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2930 Nichtamtlicher Theil. 186, 12. August. für ihn gehabt. Lavatcr, den der Maler Lips begleitete, um für die Physiognomik zu zeichnen, reiste, nachdem er in Frankfurt einige Zeit der Gegenstand allgemeiner Verehrung gewesen, nach Ems aveiler, Goethe begleitete ihn dorthin, kehrte jedoch schnell »ach Frank furt zurück, weil seine kleine» Geschäfte gerade auf der Bahn waren, so daß er sie kaum verlassen durfte. Bald erschien er jedoch wieder, diesMal in Gesellschaft von Ba sedow, der den sonderbarste» Contrast zuLavaler und Goethe bildend, mit diesen beiden für die nächste Zeit zusammenblieb. Von Ems aus schrieb Lavatcr am 14. Juli an Reich. „Schon lange wollt ich Ihnen auch einmal von hieraus schrei ben, und konnte nicht dazu komme». Ich brauche das Emser Bad und bleibe noch hier bis zum 18. Julius, dann mach ich noch eine kleine Reise nach Düsseldorfs und hosse den 30. in Frankfurt zu scyn, wo ich durch Deiuet eine» Brief von Ihnen au mich allenfalls empfangen könnte. „Durch Zufälle, die unsere mitgenommenen Kupfertaseln be trafen, wurde der Mahler, den ich mit mir nahm, gehindert zu ar beiten; doch war seine Mitreise nichts weniger als vergeblich. Auch ist mir diese Reise in physiognomischer Absicht sehr sehr vorthcilhast. Allenthalben werde ich von den verständigsten und würdigsten Leu ten ausgcmuntcrt Herrliche Stücke habe ich von Chodowiecki bekommen, von Füßli» nichts. Uebcrsetzer ins Französische hoffe ich auf dieser Reise gesunden zu haben. Basedow ist itzt bet) mir. Ich laß ihn zeichnen O wen» mich Gott nur gesund erhält, so will ich ein Werk liefern, das Menschen menschlich machen soll." Der Plan einer Reise nach Düsseldorf kam dann zur Aus führung, Lavatcr, Basedow und Goethe fuhren die Lahn hinab, und wie dieser bei einem Diner in Coblenz sich seinen beiden Nach barn gegenüber sehr weltlich vorkam, so auch auf der ferneren ge meinschaftlichen Fahrt. „Und wie nach Emaus, weiter giengs Mit Sturm- und Feuerschritteu. Prophetc rechts, Prophcte links, Das Weltkind i» der Mitten." An, 24. August war Lavatcr in Zürich zurück, ein geübterer Physiognomist, als er vor der Reise gewesen. Viele Beobachtungen und Zeichnungen, die der Mitreisende Lips gesammelt, waren er wünschte Ausbeute. Bedauerlich ist dabei nur, daß das Geld in des Diatonus Beutel wieder aus die Neige geht. Die Künstler wollen bezahlt sei», dabei erweist sich ein Umban des Lavaterschen Wohn hauses kostspieliger als erwartet. Vielleicht kaufte unter diesen Um ständen Herr Reich dem Züricher eine Wiener Obligation sür 1080 fl. ab, und schösse aus künslige Abrechnung etwas vor? „Allenfalls könnt' ich sür einige Hundertthalcr Leipziger Steuerschcinc dagegen senden." Reich Hilst Lavater aus der Noth, die Arbeit in Zürich hat ihre» Fortgang, soweit die Stecher nicht aushalten. „Alle Kupfer stecher und Mahlerversprechungen gelten nichts. Unter 10 hat kaum einer halb Wort gehalten. Es arbeiten izt an unscrm Werke 3 Züricher Bürger, 1 Baucrsunge, 1 Bauermanu , 2 Berliner, 2 Augsburger, 2 Engländer, l Wintcrthurcr und noch ein Paar Ludwigsburger", und trol; dem kommen wöchentlich keine acht Tas.ln oder Zeichnungen zu Staude. Auch der Druck geht sehr langsam, obgleich die Tafel» außer in Zürich auch in Augsburg, Straßburg, Nürnberg und Basel gedruckt werden. Trotz alledem kann im Winter daran gedacht werden, mit dem 'Druck des Teiles zu beginnen und i» der Ostermesse 1775 ver rechnet Herr Dürre den ersten Quart-Band des stattlichen Werkes, auf dessen Erscheine» ein deutsches und französisches Avertissement vorbereitet hatte. Die 38 Quartbogen kosteten — Auflage 750 Erpl.