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^ so, 6. Februar 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. v. Dttchn. BuchhandeU 1573 glücklich überwunden und die Tatsache, daß auch hier in München, wie in Berlin und Wien, für Weihnachten von vielmehr, aber von vielen weniger wie in den früheren Jahren gekauft worden ist. konstatiert und damit das betrübende Fazit gezogen, daß sich zwar die Arbeit, nicht aber die Einnahme ve. mehrt hat. Als philosophisch gebildeter Mensch aber findet sich der Sortimenter mit diesem tsit seoompli ab und stürzt sich als nie ermüdender Sisyphus auf die seiner jetzt in Form von Kunden-Rcchnungen und Konto-Auszügen harrende Arbeit. Jene bringen ihm manchmal Freude; nicht immer, besonders dann nicht, wenn sie so gar nicht seine naive Meinung von solchen Dokumenten bestätigen wollen, daß sie nur dann Zweck haben, wenn sie bezahlt werden. Doch ist er praktischen Erwägungen zu gänglich und korrigiert besagte Meinung ein bißchen, wenn er über die kleinen boshaften Dinger geht, die man so harmlos Rechnungsauszüge nennt. Da gibt es so nette, kleine Differenzen, die es veranlassen, daß der eine nicht begreift, warum der andere nicht begreift. Der liebe Sortimenter hat nun eine prächtige Gelegenheit, seine stilistische Gewandtheit zu zeigen und dokumentiert dies, indem er kreuz und quer, schalkhaft, in gedämpfter Höflichkeit oder mit liebenswürdig sein sollender Satire den Verleger auf den rechten Weg führt. Doch der Dickkopf will natürlich alles besser wissen und findet sonder barerweise immer noch ein freies Plätzchen auf dem Transport-Zettel, auf dem er den Niederschlag seiner telegrammanschen Diktion anbringen kann, und so läßt er sich halt auch nichts schenken, so daß am Schluß so ein Konto-Auszug eine gewisse Ähnlichkeit mit einem alten, weitgereiften rindsledernen Reisekoffer hat. Diese kleinen, galvanisierenden »Differenz-Geschäftchen« ziehen sich dann bis zur Ostermesse hin. an der der Verleger allem angesammelten Grimm als wahrer Shylock mit einem herzlosen Stoß Luft macht, mit dem er dem an und für sich etwas anämischen Sortimenter einen herzhaften Aderlaß versetzt. Bis zu jener für den Verlag »blühenden, goldenen Zeit« verfließen aber noch viele ruhige Tage, in denen der Sortimenter mit einem heiteren und einem nassen Auge den vielerfahrenen, unermüdlichen Ratgeber in Kostümfragen und für deklamatorische Vorträge spielen kann. Nur bringen diese Auskünfte leider meistens keine Einkünfte. Aber hier und da verkauft er ja doch einige Reclämlein oder Engelhörner oder Ullsteine, und wie diese reizenden Sammlungen alle noch heißen die da mit ihren billigen Preisen den seligen Felix Dahn beim Publikum als krassen Börsen-Spekulanten bloßgestellt haben. Dann noch einige Theatertexle, die in letzter Zeit so eine komische Neigung zu dem unauskömmlichen Rabatt von 20"/« zeigen und das sanfte Lämmlein von einem Sortimenter möchte zum reißenden Löwen werden. Doch, er besinnt sich als echter, rechter, wahrhafter Buchhändler auf seine hohe Mission als Pionier der Kultur und dämpft seine revo lutionären Gelüste. Und wenn dann abends nach des Tages Last und Mühe, der Nur-Kaufmann im Deutschen Theater beim U->l pLrs oder im Hoftheater in der Loge mit seiner offi ziellen Frau sitzt oder auch ohne diese, dann nimmt er noch die neuesten literarischen Erscheinungen durch, um diesem unersättlichen Vampyr Publikum ein stets verläßlicher Be rater sein zu können. Er übcrstnnt. wie oft er auch heute der hilfsbedürftigen Menschheit, wenn auch ohne entsprechen des Äquivalent, dienen durfte; feine Brust wird weit und seine Augen heiter — er bleibt der unverbesserliche Idealist. -O selig, o selig, ein Buchhändler zu sein.