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204, 2, September 1904, Nichtamtlicher Teil. 7271 die Witwenkasse mit der Begräbniskasse zu verschmelzen. Leider ist dieser Vorschlag — zurzeit wenigstens — unausführbar. Im Anfangsstadium der Verhand lungen mit dem Kaiserlichen Aufsichtsamt habe ich die oben ausgesprochenen Bedenken über die zukünftige Entwicklung der Witwenkasse ernstlich erwogen und ge legentlich einer Konferenz mit den Vertretern der Behörde eine Anfrage gestellt, die im wesentlichen dasselbe Ziel ver folgte, wie der Vorschlag des Herrn Schaefser. Meine Frage lautete etwa folgendermaßen: »Ist es möglich, die Rechts ansprüche, die jedes einzelne unsrer Mitglieder an die Witwenkasse sich erworben hat, zu kapitalisieren, d. h. in Form einer einmaligen, beim Tode zu zahlenden Summe auszudrücken; und, wenn dies möglich ist, würde dann das Kaiserliche Anfsichtsamt seine Zustimmung erteilen zu einer auf dieser Grundlage zu bewerkstelligenden Umwandlung der Witwenkasse in eine Lebensverstcherungskasse?» Der erste Teil der Frage wurde unter ausführlicher Begründung rundweg verneint, und der zweite Teil erledigte sich da durch von selbst. Der Anspruch eines Mitglieds an die Witwenkasse ist technisch überhaupt nicht berechenbar, denn er ist abhängig davon, ob beim Tode des Versicherten dessen Ehefrau noch am Leben ist, und wie lange sie noch am Leben bleibt, also die Rente erhalten muß. Es leuchtet mir ein, daß dies Faktoren sind, die sich überhaupt nicht rechnerisch bestimmen lassen. Trotz dieser ablehnenden Antwort habe ich den Ge danken nicht aufgegeben und bin nach Einholung von Urteilen Sachverständiger heute der Ansicht, daß das gewollte Ziel in den Bereich der Möglichkeit gehört, wenn wir unter gewissen Voraussetzungen einstimmig zu dem Beschluß kommen könnten, die Kasse aufzulösen. Eine Auflösung der Kasse ist aber nach unserm bisher gültigen Statut durch Beschluß einer Hauptversammlung überhaupt nicht möglich, ganz abgesehen von dem eventuellen Wider spruch der Aufsichtsbehörde. Nach Z 18 der bisherigen Satzung der Witwenkasse und ß 23 der allgemeinen Satzung kann die Kasse nur dann aufgelöst werden, wenn ihr weniger als 25 Mitglieder angehören. Ganz anders sind die entsprechenden Bestimmungen der neuen Satzung, die den Mitgliedern in dieser Richtung sehr viel Freiheit lassen. Leider sind genau dieselben Bedenken für die Werbung neuer Mitglieder noch in verstärktem Maß bei der Jnva- lidenkasse vorhanden; aber auch hier wird es ganz von der Zahl der ihr treu bleibenden Mitglieder abhängen, wie ihre Entwicklung sich gestalten kann. Durch das soeben Gesagte soll dargetan werden, daß die Verbandsleitung auch den möglichen Weg der Auflösung einzelner Kassen, ja sogar die Auflösung des ganzen Ver bands reiflich erwogen hat. Diese Radikalmittel find ebenso wie andre nicht aussichtslose Vorschläge, z. B. derjenige des beabsichtigten Anschlusses an eine große Ver sicherungsanstalt, ohne wesentliche Schädigung der augen blicklichen Mitglieder erst denkbar auf Grund der vor- geschlagcnen neuen Satzungen, die — nicht ohne Absicht — auch eine vollständige Umgestaltung der Auflösungsbestim- mnngen enthalten. Diejenigen Mitglieder also, die geneigt sind, einem dieser Radikalmittel das Wort zu reden, handeln logisch riHtig nur dann, wenn sie zunächst den neuen Satzungen im Prinzip zustimmen. Die von Herrn Fey-Felber (Wien) im Börsenblatt Nr. 199 vorgeschlagene Auflösung des ganzen Verbands braucht man wohl vorläufig noch nicht für nützlich und er strebenswert zu halten. Es sprechen dagegen eine große Zahl von Gründen auch kollegialer Natur. Wir haben unter uns eine sehr