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Derselbe wurde durch ein vom Vereinsvorstande Herrn Her mann Sperling ausgebrachtes Hoch auf Se. Majestät Kaiser Wilhelm II. und Se. Majestät König Albert, welches be geisterten Widerhall fand, eröffnet, worauf Herr Oskar Dietze aus Chemnitz das Wort zu feinem Vortrag erhielt. Derselbe schilderte vorerst die Zustände in der französischen Armee im Allgemeinen und ging dann zum ersten Theile des Vortrages: „Armee-Eintheilung, Disnstbetrieb und Hand habung der Waffe in der französischen Armee", über. Der Herr Vortragende entrollte hierbei ein sehr interessantes Bild, welchem gewiß jeder gediente Soldat mit Interesse gefolgt ist, beleuchtete eingehend die Verhältnisse in der französischen Armee in Bezug auf Löhnung, Beköstigung, Quartier und Strafen, und führte sodann die Handhabung der Waffe in Frankreich vor. Nach einer kurzen Pause kam der Herr Redner zum zweiten Theile des Vortrages: „Seine Erlebnisse in der französischen Fremdenlegion". Er besprach den Werbungsact, und betonte, wie leicht es für einen jungen Mann sei, Aufnahme in der französischen Fremden legion zu finden, da derselbe weder Papiere noch sonst etwas zu besitzen nöthig hat. Die Nennung irgend eines Namens, welcher in eine Stammrolle eingetragen wird, genügt und die Aufnahme ist erfolgt. Schließlich wurden vom Herrn Redner die in der Fremdenlegion herrschenden Zustände ge schildert und eingehend über das Kriegsleben, wie es in den Jahren 1881—1886 in Algerien stattgefunden hat, berichtet. Sodann warnte er jeden jungen Mann vor dem Ein tritt in die Fremdenlegion, da es weiter nichts sei als eine Zeit der Enttäuschungen und Entbehrungen. Reicher Beifall wurde dem Herrn Vortragenden für seine Ausführungen zu Theil. Interessant war auch die Vorzeigung der Tongking-Me- daille, welche dem Redner von Frankreich verliehen worden ist, sowie dessen Paß und ein Bild, letzteres die Uniformirung der Fremdenlegion darstellend. Auf Veranlassung des Militär vereins-Vorstandes wurde Herrn Dietze der Dank der Ver sammlung durch Erheben von den Plätzen kundgegeben. Ein kräftig ausgebrachtes Hoch auf das deutsche Vaterland beschloß diesen Vortragsabend. Trotz des niedrigen Eintrittspreises sind 74 Mark vereinnahmt worden, sodaß nach Abzug der Kosten immerhin noch ein, wenn auch nicht großer Betrag an hilfsbedürftige Kameraden abgegeben werden kann Ohorn. Im Gasthof zur König Albert-Eiche, hier wurde am Todtensonntag, Abends in der achten Stunde ein schwarz und grün marmocirtes, aus einer LöStauer Fahrradfabrik stammendes, ziemlich neues Fahrrad (Ori ginal rapid) gestohlen. Dasselbe gehört einem Herrn aus Löbtau. Vielleicht trägt diese Notiz zur baldigen Ermit telung des Diebes bei. Gersdorf. Der hiesige Geflügelzüchter-Verein, wel cher Verbandsverein des Landesverbandes sächsischer Geflügel züchtervereine unter dem Protektorate Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich August, Herzog zu Sachsen ist, hält in den Tagen vom 31. Dezember bis mit 2. Januar 1900 seine vierte große allgemeine Geflügel- und Kaninchenaus stellung, verbunden mit Prämiirung und einer Verloosung von nur ausgestelltem Geflügel und Kaninchen im Hellen und geräumigen Saale der Miehle'schen Brauschänke in Gersdorf ab. Der Verein scheut weder Mühe noch Kosten, Die Ausstellung zu einer gelungenen zu gestalten, indem er 30 Mark zu Ehrenpreisen aus der Vereinskasse zur freien Unterstützung der Preisrichter giebt. Es sind auch von Vereinsmitgliedern bis jetzt zahlreiche Privatehrenpreise ge stiftet worden. Die Ausstellung ist eine allgemeine, d. h.: es kann Jeder ausstellen, ohne Mitglied des Vereins zu sein. Die Thiere werden in neuen