« G. Recknagel. Presse und Buchhandel. In den Spalten des »Zeitungs-Verlags«, des Organs für die Interessen der Zeitungsverleger, ist wiederholt die Klage laut geworden, daß der Verleger wohl Rezensionsexemplare und Waschzettel für die Presse übrig habe, sich aber nur in Ausnahme- fällen dazu verstehe, den Inseratenteil gegen die übliche Bezahlung in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grunde halten sich eine große Anzahl Blätter für berechtigt, den Literaturmarkt so stiefmütterlich als möglich zu behandeln und die wichtigsten Neuerscheinungen auf literarischem Gebiete einfach zu ignorieren, während sie den nich tigsten Vereinsangelegenheiten, Theater-, Sport- und Modefragen spaltenlange Artikel, wenn nicht gar besondere Beilagen einräumen. So selbstverständlich es nun auch ist, daß keiner Zeitung zugemutet werden kann, von allen literarischen Erscheinungen ihren Lesern Kenntnis zu geben, weil ein großer Teil der Bücherproduktion sich an ganz bestimmte Kreise wendet oder aus anderen Gründen ausscheidet, so wird man es doch schwerlich billigen können, wenn ganz allgemein die Stellung der Zeitungsverleger gegenüber der Literatur durch eine rein kapitalistische Jnteressenpolitik be stimmt wird. Es ist auch nicht anzunehmen, daß eine derartige Auffassung auf die Dauer dem Publikum verborgen und ohne Rückwirkung auf den ideellen und materiellen Erfolg einer Zeitung bleiben kann. Denn auch wenn bei jeder Gelegenheit mit tönen den Worten die Vertretung öffentlicher Interessen, die Pflicht der Förderung des Gemeinwohls als die erste Aufgabe der Presse in ihren Spalten verkündet wird, muß die Wirkung dieser Phrasen auf die Dauer doch versagen, wenn die praktische Betätigung in allzu krassem Widerspruche dazu steht. Nimmt man aber eine Zeitung nicht mehr ernst, so wird es auch bald mit ihrem Einfluß und ihren geschäftlichen Erfolgen vorbei sein. Nun ist es gewiß nicht leicht, allgemeine Interessen von per sönlichen bzw. geschäftlichen Interessen so reinlich zu scheiden, daß sich in jedem Einzelfalle mit Bestimmtheit sagen ließe, welcher Kategorie sie beizuzählen sind, auch wenn man sich über ihre Provenienz durchaus im klaren ist. Denn nicht immer ist eine Pressenotiz schon deswegen für den Papierkorb reif, weil der Einsender, was ja meist der Fall ist, ein persönliches Interesse an ihrer Aufnahme hat. Wenn je, so gilt hier der Satz, daß der Ton die Musik macht und daß es nicht so sehr auf das Was als auf das Wie, also die rein formale Seite, ankommt. Wer mit der Presse zu tun hat, muß nicht nur wissen, was sie bringen kann und was nicht, er muß auch auf die Arbeitsmethode der Redaktionen Rücksicht nehmen und darf an ihre Zeit und Opfer freudigkeit nicht unbillige Anforderungen stellen. Vor allem aber muß sich derjenige, der Zeitungen für irgendetwas zu interessieren sucht, darüber klar sein, daß er ein Recht auf Berücksichtigung nur in den Fällen hat, wo mit Fug und Recht von einem öffentlichen Interesse gesprochen werden kann. Das ist, nebenbei bemerkt, viel seltener der Fall, als die Einsender für gewöhnlich annehmen, die die Dinge meist im Lichte ihrer eigenen Meinung und Wünsche sehen und nicht begreifen können, daß eine Redaktion sie anders sieht und Mitteilungen, die lediglich eigene Angelegenheiten des Absenders behandeln, in den Anzeigenteil verweist. Nicht ganz belanglos für die oft nicht leichte Beurteilung über die Aufnahmefähigkeit von Preßnotizen »von interessierter Seite« ist neben Form und Inhalt auch die Stelle, von der sie ausgehen. Wenn ein von der Öffentlichkeit anerkannter Verein oder Verband in der Presse Stellung zu irgendeiner Frage nimmt, so ist es selbstverständlich, daß seinen Äußerungen ein anderes Gewicht beigemessen wird, als wenn sich ein Privatmann zum Worte meldet. Nun gibt es neben rein internen Fragen, deren Erörterung am besten auf den Kreis der Fach genossen beschränkt bleibt, auch solche, an denen das große Publikum interessiert ist, und zwar in demselben Maße, in dem ein Verband oder Verein Einfluß auf die Ge staltung wirtschaftlicher oder allgemeiner Verhältnisse ge wonnen hat. Um vom Allgemeinen zum Speziellen über zugehen: wenn der Börsenverein als der berufene Vertreter des Buchhandels in der Öffentlichkeit zu irgendeiner Frage von Allgemeininteresse das Wort nimmt, so kann er mit Sicherheit darauf rechnen, daß das was, er zu sagen hat, auch über den Kreis der Fachgenossen hinaus Beachtung im Publikum findet. Solcher Fragen gibt es heute, wo sich die wirtschaftlichen Jnter- 206 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang.