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233, 7. Oktober 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d Dtschn. Buchhandel. 11645 verlangen und selbst oder durch einzelne von ihm zu bestimmende Mitglieder die Bücher und Schriften einsehen, sowie den Bestand der Gesellschaftskasse und die Bestände an Waren und Wert papieren untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber der Generalversammlung Bericht zu erstatten.« In dieser Be stimmung enthält der erste und der dritte Satz eine Ver pflichtung, der mittlere Satz dagegen ein Recht des Aussichts- rats. Er hat nach dieser Bestimmung die Verpflich tung, die Geschäfte der Gesellschaft in allen Zweigen zu überwachen und sich von dem Gange der Angelegen heiten der Gesellschaft zu unterrichten und ebenso die Ver pflichtung, die Jahresrechnungen und Bilanzen zu prüfen; und er hat das Recht, jederzeit selbst oder durch ihn zu bestimmende Mitglieder die Bücher und Schriften der Gesellschaften ein zusehen usw. In dieser letzten Bestimmung nun hat man ein Hauptbedenken gefunden: eben weil sie nur ein Recht des Auf sichtsrats enthalte, keine Verpflichtung, sei die ganze Bilanz, revision ihrer Art wie ihrem Umfange nach mehr oder weniger in das diskretionäre Ermessen des Aufsichtsrats gestellt und daher nur von problematischem Werte. Ob diese Ansicht zutreffend ist, hängt allein davon ab, ob der Aufsichtsrat die ihm im ersten und dritten Satze der vorstehenden Bestimmung des Handels gesetzbuches auferlegten Pflichten überhaupt erfüllen kann, ohne von den Rechten, die ihm der zweite Satz dieser Bestimmung zuweist, den unbeschränktesten Gebrauch zu machen. Die Frage ist: Kann der Aufsichtsrat die ihm auferlegte Ber- pflichtung, die Geschäftsführung in allen Zweigen der Ver waltung zu überwachen und sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten, kann er die Ver pflichtung, die Jahresrechnungen und die Bilanzen zu prüfen, überhaupt erfüllen, ohne von dem Recht, die Bücher und die Schriften der Gesellschaft einzusehen, den unbeschränktesten Ge brauch zu machen? Es bedarf keiner Beweisführung, um diese Frage unbedingt verneinend zu beantworten. Eine Prüfung der Bilanz und der Jahresrechnung ist, um es mit eins auszudrücken, nur durch Prüfung sämtlicher Einzelheiten des abgelaufenen Geschäftsjahres möglich, die zu den Ziffern der Hauptbilanz und der Jahresrechnung geführt haben. Nur durch eine genaue Prüfung aller Details ohne jede Ausnahme, und zwar von ihren untersten Grundlagen an bis zu den Endziffern der Bilanz hinauf kann die Richtigkeit der Bilanz festgestellt werden. Eine Prüfung der Bilanzziffern setzt eine Prüfung sämt- licher Schriftstücke und sämtlicher Buchungen voraus, aus denen die Ziffern der Endbilanz hervorgegangen sind. Eine Prüfung, die sich aus sogenannte Stichproben stützt, die nicht überhaupt in sämtliche geschäftlichen Details des ab gelaufenen Jahres eindringt, kann nicht den Anspruch auf den Namen einer Prüfung erheben. Hieraus folgt also, daß der Ge setzgeber dem Aufsichtsrate die Rechtem dem Mitteljatze des § 24S nur verliehen hat, um die Erfüllung seiner Pflichten in dieser Bestimmung in vollstem Umfange zu gewährleisten. Diese Rechte ergaben sich zwar schon schlechthin aus den Pflichten des ersten und dritten Satzes des § 246, allein, indem der Gesetzgeber sie im Mittelsatze dieser Bestimmung noch ausdrücklich hervorhebt, schränken sie die Pflichten des ersten und letzten Satzes nicht ein, sondern sie verschärfen sie, indem sie hiermit ausdrücklich alle Schranken beseitigen, die den Aussichtsrat in der Erfüllung seiner Obliegenheiten hindern könnten. Hieraus ergibt sich also, daß die gesetzlichen Bestimmungen keinen Raum für eine diskretzionäre Befugnis des Aufsichts rats in betreff der Bilanzprüfung lassen, daß sie vielmehr dem Aussichtsrate eine bei den ursprünglichen Grundlagen, den Belägen, einsetzende, auf sämtliche Einzelvorgänge des abgelaufenen Geschäftsjahres sich erstreckende Prüfung der Bilanz und der Jahresrechnung zur Pflicht machen. Dies um so mehr, als der 8 249 die Mitglieder des Aufsichtsrats ferner verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Obliegenheiten die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, eine Forderung, die allein ausreichen würde, Bilanzrevisionen mit Hilfe sogenannter Stichproben oder überhaupt eine nicht in alle Einzelheiten eindringende Revision als ungesetzlich, d. h. als eine Nichterfüllung der Vorschriften der 8§ 246 und 249 erscheinen zu lassen. Ebensowenig dem Geist