große Zahl älterer Mitglieder, denen es in folge ihres Alters und Gesundheitszustandes gänzlich un möglich sein würde, sich durch anderweitige Versicherung einen Ersatz für das Verlorene zu schaffen. Der Verband hat auch moralische Verpflichtungen übernommen. Die uns in so reichlichem Maße von seiten der Prinzipalität zu geflossenen Spenden sind uns zu einem ganz bestimmt fest gesetzten Zweck übergeben worden. Seit Jahrzehnten hat eine nicht kleine Zahl von Kollegen keine Arbeit, keine Mühe gescheut, um die segensreichen, Humanitären Be strebungen der Verbandsgründer fortzufllhren. Denken wir auch an diese, zum Teil nicht mehr unter den Lebenden weilenden Kämpfer für die Sache der Allgemeinheit, und stehen wir auch in Zukunft alle zusammen, um wenigstens den Versuch zu machen, soviel wie nur irgend möglich von den Einrichtungen des Verbands zu retten und dieses Ver bleibende den neuen Verhältnissen anzupassen. Herrn Fey-Felber stimme ich gern bei in der Ansicht, daß die Zeit, um in eine Polemik über die Auslösung des Verbands einzutreten, erst nach der Annahme der neuen Satzung durch die Hauptversammlung am 18. September d. I. gekommen sein wird. Eine Änderung der Bcstinimung über die alle zwei Jahre abzuhaltende Hauptversammlung halte ich der großen damit verbundenen Unkosten wegen nicht für notwendig. Wenn sich wirklich später eine dahin zielende Bewegung Geltung verschaffen kann, so sind die Bedingungen für die Einberufung einer außerordentlichen Haupt versammlung leicht erfüllbar. Zu beachten würde auch sein, daß Vertreter der Aufsichtsbehörde sich dahin geäußert haben, daß sie die Auslösung des Verbands als eine Benach teiligung bezw. Schädigung der Rechte der Mitglieder be trachten müßten, und daß deshalb wohl von dieser Seite zunächst Schwierigkeiten entstehen würden. Ich glaube nicht, daß ein Beschluß der Hauptversammlung genügen wird; sondern ich glaube der Ansicht eines Sachverständigen bei pflichten zu müssen, daß man die schriftliche Erklärung jedes einzelnen Mitglieds verlangen wird. Wenn auch jetzt niemand über die Vermehrung der Mitgliederzahl für die Zukunft sehr optimistische Ansichten wird vertreten können, so ist doch auf der andern Seite für die augenblicklichen Mitglieder kein Grund vorhanden, hoffnungslos in die Zukunft zu sehen. Die Erhöhung der Beiträge für die Witwen- und Jnvalidenkasse und die Herabsetzung der Leistungen auf fast ein Drittel der bisher gezahlten Pensionen muß ein schnelles Wachsen des Grundvermögens zur Folge haben. Sobald dann die von der Behörde verlangten, aus den Überschüssen zu bildenden Sicherheitsreserven die erforderliche Höhe erreicht haben werden, können und werden diese Überschüsse zur Erhöhung der Tarife (Pensionen) benutzt werden. Dieser Zeitpunkt kann nicht allzufern liegen, und ich glaube, von diesem Termin ab wird die Zukunftsaussicht der Kassen sich in günstigerem Lichte zeigen. Nach der Ansicht der Behörde, die sich dabei auf die Grundlehren der Verstche- rungswissenschaft stützt, haben wir bisher von unfern Einnahmen zu viel an unsere Pensionäre gezahlt und zu wenig für die Reserven gesammelt; sobald dieser Fehler korrigiert sein wird, muß die Entwicklung in aufsteigender Linie erfolgen, wenn Mitglieder und Gönner uns treu bleiben. Berlin, den 28. August 1904. Max Paschke. Kleine Mitteilungen. Europäisch-amerikanischer Postverkehr. — Wie wir Zeitungsberichten entnehmen, soll sich der Leiter des Postwesens der Bereinigten Staaten Nord-Amerikas mit dem Plane beschäf tigen, eine Herabsetzung des Portos für nicht eingeschriebene ein fache Briefe nach Großbritannien und Deutschland zur Durch führung zu bringen. 957'