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Königsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg uud Rmgegeud Blatt Amts und des StadLrathes des Aönigl. Amtsgerichts Wulsnih AionuementS-Preis: Viertcljährl. 1 M. 25 Pf. Ans Wunsch unentgeltliche Zusendung. Erscheint: Mittwoch und Sonnabend. Als Beiblätter: l. ILKtstr. Konntcrgs- stcrlt ^wöchentlich), 2. Kine randrvirth- schaftciche Woitcege (monatlich). Inserate sind bis Dienstag u. Freitag, Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor« Puszeile (oder deren Raum) 1l) Pfennige. Geschäfts stellen bei Herrn Buchdruckereibes. Pabst in Königsbrück, in den Nn- noncen-Bureaus von Haasin- stein L Vogler u. „Jnvalidcn- dank" in Dresden, Rudolph Moffe in Leipzig. Dr.,- ,md -rb... Slykinndvikrstgster Acht-gang. H-b°"°!n TonnabenS. Mx. 5 ^. ö. Juli 1880. So -- „Lebte das Erz, wohl eilten die Fürsten der Sänger und flöchten Neidlos, Rietschel, zum Dank dir um die Stirne den Kranz!" lautete der Festgrust eines Bildhauers aus der Schweiz, als nach der Enthüllung des Schiller und Göthe-Denkmals in Weimar „von der überwältigenden Wirkung alle Herzen voll waren" und Rietschel als Schöpfer des herrlichen Monnnnntcs gefeiert wurde. Konnten auch nicht die Dichterfürsten znm Danke dem Meister die Hand drücken, wie es damals der Grostherzog vor dem jubelnden Volke that, ihr Bild ist doch eines der vielen Kunst werke, die als uuverwelklicher und wohlverdienter Lorbeer den großen Künstler Rietschel, einen schlichten, edlen Mann schmücken sür alle Zeiten. Fürwahr, seine Werke loben den Meister am besten! Zudem und ebendeshalb wurden ihm auch schon zu Lebzeiten Ehren entgegcngebracht, die manchem anderen großen Manne die Mitwelt versagte. Seine Anerkennung war so entschieden und allseitig, daß man die herrlichsten Bildwerke: das Lessingdcnkmal in Braunschweig, die Schiller und Göthe-Gruppe in Weimar, das Luthermonument in Worms vertrauensvoll, ohne nur an Konkurrenten zu denken, ihm allein übertrug. Man jubelte, deutscher Gepflogenheit entgegen, ihm zu, auch wenn er als großer Geist eigene Bahnen ging und mit den her kömmlichen Formen brach, wenn er Lessing in: Kostüm seiner Zeit und Luther als Monument unter und über Monumenten darstellte. An seinen Gestalten begeisterte sich der Künstler und der gebildete Mann ebenso, wie das Volk, der „zähe Norddeutsche" ebenso, wie der warmblütigere Südgermane. Ja, auch das Ausland blieb nicht in der Huldigung zurück, obwohl der stille, bescheidene Meister nie seine Ehre suchte. Rietschel, Ehrenbürger in Braunschweig und Weimar, Ehrendoktor in Jena, wurde Ehrenmitglied der Akademien: nicht blos in Berlin und Wien (1836) unb München (1850), sondern ebenso in Stockholm (1856), Brüssel (1858), Kopenhagen (1858), tVtemkre I'Instltut SVance (1858). In Paris und London (1852 und 55) erhielt er ebenso Ehren- und Preis-Medaillen, wie in Berlin. Ihn schmückte der sächsische Civilverdienstorden (1843), der bayrische Maximilians- orden (1853), der preußische Rothe Adlerorden 3. Kl. und L?rden pour le merite (1858), der weimarische Falkenorden; er wurde aber auch 1856 Ritter der französischen Ehrenlegion. Nach allen diesen glänzenden Erfolgen, fast 30 Jahre, nach dem der Künstler sein an T Halen und Siegen reiches, frommes Leben mit Luther (letztes Werk) iu Gott beschlossen, nachdem seine Größe auch durch das Urthcil der Nachwelt bestätigt, soll ihm auch in der Heimath ein Blättlein in seinen Ruhmeskranz cingeflochtcn werden: es soll ihm ein Denkmal errichtet werden in seiner Vaterstadt. Nicht nur