eisernen verschließbaren Patentkäfigen untergebracht. Programm und Anmeldebogen werden soeben versandt und wollen Interessenten selbige vom Schriftführer des Vereins, Herrn Emil Hentschel hier, verlangen. Zur Verloosung werden 2000 Loose, ü 50 Pf. ausgegeben und sind selbige ziemlich vergriffen. Den Haupt verkauf der Loose hat Herr Schneidermeister A. Frenzel hier. Zu recht zahlreicher Beschickung und Besuche der Ausstellung sei daher auch hierdurch ergebenst eingeladen. — DerMndreasabmd, der letzte November, wird be sonders beachtet von jungen Mädchen verschiedener deutscher Gegenden, um die Zukunft zu erfahren, natürlich das, was ihre Neugierde am meisten anregt, den Namen des Herz allerliebsten oder ihn im Traume zu sehen. Der Andreas tag ist dem heiligen Andreas geweiht, doch was hat dieser Heilige mit den sehr weltlichen Wünschen unverheirateter Mädchen zu thun? Alle diese Gebräuche stammen aus der alten abergläubischen Heidenzeit. Altgermanisch galt diese Zeit für den Anfang des Winters, dessen Einsamkeit früher bei dem mangelnden Verkehr doppelt empfunden ward nud die Sehnsucht nach Annäherung, besonders bei alleinstehen den Mädchen wach rief. Das Blei- und Wachsgießen am Andreasabend ist jetzt noch als Scherz weit verbreitet, um Näheres über den Erwarteten zu erfahren, ein Scherz, welcher der Phantasie viel freien Spielraum läßt und zur Unterhaltung beiträgt. Wir wünschen leder der so vielen Heiratslustigen nur die schönsten Phantasiegebilde, die ob wohl von Blei eine goldene Zukunft versprechen, freilich dürfte die Erfüllung aller Wünsche wohl ins Reich der fabelhaften Unmöglichkeit gehören. — Sehr oft kann man beoachten, daß Kinderwärte rinnen oder Mütter ihre Kinder, wenn sie dieselben auf der Straße an der Hand führen, beim Ab- oder Aufsteigen der Fußbahn, bei Stufen, Gräben, Pfützen oder dergleichen an einem Aermchen in die Höhe ziehen und ihnen so über das Hinderniß hinweghelfen. Wie übel das ausfallen kann, mußte dieser Tage in Meißen eine junge Mutter erfahren, welche ihr zweijähriges Töchterchen auch an einem Arme über einen kleinen Schutthaufen hob, hierbei aber dem Kinde eine derartige Muskelzerrung zufügte, daß die Hei lung voraussichtlich lange Zeit in Anspruch nehmen wird. — Eine neue Reichspostmarke zu 2 Pfg. ist von, Reichspostamt bei der Festsetzung der neuen Briefmarken vorgesehen worden. Dis neue Marke entspricht den neuen Germania-Marken im Werth von 3 bis 20 Pfg. in Äüd und Druck; ihre Farbe ist hellgrau. Sie gelangt erst mit der Einführung der neuen Portosätze am 1. April zur Einführung und dient als Werthzeichen für die Zweipfennig- Postkarte für den Orts- und Nachbarortsverkehr. Mit der Zweipfennig-Marke wächst die Zahl der vom 1. April an eingeführten Reichspostmarken auf 14, während wir jetzt nur 7 Sorten haben. — Auf den sächsischen und preußischen Staatsbahnen sind Rückfahrkarten,doch nicht auch Arbeiterrückfahrkarten, von sonst kürzerer Geltungsdauer, die Montag den 18. Dezem ber d. I. und an den folgenden Tagen gelöst werden, bis einschließlich Montag den 8. Januar 1900 giltig. Weitere Auskunft ertheilen die Fahrkarten - Ausgaben und Aus kunftsstellen. Dresden. (Sächsischer Landtag.) Die 1. Kammer ! vollzog in ihrer »Sitzung vom 23. d. M. lediglich einige ^Wahlen. Sie wählte Rittergutsbesitzer v. Trützschler und x Bürgermeister Thiele zu Mitgliedern der Brandversiche- rungskammer und zu deren Stellvertretern Rittergutsbe sitzer vr. v. Wächter und Kammerherr v. Schönberg. Ferner wurde Ministerialsecretär Krauß zum ständischen Archivar gewählt. Nächste Sitzung Dienstag. Die 2. Kammer wählte am gleichen Tage den Präsidenten vr. Mehnert und den Vicepräsidenten vr. Georgi zu