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30, 6. Februar 1912. Nichtamtlicher Teil. BörierwloU t b. Dt',chn -vuchhandeu 1575 bisher gewohnt waren, mehr ihre Bücher für sich sprechen zu lassen, als selbst von ihnen zu reden. Denn wenn der Markt erst den Schreiern gehört und das Publikum nicht auch seine Rechnung bei dieser Neuordnung der Dinge findet, so wird es bald wieder sein Geld in die Modesalons, Juwelierläden oder Bijouterie geschäfte statt in die Buchhandlungen tragen. Auf die Ostermesse 1912 möchten wir nicht so große Hoff, nungen setzen wie Herr Meyer. Denn wenn der Antrag auch nur »die Hebung und Förderung des Bücherkaufens und -ver- schenkens zu Ostern«, also nur für eine bestimmte Zeit des Jahres, ins Auge faßt, so will es uns doch scheinen, als ob er auch in dieser Beschränkung eher vor das Forum der Kreis- und Ortsvereine und des Deutschen Verlegervereins als vor das des Börsenvereins gehöre. Kleine Mitteilungen. Jubiläum. — Im Januar dieses Jahres waren es, wie wir verspätet erfahren, 60 Jahre, seit die Photographische Ge- sellschaft in Berlin ihre ersprießliche Tätigkeit begann. Ganz sicher scheint sich das Datum der Begründung nicht feststellen zu lassen, sogar das Gründungsjahr schwankt in den zu Rate ge zogenen älteren Jahrgängen des Adreßbuchs. Sicher ist, das; im Jahre 1861 auf Anregung des kunstsinnigen Fabrikbesitzers Albert Werckmeister ein Konsortium zusammentrat, um die Photo- graphie für die Vervielfältigung von Werken der bildenden Künste nutzbar zu machen. Da vor 60 Jahren noch nicht an die heutige Entwicklung der Photographie gedacht werden konnte, so beschränkte sich die Firma zunächst auf die Reproduktion von Kupferstichen und Zeichnungen. Das erste Kunstwerk, dessen Verlagrecht von der Photographischen Gesellschaft erworben wurde, war das berühmte Werk Adolf Menzels: »Das Konzert Friedrichs des Großen«. Nach der zeichnenden Kunst wurde die Vervielfältigung von Werken der Graphik in Angriff genommen, Rembrandts Radierungen und Dürers Kupferstiche und Holzschnitte wurden in mustergültigen Reproduktionen dargeboten. Daran schlossen sich Photographien nach den besten Leistungen des Grabstichels, die sowohl in größeren Formaten als auch in der billigen Visitenkartengröße dargeboten wurden und durch ihre weite Verbreitung viel zur Kenntnis und Würdigung der Kunst beigetragen haben. Inzwischen schritt die photographische Technik immer weiter vorwärts, und die Photographische Gesellschaft wirkte unermüdlich mit an ft diesem Werke, so daß schon nach wenigen Jahren auch an die wirksame Verviel- fältigung von Ölgemälden gegangen werden konnte. 1866 er schienen die Reproduktionen nach der Gemälde-Galerie in Berlin, 1867 wurde London, 1868 Florenz, 1869 Paris, 1871 Dresden ausgenommen, denen fast alle Galerien Europas nach und nach folgten. Damit war ein Meisterwerk für das kunstwissenschaft liche Studium geschaffen, das sich die Unterrichtsanstalten auch bald zunutze machten. Daneben suchte die Photographische Gesellschaft auch auf dem Gebiete des photographischen Urheberrechts zu wirken, in- dem sie grundsätzliche Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe des In- und Auslandes hcrbeiführte. In aller Erinnerung ist wohl noch jener Rechtsstreit, den die Photographische Gesellschaft im Jahre 1904 wegen Nachdrucks des Sadelerschen Bildes Chorus in Amerika führte und bis zur höchsten Instanz, trotz der immensen Kosten, siegreick fortsetzte. Durch das von ihr erkämpfte Erkenntnis des höchsten Gerichtshofes wurde eine Norm für den Schutz europäischer Werke der bildenden Kunst in Amerika auf- gestellt. Dem mächtigen Aufschwung, den die photographischen Ver. fahren in den letzten dreißig Jahren genommen haben, ist die Photographische Gesellschaft natürlich gefolgt und hat in allen Techniken nur das Beste auf den Markt zu bringen gesucht. Diesem Bestreben hat der Erfolg nicht gefehlt, denn sie steht heute in der ersten Reihe der Reproduktions-Anstalten. Dem Begründer der Anstalt Albert Werckmeister war im Jahre 1865 sein Bruder Friedrich August Werckmeister in der Leitung des Geschäfts zur Seite getreten, den wir dann 1867 als alleinigen Inhaber verzeichnet finden. Im Jahre 1868 trat Emil Werckmeister ein, der noch heute Inhaber ist und dem daher die aufrichtigsten Glückwünsche dargebracht