Volltext Seite (XML)
72 VIII. Geschichte des Gerbstoffs. wichtigen Lebensvorgängen sehr hochgradige Veränderungen er fahren, sich mächtig anhäufen, ganz verschwinden, oder sichtbar zu machende Umwandlungen erfahren, ist es eine Eigenthümlichkeit des Gerbstoffes, trotz seiner grossen Verbreitung und trotz der scheinbar grossen Menge des Vorkommens (von welcher jedoch das Chrom leicht übertriebene Vorstellung giebt) unter dem Mikroskop ausserordentlich träge zu erscheinen und keine Wandlungen sehen zu lassen. Man hätte daher von vornherein auf makrochemisches quanti tatives Verfahren kommen müssen, wäre ein solches nicht damals an sich bekanntlich prekärer Natur und in der Physiologie noch un gewohnt gewesen. So half man sich denn mit den allgemeinen che mischen Vorstellungen und den Erfahrungen über das anatomische Vorkommen des Stoffes. Die damals durch Strecker herrschend gewordene Ansicht, dass der Gerbstoff ein Glykosid, also Zucker ab zuspalten im Stande sei, das überaus häufige Zusammenvorkommen mit den Kohlehydraten an ausgesprochen wichtigen Localitäten (was eigentlich bei der Verbreitung der letzteren ganz unvermeidlich war) machte es glaublich, dass der Gerbstoff »ein Glied in der Reihe der Kohlehydrate« (Wigand), » Reservestoff« (Th. Hartig) sei. So entstand die Theod. Hartig-Wigand’sche Auffassung, die bis auf den heutigen Tag noch nicht aus der Literatur verschwunden ist. Die maassgebende Arbeit Wigand’s, die wie irgend eine der ganze Wigand ist, steht in Bot. Ztg. -1862, S. 121 ff.. Hartig’s Aeusserung geschah eher, in der »Entwicklungsgeschichte des Pflan zenkeims« 1858, S. 102. Man vgl. dazu auch Bot. Ztg. 1865, S. 237; »Gerbstoff der Eiche« 1869, S. 15—16 und »Anatomie und Physio logie der Holzpflanzen« 1878, S. -123. Blieb für die Masse der Gerbstoffe diese eben genannte An schauung unangetastet, obwohl sie eigentlich nicht bewiesen war, noch je bewiesen wurde und, wie wir nun wissen, thatsächlich unrichtig ist, so drängte sich für einige Sonderfälle, wo der Gerbstoff ein ent schiedenes Verhalten zeigte, auch alsbald eine richtige Auffassung hervor, für den bei der Keimung von Samen entstehenden Gerbstoff. Mit gewohnter Schärfe und Klarheit sagt Sachs (Bot. Ztg. 1862, S. 246) in der »Keimungsgeschichte der Dattel«: »Hier, wie bei an deren Keimen, wo ich den Gerbstoff während der Keimung als sich erst bildend vorfand (z. B. Phaseplus, Vicia Faba, Ricinus, Pinus Pinea u. s. w.), möchte ich denselben doch nur als ein Exkret be trachten, obgleich die Gerbstoffe in vielen Fällen als Glycoside er-