Mit gliedern des Landtagsausfchusses zur Verwaltung der Staatsschulden, die Abgeordneten Opitz und May zu deren Stellvertretern und den Ministerialsecretär Krauß zum ständischen Archivar. — Die 2. Kammer nahm am Frei tag den durch Decret Nr. 10 vorgelegten Gesetzentwurf, betr. die Anlegung von Mündelgeldern, in allgemeine Vorberathung und verwies ihn schließlich an die Gesetz- gedungsdeputation. Regierungsseitig wurde der Gesetzent wurf vom Staatsminister I)r. Schurig in ungemein klarer Rede begründet, in welcher der Minister besonders Lie Rechtsentwickelung der mündelmäßigen Papiere beleuchtete. Im Allgemeinen stimmte Abg. vr. Georgi im Namen der Nationalliberalen den Grundzügen der Vorlage zu, wobei er jedoch betonte, daß in dieser Frage doch wohl manche strittige Punkte vorhanden seien, namentlich was die Mün delsicherheit der Pfandbriefe von Aciiengesellfchaften anbe lange. Im weiteren Verlauf der Sitzung sprach dann nur noch Abg. vr. Spieß, der besonders hinsichtlich der vorgeschlagenen Mündelsicherheit der Hypothekenbankbnefe Bedenken im Namen eines großen Theiles der Conserva- tiven äußerte. Nächste Sitzung Montag. — Ueber das Befinden Sr. königl. Hoh. des Prinzen Friedrich August ist erfreulicher Weise mitzutheilen, daß der Hohs Patient infolge der gut fortschreitenden Genesung und bei andauernd sehr zufriedenstellendem Befinden am Montag erstmalig auf einige Stunden das Bett verlassen hat. Demselben ist das erste Aufstehen recht'gut bekom men und wird Se. königl. Hoheit unter Zustimmung der Aerzts auch weiterhin einen Theil des Tages außer Bett zubringen — In Dresden wurde am 25. November vor mittags '/,I2 Uhr die unter dem Protektorate der Königin stehende „Volksthümliche Ausstellung für Haus und Herd" im städtischen Ausstellungspalaste feierlich eröffnet. Anwesend waren der König und die Königin, Prinz Georg, Prinz und Prinzessin Johann Georg, sowie Vertreter der Staats- und städtischen Behörden und zahlreiche Ehrengäste. Dresden. Der gefürchtete Mensch, welcher in der jungen Haide, in der Nähe der Baumwiese, eins Frau über fiel und beraubte, ferner in der Nähe von Glasewaldsruhe das Schulmädchen Hänsel anfiel, und auf Dippelsdorfer Flur einem Dienstmädchen einen Leibriemen um den Hals warf um dasselbe zu erwürgen bez. zu vergewaltigen, ist nach vielen Bemühungen durch Herrn Bezirksgendarm Ockwitz aus Moritzburg ermittelt worden. Es ist dies der 1874 in Dresden geborene und zuletzt in Trachau wohnhaft gewesene Fabrikschmied Gustav Albin Mißbach. Dieser hat ein Ge- 'tändniß abgelegt und angegeben, daß er die auf Boxdorfer Flur überfallene Frau ihrer Habe beraubt und an der Dienst magd ein Sittlichkeitsverbrechen habe ausführen wollen. M. ist ein arbeitsscheuer und bereits wegen Sittlichkeitsver brechen mit Zuchthaus vorbestrafter Mensch. Dresden. Die Loose der V. Sächsischen Pferde zucht-Lotterie erfreuen sich diesmal einer kolossalen Nach frage und ist der Haupigrund wohl allein darin zu uchen, daß die hiefür angekauften ostpreußischen Pferd« wrchgängig Gebrauchspferde, welche zur Zucht geeignet und nicht wie in früheren Jahren zum Theil gedeckte Mut ierstuten sind. Die ferner zur Lotterie angekauften In dustrie-Gegenstände haben durch die Reihe der Jahre das Publikum überzeugt, das nur durchaus practische Gewinne zur Ausgabe gelangen, und somit kann man wohl mit Recht behaupten, daß die obige Lotterie des Dresdner Rennvereins sich steigender Sympathieen erfreut. Loose ä 1 11 Stck. 10 (siehe heutiges Inserat dieser Zeitung) solange der Vorrat reicht, durch das Secretariat des Dresdner Rennvereins, Dresden, Victoriastr. 