seien. Internationaler Literatur-Bund. — Ein Schwindelunter nehmen, das den klingenden Titel »Internationaler Literatur-Bund« führt, beschäftigte dieser Tage die 11. Strafkammer des Land gerichts I in Berlin. Unter der Anklage des Betrugs und der Ur kundenfälschung hatte sich der Zigarrenhändler WalterStrelow zu ver antworten. Vor einiger Zeit erschien in mehreren Zeitungen ein eine ganze Seite umfassendes Inserat, in dem angekündigt wurde, daß mehrere namhafte Schriftsteller unter der Bezeich nung »Internationaler Literatur-Bund« eine Vereinigung zur ge meinschaftlichen Wahrnehmung ihrer Interessen gegründet hätten. Das Berliner Bureau, an das auch das 20 betragende Eintritts geld zu zahlen war, sollte sich Königgrätzer Str. 46 befinden. Wie sich später ergab, haben zahlreiche Schriftsteller ihren Eintritt in den Bund angemeldet und das Eintrittsgeld bezahlt. Von dem »Schutzverband deutscher Schriftsteller« wurde festgestellt, daß sich in dem Hause Königgrätzer Str. 45 ein von dem Angeklagten betriebenes kleines Zigarrengeschäft befindet. Strelow selbst gab sich als Leiter des »Berliner Bureaus- aus und ist vielfach wegen Betruges, zuletzt mit 1^ Jahr Gefängnis, vorbestraft. Der Staatsanwalt hielt den Angeklagten, Zigarrenhändler Walter Strelow, in allen Punkten für überführt und beantragte in An betracht des angewandten großen Raffinements eine Gefängnis strafe von 3 Jahren. Das Urteil lautete auf 1'/, Jahr Gefäng nis und auf 5 Jahre Ehrverlust. Der Verein Dresdner Buchhändler ladet zu seiner 30. ordentlichen Hauptversammlung für Mittwoch den 14. Februar 1912, abends '/,9 Uhr nach dem Grand Hotel Reichspost in Dresden, Gr. Zwingerstraße 18, ein. Auf der Tagesordnung stehen u. a.: Die Kreditverhältnisse im Buchhandel. — Die eventuelle Beseitigung von Mißständen. — Die Revision der Verkaufsordnung des Börsenvereins. Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig 1914. (Vgl. Nr. 19 u. 22.) — Die zweite Deputation der Ersten Kammer hat sich am 3. Februar mit dem Königlichen Dekret Nr. 25, betreffend die Internationale Aus stellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig 19l4 be schäftigt. Sie empfiehlt der Kammer, in Übereinstimmung mit der Zweiten Kammer zu beschließen, dem Vorschläge zuzu stimmen, daß dem Direktorium der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig 1914 unter den im Dekret näher bezeichneten Bedingungen eine Garantiesumme des Staates in Höhe von 200 000 zugesagt und im Staatshaushalt etat 1914/16 mit gemeinjährig 100 00O ^ eingestellt werde. «L. Vom Reichsgericht. — Die unzüchtige Skizze. (Nachdruck verboten.) In der in Berlin erscheinenden Zeitschrift »Herold«, als deren verantwortlicher Leiter der Redakteur Wolfs zeichnet, erschien unter dem Titel »Der Freigang« eine Skizze, deren Verfasser der Schriftsteller von Winterfeld ist. In dieser Skizze wird die Zusammenkunft zweier Liebenden in einem Parke geschildert. Wegen der Veröffentlichung dieser Arbeit wurde beim Landgericht Berlin II Anklage auf Grund des § 184 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches (Verbreitung unzüchtiger Schriften) gegen die Redakteure Wolfs und vr. Haase sowie den Schrift steller v. Winterfeld erhoben. Letzterer behauptete, er habe ledig- lich das Verhalten zweier allerdings sinnlich stark veranlagten Men schen im Augenblick ihrer Verlobung schildern wollen. Im gleichen Sinne wollte auch der zweite Angeklagte Vr. Haase, der die Skizze vor der Veröffentlichung flüchtig gelesen hatte, diese aufgefaßt haben. Das Gericht erachtete diese Behauptungen indessen als widerlegt. Abgesehen von dem Titel der Skizze, der nach der Er klärung des Angeklagten von Winterfeld nur ein anderer Ausdruck für »Verlobung« sein sollte, sei auch nicht mit einem Worte von einer Verlobung die Rede. Nichts deute darauf, daß die beiden Personen, um die die Handlung sich drehe, sich gelobten, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Eine Verlobung solle beherrscht sein von einem ideal sittlichen Empfinden, während in der Skizze ein schwül sinnliches Element in augenfällig ge- wollter Weise in den Vordergrund gerückt fei. Die ganze Skizze sei so gehalten, daß sie nach ihrem Inhalte objektiv geeignet sei, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in ge schlechtlicher Beziehung gröblich zu verletzen. Das Gericht 206*