10 Geschichtliche Nebersicht der Farbentheorien. Philosophie der Goetheschen Farbenlehre für ihre Zwecke. Heg el wollte, ähnlich wie Goethe, in den Naturerscheinungen den unmittelbaren Ausdruck gewisser. Ideen oder gewisser Stufen des dialektisch sich entwickelnden Denkens sehen; darin liegt seine Verwandtschaft mit Goethe und sein prinzipieller Gegensatz gegen die theoretische Physik. Die Physiologie der Sinnesempfindungen war damals noch vollkommen unent wickelt, und die Zusammensetzung des Weiß, welche Newton behauptete, einer der ersten erfolgreichen empirischen Schritte zu der Erkenntnis der nur subjektiven Sinnesempfindungen. Goethe hatte daher ein richtiges Vorgefühl, wenn er einem solchen Schritte, welcher den „schönen Schein" zu zerstören drohte, mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft opponierte; wie wir jetzt wissen, allerdings mit negativem Erfolge. Damit ist aber nicht gemeint, daß die Materialien seines Baues wertlos wären, denn die an der Spitze des Goetheschen Buches behandelten „physiologischen Farben", deren that- sächlicher, wertvoller und wohlgeordneter Inhalt in der heutigen Physiologie und Physik anerkannt wird, sind von der Fachwissenschaft ausgenommen worden, nicht minder die Bezeichnung „physiologisch." Dasselbe gilt von der Goethe schen Benennung „entgegengesetzte" oder „geforderte" Farben für die Ergänzungsfarben, weil letztere in der That von der Netzhaut beim Ansehen jeder objektiven Farbe als Gegensatz verlangt werden. Selbst aus den bei den Fachmännern mit Recht verrufenen Teilen der Schrift haben dieselben keinen Anstand genommen, dieAusdrücke „subjektive" und „objektive" Darstellung in ihrer Wissenschaft einzubürgern, weil jene Ausdrücke kurz angeben, ob die Bilder direkt auf die Netzhaut oder zuvor auf eine Fangfläche geworfen werden. Die übrigen Abteilungen des 1. Bandes, soweit sie nicht direkt die Physi kalische Chromatik, sondern die Beschreibung, Darstellung und Sammlung von Thatsachen betreffen oder nach der ästhetischen, „sinnlich-sittlichen" Seite Hinzielen, sind voll der feinsten Bemerkungen, wie man sie nicht anders von einem so hohen Geiste erwarten kann.