24 zu beziehen, oder in den allerorts durch Plakate kenntlichen Verkaufsstellen zu haben. — Bei jeder Kreishauptmannschast Sachsens soll künftighin ein besonderer Rath für gewerbliche Angelegen heiten angestellt werden. Hierfür sind Techniker in Aus sicht genommen, die als „technische Bestäche für die Aus führung dec Gewerbeordnung, insbesondere der Arbeiter schutz-Bestimmungen" zu dienen haben. Diesen Beamten werden zur Entlastung der Gewerbe-Jnspectionen besondere Zweige der Aufsichtsthätigkeit übertragen werden. Ihr Gehalt ist mit 6000 bis 7200 Mark, durchschnittlich 6600 M., iu den Etat eingestellt. Es sind jetzt 55 Jahre her, daß wir inSachsen die Rauchfreiheit haben. Vorher durste sich Niemand mit brennender Cigarre oder Pfeife ohne Deckel auf der Straße sehen lassen, wenn ihn nicht die Polizei beim Schopfe nehmen sollte. Endlich fiel das ängstliche Verbot, ohne daß seitdem die Welt in Feuer und Rauch aufgegangen wäre. — Gestern war der letzte Ziehungstag der 5. Klasse in der 136. Königl. Sächs. Landeslotterie. Manche stolze Hoffnung ist an diesem letzten Tage wieder einmal zu Grabe getragen worden, manch' stiller Wunsch unbefrie digt geblieben! Dresden und Umgegend haben diesmal ganz hübsch gespielt. Während die 300,000 direkt nach Dresden in die Kollektion von Allexander Hessel fiel, schüttete For» iuna ihre höchste Gabe in Gestalt des Großen Looses über das nachbarliche Plauen aus; die 500,000 fiel in die Kol lektion von C. O. Hochgemuth (Plauen). Die 150,000 ist nach Greiz gekommen, während die 100,000 Mk. Leipzig beglückt hatte. Auch die gestern gezogene Prämie von 200,OM Mk., die dem höchsten Gewinn des letzten Tages von 10,OM Mk. zu fiel, ist in die Leipziger Gegend gekom men und zwar nach Brandis bei Leipzig in die Kollektion von Burkhardt auf die Nr. 34,102. Meerane. Das evangelisch-lutherische Landes konsistorium hat hieher die Anregung zum Bau einer zweiten Kirche ergehen lassen. Meerane mit den einge- pfarrten Orten zählt 26,000 Einwohner, während sonst nur 10,000 bis höchstens 15,OM Seelen auf em Kirchspiel gerechnet werden. — Am 21. November wurden fünf von den sechs arbeitsscheuen Burschen aus Mügeln und Oschatz, die als woh'organisirte Diebesbande seit längerer Zeit die ganze Umgegend unsicher gemacht und in der Bärdach in einer Höhle sich ein förmliches Liebesnest eingerichtet hatten, festgenommen; die Burschen hatten sich durch ihre Unvorsichtigkeit selber verrathen. — Aus Johanngeorgenstadt wird mitge- theilt, daß an dem von den Zeitungen gebrachten Berichte über den Versuch eines Raubanfalles auf der Straße nach Platten durch einen als Frau verkleideten Mann k-in wahres Wort ist. Die Geschichte entstammt einem alten Kalender! — Ein kleiner Schüler der Volksschule zu Plauen nimm! sein noch nicht schulpflichtiges Brüderchen, da die Mutter abwesend ist, mit in die Schule. Der Herr Lehrer läßt, obwohl das Mitbringen von kleinen Geschwistern in den Unterricht nicht gestattet ist, doch hier eine Ausnahme gelten und weist dem Kleinen einen Platz neben seinem Bruder an. Der Kleine sitzt Anfangs mäuschenstill da und beobachtet das ihm so viel Neues bietende Leben in der Schule. Endlich wirb ihm die Sache doch etwas langweilig, er rutscht hin und her, schließlich spricht er etwas zu seinem Bruder. Neugierig, was der Kleine wohl haben mag, fragt der Lehrer den Bruder: „Was hat denn jetzt eben dein Bruder zu dir gesagt?" und er hält die Antwort: „Er hat gesagt: „He, wenn werd'n mol vner dorchgewichst?" — Der beim Postamt in Waldenburg angcstellt gewesene Pvstassistent Anton Erich Geilhufe hatte vom Monat Juni dis Mitte Oktober dieses Jahres nach und nach zusammen 4000 Mark unterschlagen und die Bücher gefälscht. Das königliche Schwurgericht zu Zwickau ver- uriheilte ihn