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Hloäsrns lUslilctisn.. Hermann IVlei88ner Lin berliner I^oman VON bi-oscliiert in kommi88ion mit Z0o<, — bai- mit 35 °o — 6 und metir kxempl. (auck Zemkctit) dar mit äv o/g und gewissermaßen als unerläßliches Gesellenstück gegolten hatte. Damals war sich alles, was schrieb — und nach Börnes Wort schreibt in Deutschland alles, was Hände hat, und wer nicht schreiben kann, der rezensiert — darüber einig, daß der Berliner Großstadtroman, der die neue politische und wirtschaftliche Entwicklung in einem Weltbilde zusammenfaßt, zu den Bedürfnissen des Tages gehört. Ungezählte Male ist dieser Roman geschrieben worden, aber bis zum heutigen Tage besitzen wir ihn nicht. Nun, da alles, was Hände hat, dem Naturalismus den Totenschein schreibt, stimmt Meissner den Ton meggegangener und „überwundener" Tage wieder an. Sein Buch scheint den noch unbesetzten Platz eines Berliner „Ü'/lr^snt", mit einem Nabob als Helden, emnehmen zu wollen. „T'Lrgent", gesehen vom Kontorpult des bescheidenen und ökonomischen Deutschen, dem die Wechselstube eines anrüchigen Bankers in der Jägerstraße, das Dachstiwchen eines findigen Terrainspekulanten ein Stück Welt bedeutet, das nachzubilden sich lohnt. Ein Nabob der Burg- straße, der das Ziel seiner Wünsche erreicht hat, als er ein paar Millionen Berwandtschastskapital für sein großes Projekt, die Anlage einer Kunststraße durch den Grunewald investieren und den Fürsten Reichskanzler persönlich für sein Spekulationsobjekt interessieren darf. Aber trotz Zola- Daudetschcr Schule unverkennbar auch darin das Werk eines Deutschen, daß über dem trübsten Sumpfe ein Stückchen Himmelblau, daß die Zuversicht, dem Anständigen bleibe die Welt ,nicht stumm, trostreich all die Irrungen und Wirrungen des Tages durchleuchtet, daß der Mann, dem der große Wurf gelungen, schließlich nach dem langen Winter einer mißvergnügten Ehcirrnng das holde Weib seiner Jugend erringt und so auch des Glückes am häuslichen Herde teilhaftig wird. Das Buch ist ganz nach den besten Rezepten der naturalistischen Apotheke gearbeitet; einen Zeitraum von fünfzehn Jahren (1880—18W) ,unfassend, sucht es durch sorgsam gewahrte Topographie das äußere, durch Beziehung auf die merkwürdigsten Ereignisse der Zeit das innere Milieu zu gestalten. Nach der Weise der Schlüsselromane führt es viele Zeitgenossen aus der Geschäftswelt, der Presse, den Finanzkreiscn in mehr oder weniger dicht verschlossenen Masken ein, macht aber auch mit manchen hervorragenden Personen, wie dem Kaiser, dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe, dein Minister v. Möller (v. Müller), Th. I. und L. P., ganz offen Staat. Der Verfasser kennt sich offenbar in den Geschäfts- und Börscnkreisen von oben h>s unten ganz vorzüglich aus und ver steht es, seine Handlung im wesentlichen einigen wenigen Figuren auszubürde», die er dann auch fest und stramm bis zum Schlüsse in der Hand behält. Eine ganze Anzahl geschickt eingcflochtcner Episoden, gut abgernlsteter Komparsen erleichtert cs, die verschiedensten Stätten und Winkel der Großstadt auszusuchen und so wirklich einen ansehnlichen Ausschnitt des älteren Neu-Berlin, von den Sälen im KönigSschlosse, dem Arbeitszimmer des Reichskanzlers, de» Rednktionsburcans der großen Blätter, den Cheskabinctten der Großbanken bis hinab zu den zweisclhaften Jndustriekontors und den zweifelhafteren Absteigequartieren, von den ehrbaren Kleinbürgcrstuben in Berlin (l. bis zu den Bauernhäusern und Budiken a» der Stadtperiphcrie, lebendig zu machen. Ob es nun nicht doch an mancher dieser Stätten, sei cs im Palais des Kaisers, sei es in den Redaktionen der großen Zeitungen, etwas verwickelter zügelst, als sich dies der Verfasser vorstcllt, ist allerdings fraglich. Gerade sein Wirklichkettssinn, seine frische und packende Erzählungsweise, die selbst mit den miss lichsten Börsenangelegenheiten fertig wird und an keiner Klippe ungelöster grauer Theorie scheitert, dürste dem Verfasser einen Ivetten und dankbaren Leserkreis gewinnen. VV. 57