. 156 Seiten. 8". 1 geb. 2 ^O). Paulinzelle heißt jetzt ein Dorf im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, das nach einem ehe maligen Kloster benannt ist. Dieses Zisterzienser-Nonnen- und -Mönchskloster war im Jahre 1114 von Pauline, der Tochter des thüringischen Grafen Moricho, und ihrem Sohn Werner nach dem Tode ihres Gemahls Udalrich gestiftet worden. Es wurde 1534 durch die Grafen von Schwarz burg aufgehoben und später durch den Blitz zerstört. Die Trümmer bilden noch jetzt eine der merkwürdigsten Kirchen ruinen. Janke hat seinem Trauerspiel eine Abbildung dieser Ruinen nach einem schönen Stahlstich als Titelbild beige geben. Anscheinend hat er sich zum Teil an historische Vor gänge angelehnt oder wenigstens dadurch die Anregung zu seinem Trauerspiel erhalten. Der Inhalt des im Jahre l090 spielenden Stückes ist kurz folgender: Markgraf Ekbert II. von Meißen vertraut in jungen Jahren dem Kloster Paulinzelle seine im Ehebruch gezeugte Tochter Ursula zur Erziehung an, ohne ihre Herkunft und ihren Namen zu verraten. Den Gatten der schuldigen Mutter hat Ekbert im Zweikampf getötet. Sechzehn Jahre später kommt Ekbert in Kriegszeit wieder in die Nähe des Klosters. Er verliebt sich in den schönen Klosterzögling, ohne zu wissen, daß es seine eigene Tochter ist, die den ver schollenen Ritter Moricho für ihren Vater hält. Allmählich aber ahnt er die Möglichkeit und schließlich ersteht vor ihm die unumstößliche Gewißheit. Trotzdem treibt ihn die wahn sinnige Leidenschaft dazu, Ursula ans dem Kloster holen zu lassen, um sich ihr in einer einsamen Mühle durch einen Pater mit Gewalt antrauen zu lassen. Ursula liebt Jost Siegfried, ihren Stiefbruder, den Sohn Ekberts, und wird auch von ihm wiedergcliebt. Sie gibt dem Markgrafen, da er sie verfolgt, den Tod, indem sie ihn in das Räderwerk der Mühle stößt, und geht dann ebenso wie Jost Siegfried in das Kloster. Die Vorgänge des Trauerspiels werden von der düsteren, gewaltigen Gestalt des Markgrafen, der seiner Sinnenglut unterliegt, beherrscht. Eine trockene Inhaltsangabe könnte vielleicht zu der Annahme führen, die Handlung müßte peinlich auf den Zu hörer wirken. Dies ist aber, wie man sich schon durch die Lektüre überzeugen kann, nicht der Fall, da der Dichter ge schickt das Geheimnis nur allmählich lüftet und die Dar stellung durchaus dezent hält. Der Markgraf und Ursula würden bei einer Aufführung dankbare Rollen bieten. Auch die Nebenfiguren sind durchaus eigenartig und lebenskräftig Ebenso wie »Die Sarazenin« ist »Paulinzelle« im Stile der klassischen Tragödie geschrieben. Der Dichter will also garnicht versuchen, die Sprache der Zeit, in der das Stück spielt, nachzuahmen, sondern er führt durch das ganze Werk den getragenen Stil durch, der uns ja auch namentlich durch Schillers Meisterdramen vertraut geworden ist.') Der Einband des Werkes mit dem roten Wachsstegel des Klosters Paulinzelle macht einen originellen Eindruck. Hoffentlich ist es dem Verfasser auch einmal vergönnt, einen Erfolg aus der Bühne zu erleben. Dies würde sicher dazu beitragen, den Absatz der Buchausgabe seiner dramatischen Werke zu fördern. 4. Bücher- und Zeitungswesen in Rußland. In der sehr nützlichen Sammlung Langenscheidts Sach- wörterbitcher erschien soeben als neuester Band: Land und Leute in Rußland. Zusammengestellt von vr. jur. M. L. Schlesinger (Berlin-Schöneberg, Langenscheidts St. Peters burg und Moskau, M. O. Wolfs. XVIII, 539 S. kl. 8°. Geb. 3 ^>. Dieses Werk unterrichtet in alphabetischer Reihenfolge der Stichworte über Land und Leute, namentlich über die für den Reisenden wissenswerten Einrichtungen. Auch die Buchhandlungen, Bibliotheken, das Zeitungswcsen, die Prcßgesetzgcbung und die Zensur finde» darin die ge bührende Berücksichtigung. Aus den einschlägigen Artikeln seien hier die wichtigsten Angaben kurz zusammengefaßt. Der russische Buchhandel ist anders organisiert als der deutsche. Man findet nicht wie in Deutschland in jeder Sortimentshandlung Werke aus allen möglichen Gebieten, sondern fast jede Buchhandlung beschränkt sich aus eine Spezialität in neuen wie in antiquarischen Büchern. Die Verleger Rußlands halten nur ausnahmsweise ihre Bücher lange auf Lager. Fängt der Absatz an stiller zu werden, so verkaufen sie den ganzen Rest an Antiquariate. Beim Aufsuchen eines Buches alten Datums bemühe man sich daher nicht, den Verleger ausfindig zu machen, sondern gehe zu einem Antiquar, in dessen Fach dieses Buch schlägt. Durch obiges Verfahren erhalten die russischen Antiquariate ihre Größe und Bedeutung. Die Antiquariate haben ihr besonderes Viertel, und zwar findet man sie in Petersburg vor allem aus dem Liteinq-Prospekt. Ein Sammelsurium von Büchern wird auf den Straßen ausgelegt. Der russische Verleger verkauft auch direkt an das Publikum, gewährt aber fast nie einen Rabatt auf seine Werke. Die Buch händler im Innern des Landes haben ihre Kommissionäre in den Hauptstädten, die ihnen die verlangten Werke in der Regel wöchentlich oder alle 14 Tage senden. In den kleineren Buchhandlungen wird man meist vergeblich Aus kunst über neuerschienene Werke verlangen. Die erste Stelle unter den öffentlichen Bibliotheken nimmt die Kaiserliche öffentliche Bibliothek in Petersburg ein. Sie ist eine der bemerkenswertesten Anstalten in Europa, und zwar nach dem Reichtum ihrer Sammlungen und nach den Bequemlichkeiten, die sie den Benutzern bietet. Gegenwärtig ») Rur das Wort romantisch <S. 38) wirkt wie ein Anachronismus, ebenso die moderne Koseform Willi <S. 4S>. Die Ansicht, daß der Papst für zulünstige Vergehen Ablaß ge währen könne <S. 76, 113, I2I>, ist irrig. Die Gewährung des Ablasses ist zudem »ach kirchlicher Lehre an bestimmte Be dingungen geknüpft. Diese Einzelheiten ließen sich wohl bei einer neuen Auflage berichtigen. 61»