deshalb zu zehn Monaten Gefängnis und drei Jahren Ehrenr chisverlust. — Vom Schwurgericht Zwickau wurde der Dro- guist Hugo Richard Thost in Glauchau, welcher in einer Prozeßsache eines Chemnitzer Malermeisters gegen ihn falsch geschworen hatte, wegen fahrlässigen Faljcheids zu 1 Jahr Gefängnis verurtheilt. — Von einem eigenthüml'chen Unfall, der recht ver- hängnißvoll ablaufen konnte, wurde dieser Tage eine Gast- wirthssrau inKrebs betroffen Dieselbe war im Begriff, aus einem an der Wand befestigten Schrankaufjatze mit Glasscheiben, in welchem diverse Gläser und Spiriiuosen- flaschen ihren Platz hatten, etwas herauszunehmen, als plötzlich sich die Haken lösten und der Schrank auf die Frau stürzte. Der Kopf der erschrockenen Wrthm durch- chlug die Glasscheiben und wurde zwischen den Bruchstü cken festgeklemmt, so daß die Frau bei jeder Bewegung Gefahr lief, sich am Halse zu verletzen. Zum Glück be- anden sich zwei Gäste im Zimmer, w-lche die G fangene aus ihrer schlimmen Lage befreiten. Außer einigen Ver- lrtzungen am Kopfe ist die Frau mit dem Schrecken da vongekommen. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Der Familienbesuch Kaiser Wilhelms am englischen Hofe hat nun doch noch einen hochpolitischen Anstrich erhalten. Nach glaubwürdigen Londoner Privat- nachrichten sind der Colonialminister Chamberlain, sowie der Finanzminister Balfour, welcher den unpäßlichen Premier minister Lord Salisbury in der obersten Leitung der poli tischen Geschäfte Englands einstweilen vertritt, vom Kaiser in Schloß Windsor empfangen worden. Bei dem Empfange des erstgenannten englischen Staatsmannes, der zur Zeit bekanntlich die einflußreichste Rolle im Cabinet von St. James spielt, ist, wie weiter versichert wird, auch der deutsche Bot schafter in London, Graf Hatzfeldt, zugegen gewesen; nach ei'l^r andern Version hätte der Kaiser vor seiner Herrn Chamberlain ertheitten Audienz eine Conferenz mit Bülow und Hatzfeldt abgch ilten, woran sich dann eine Unterredung der beiden deutschen Diplomaten mit Mr. Chamberlain an gereiht haben soll. Jedenfalls darf es. wohl als feststehend gelten, daß in Schloß Windsor irgendwelche diplomatische Besprechungen, unter Theilnahme des Kaisers vor sich ge gangen sind, und bereits heißt es, daß hierbei Kaiser Wil helm in aller Form und im Namen der Großmächte der englischen Regierung die Vermittelung zur Herbeiführung des Friedens in Südafrika an eboten habe. Das mag zu nächst nnr Vermuthung sein, sie klingt indessen gerade nicht o unwahrscheinlich, zumal aus Südafrika selbst Anzeichen einer allmälich, wenn auch noch leise, einsetzenden Frieden s- trömung gemeldet werden; sicherlich würde aber die englische Reise Kaffer Wilhelms trotz ihres familiären Charakters ihren schönsten Abschluß erfahren, wenn hierbei dem erlauchten Herrscher die Erfüllung der ihm nachgesaglen Friedensmission gelänge. — Am Freitag Nachmittag stattete Kaiser Wilhelm, begleitet vom Prinzen von Wales und dem Herzog von Connaught, dem Herzog und der Herzogin von Marlborough einen etwa dreistündigen Besuch im Schloß Blenheim ab. — Die kaiserlichen Majestäten gedenken am Dienstag von fort Victoria, wohin bereits die Jacht „Hohenzollern" und deren Begleitschiffe, der Panzer „Friedrich III." und der Kreuzer „Hela", von Portsmouth beordert worden sind, aus die Heimfahrt nach Deutschland anzutreten. — Der Reichstag setzte am Freitag die Spezialberathung der Gewerbeordnungsnovelle bei dem der Regierungsvorlage von der Commission neu hinzugesügten Artikels 5a fort. Derselbe ermächtigt den Bundesrath, die näheren Bestim mungen zu treffen, nach denen Wind- und Wassermühlen on der Befolgung der reichsgesetzlichen Bestimmungen über