*) — 212Thlr. 4Gr.(der Bogen zu 5Thlr. 14 Gr.). Lavatcr waren, in Veränderung des alten Contracts, 5000 fl. in Du- caten ä 2 Thlr. 20 Gr. Honorar bewilligt worden, davon erschien jetzt die Hälfte in dem Weidmannschen Hauptbuch mit 1574 Thlr. 2 Gr., außerdem erhielt der Verfasser „100 Ducaten Douceur", von Reich also 141 Thlr. 16 Gr. außerdem Honorar. Der Preis des stattlichen Bandes war 18 Thlr. 16 Gr. Noch während der erste Band im Drucke war, begannen Un terhandlungen wegen des zweiten Bandes. Reich war, so scheint es, etwas mißtrauisch und Lavater schlug daher vor, daß er mit Steiner allein das Unternehmen fortsetzen wollte. Doch entschloß sich der Leipziger Verleger, sich von den Genossen nicht zu trennen. Gleich nachdem der erste Band erschiene» war, begann der Druck des zweiten, zu welchem, wie zum ersten, Goethe verschiedene Bei träge lieferte. Der Band erschien, 38'A Bogen stark und mit zahl reichen Kupfern und Vignetten geschmückt, in der Ostermesse 1776. Sein Ladenpreis war 24 Thlr. Lavater empfing dafür 8300 fl. in Carolin ü 10 fl., von Reich die Hälfte mit 2628 Thlr. 8 Gr. lFortsetzung folgt.) MiScellen. Warnung vor Schwindel. — Zu wiederholten Malen schon habe ich an dieser Stelle vor einem Menschen gewarnt, der unter verschiedenen Namen von Stadt zu Stadt zieht, die Herren College» anbettelt und dabei ei» gefälschtes, angeblich von mir her rührendes, Unterstützungs-Gesuch producirt. Der Hochstapler hat sein Unwesen in Wien, Breslau und Leipzig getrieben, in letzterer Stadl wurde ihm im vorigen Jahre sein Zeugniß abgenommen, die Per son selbst aber hat man Seitens der Polizei leider wieder lausen lassen, so daß seine Bestrafung bis jetzt nicht gelungen ist. Jetzt ist dieselbe Persönlichkeit wieder in München unter dem Namen Gustav Jörou ausgctaucht und hat den dortigen Buchhandel gebrandschatzt. Die Taktik war hier folgende. Dem Betreffenden sind jetzt angeblich seine sämmtlichen Effecte», darunter auch die Zeugnisse, gestohlen, und er bcrust sich schlauerweise nur noch mündlich darauf, mich voll Frankreich her zu kennen, resp. in unserem Geschäft hier früher con- ditionirt zu haben. Wie im vorige» Jahre, gibt er auch jetzt noch vor, bei Scheuring in Lyon, außerdem bei Morel in Paris und bei Münster in Trieft conditionirt z» haben, und bei Gelegenheit des Krieges aus Frankreich ausgewieseu zu sein. Neu ist, daß er jetzt auch bei uns in Berlin gearbeitet haben will. Von der oeslcr- reichischeu Gesandtschaft in Stuttgart hat sich der Mann eine» 10 Tage gültigen Frcischein zur Fahrt nach Wien verschafft, so daß er vermuthlich sehr bald in Wien wieder auftauchen wird. Aus diesem Scheine Wal das Signalement wie folgt angegeben. Name: angeb lich Gustav Jörou. Geboren: >843 in Wie». Statur: mittelgroß. Augen: grau. Haare und Bart: dunkelbraun. Ich warne nun noch mals davor, diesem Jöron, oder wie er sich sonst nennen mag, eine Unterstützung zu geben, ich kenne keinen mir näher stehenden Buch händler, der aus Frankreich vertrieben jetzt in der Lage wäre, zu betteln, habe Niemanden zu de», Zweck ein Empfehlungs-Schreiben ausgestellt, und Niemand hat in unserem Geschäfte hier gearbeitet, der die Unterstützung des Buchhandels anzurnfcn hätte. Es han delt sich hier offenbar um ein arbeitsscheues Subjeet, welches seit Jahr und Tag schon systematisch das Vertrauen des Buchhandels ausbeutctz möchte dock endlich einmal einer der Herren College» im Interesse der klebrigen diesem Treiben ein Ende machen, indem e> de» Schwindler der Polizei überantwortet. Berlin, 7. August 1872. Otto Mühlbrecht. *) Die früher gegebene Auflage von öOO lt-rol. jfl irrlhümlich.