des Gesetzes entsprechen würde Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. daher die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, die aus irgend welchen Gründen, z. B. infolge mangelnder Sachkenntnis, über haupt nicht imstande sind, die Forderung des 8 249, überhaupt die ihnen durch das Gesetz auferlegten Pflichten zu erfüllen. Zur Sicherung dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber zivil- und straf rechtliche Vorschriften erlassen, die in elfterer Hinsicht den Auf sichtsrat für den durch Verletzung seiner Obliegenheiten entstehenden Schaden haftbar machen. Der im Zusammenhang hiermit ge machte Vorschlag, es solle dem Aussichtsrat im einzelnen vorge schrieben werden, wie die Prüfung zu bewirken sei, würde eher auf eine Begrenzung als auf eine Erweiterung seiner Pflichten hinauslaufen, da eben schon nach den bestehenden Gesetzes bestimmungen die Prüfung nur in einer genauen Kontrolle sämtlicher Einzelheiten des betreffenden Geschäftsjahres, aus denen die Bilanz und die Jahresrechnung beruht, bestehen kann. Der Generalversammlung wie jedem einzelnen Aktionär steht natürlich das Recht zu, genauen Ausschluß über die Art und den Umfang der Prüfung zu verlangen. Es erscheint notwendig, aus den Sachverhalt hinzuweisen, schon um der vielfach verbreiteten Auffassung entgegenzutreten, als ob nach den bestehenden Gesetzen die Prüfung der Bilanz und der Jahresrechnung gewissermaßen in das diskretionäre Er messen des Aussichtsrats gestellt sei. Demgegenüber den wirk- lichen Sachverhalt festzustellen, muß als eine um so dringendere Aufgabe erscheinen, als es eine Angelegenheit von größter Be deutung ist, daß die in Deutschland bestehenden 6000 Aktiengesell- schäften nicht nach unrichtigen Vorstellungen, sondern im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen von den hierfür bestimmten Auf sichtsorganen überwacht werden. Strafgesetzbuch K 166. — Der Verlagsbuchhändler Cscil Bügel in Altona hat mehrere Bücher christlich-theologischer Richtung von Franz Schumi-Graz in Kommissionsverlag ge nommen. Sie führen die Titel: Christus und die Kirche; — Die Führung vr. Martin Luthers und Immanuel Swedenborgs im Jenseits durch Vater Jesus, mit Anh.: Die Rechtfertigung vor Gott. 1902. 3.40 ord.; — Donnerworte Gottes über die heutigen Priester; — Die heilige Dreieinigkeit. Da diese Schriften nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in Altona beschimpfende Bemer kungen über die Einrichtung des katholischen Gottesdienstes ent- enthalten, wurden sie im August d. I. beschlagnahmt (vgl. Börsen blatt 1910, Nr. 187). Jetzt ist auch gegen den Verleger Bägel Anklage wegen Verächtlichmachung kirchlicher Einrichtungen er hoben worden. (Nach: »Schleswiger Nachrichten«.) Nochmals die neue Ausgabe der »Luo^olopusckl» Lritiunrrioa«. (Vgl. Börsenbl. Nr. 208.) — In den »Times« hat soeben Mr. Hugh Chisholm, der neue Herausgeber der »Lne^- olopaeäia Britannien«, einige interessante Angaben über das große Unternehmen und seine jüngste Geschichte mitgeteilt. Vor allem ist daraus von Wichtigkeit, daß der seinerzeitige Übergang des Verlags der »Lnozmlopaeckia« von den früheren Verlegern Messrs. A. und C. Black an die »Times« in geschäftlicher Hinsicht die Vorteilhastesten Folgen gehabt hat. Die Herabsetzung des Preises, die Einführung des Ratensystems in der Bezahlung und nicht zuletzt die Anwendung damals noch neuer Methoden der An kündigung hatten dem Werk einen weit größeren Abnehmerkreis als den früheren Auslagen eingebracht. Während früher der Ab satz der Bne^eloxasäia praktisch auf Bibliotheken, Behörden und sonstigen öffentlichen Anstalten beschränkt war und nur sehr wenige Privatkäuser das kostbare Werk erwarben, traten jetzt erst auch Privatleute in größerem Maßstab als Käufer auf; ja Mr. Chisholm geht so weit zu sagen, daß ohne den Übergang des Werkes an die »Times« die (vorletzte) neunte Auflage des Werkes wahr scheinlich die letzte geblieben sein würde. Auch die Möglich keit einer Herausgabe des ganzen Werkes innerhalb einer kurzen Zeit wurde damals zuerst erprobt, obwohl das gegenwärtige Er gebnis dieser Bestrebungen, das die gesamten Bände gleichzeitig erscheinen zu lassen gestattet, weit über die damaligen Absichten des Herausgebers hinausgeht. Daß dieses in der Geschichte des englischen Buchhandels einzig dastehende Ereignis auf das Publi kum großen Eindruck machen wird, darf wohl als sicher ange sehen werden. Daß diese Leistung nur durch ungeheure An strengungen sowohl des Herausgebers wie der »Times« zu er- 1512