neidlos, sondern bewundernd und dankbar huldigen ihm diesmal Künstler, Kunstfreunde und Landsleute. Ein berühmter Bildhauer unserer Zeit, ein bedeutender Mitarbeiter a m Lutherdenkmal, der Dresdner Or. Kietz, der als Schüler Rietschels doppelt dazu berufen, hat, nachdem das König!. Ministerium aus dem Sächsischen Kunstfond die Geldmittel bewilligt, unserer Stadt ein herrliches Denkmal ihres großen Sohnes ge schaffen, daß er jetzt wieder leibhaftig, wenn auch nicht lebend, in ihr cinzieht. Und unsere Stadt hebt ihn auf das aus eigenen Mitteln geschaffte, dem Wesen Rietschels entsprechend einfache, aber edle Postament, wie einst die Helden unter dem Jubel der Ihren auf den Schild gehoben wurden. Will das bedeuten, daß Rietschel, der edle Mensch, der große Künstler, fortan getragen sein soll von der Liebe und Dankbarkeit seiner Vaterstadt? — Ja, gewiß, wie seine äußere Erscheinung in künstlerischer Vollendung uns künftig vor Augen stehen wird, so soll auch sein innerer Mensch, der sich in seiner Kunst und in seinen: christlichen Leben zeigte, in unseren Herzen als Helles Lebensbild, als leuchtendes Vorbild erstehen und nie wieder verlöschen. Wie reich hat Gott unsere Stadt gesegnet, daß er in ihr einen Missionar, wie Bartholomäus Ziegenbalg, einen Gelehrten, wie Geheimrath Professor vr. Kühn, einen Künstler, wie Professor Ernst Rietschel, geboren werden ließ — Männer, wie sie tausend große Städte nicht zu den Ihren zählen können! Wollten wir diese Gnade Gottes und die Größe dieser Männer nicht schätzen, so würden wir des reichen Segens der Vorsehung unwerth und verlustig sein, wir würden Denen zugerechnet werden müssen, bei Denen der Künstler wie der Prophet im Vaterlande nichts gilt. Das sei ferne! Freilich bedarf Rietschel, der weltberühmte Künstler, der auch längst über die Welt und alles Irdische erhoben und erhaben, unserer Huldigung nicht, aber unsere Stadt würde sich selbst ent ehren, wollte sie ihm, der in der ganzen gebildeten Welt mit Be geisterung bewundert wird, der unserer kleinen Stadt einen Namen in der Kunstgeschichte gemacht hat, nicht alle nur möglichen Ehren erweisen. Man beschuldigt das Geschlecht unserer Zeit wohl nicht mit Unrecht, das; sein Sinn zu viel auf's Materielle, zu wenig auf's Ideale gerichtet sei, daß man sich vielfach mit der sogen. Bildung, dem „guten Ton", begnügt, statt nach der wahren Bil dung zu streben, die nur Religion, Kunst und Wissenschaft geben können, daß für gut' Essen und Trinken, für Kartenspiel und Tanz, sür allerlei eitlen Tand, für fade, ja leichtfertige Vergnügungen vielmehr Zeit und Geld geopfert werde, als für die genannten drei höchsten Ziele und höchsten Güter der Menschheit. In diesem Sinne kann Rietschels Denkmal nicht nur dem Künstler, sondern auch dem Laien zurufen: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben; bewahret sie!" Denn die Kunst ist nicht ein müssiger Zeitvertreib, wie Manche spotten, sie ist auch nicht blos von: Schöpfer gegeben, um den Geschmack zu bilden, sie kann und soll den ganzen Menschen veredeln, ebenso Den, welcher sie als Künstler übt, wie Die, welche sic als Kunstfreunde genießen, fei es durch Kunstwerke der Poesie, Musik oder der bildenden Künste. Und darum soll die Kunst nicht Sache Einzelner sein, son dern das ganze Volk soll sie lieber: und pflegen, zum Mindesten schätzen, wie im alten Griechenland. Allerdings nur wahre, edle Kunst, wie sie unser Rietschel übte, der nicht nur mit Kopf und Hand ein Künstler von Gottes Gnaden war, sondern auch in seinen Werken wie in seinem Leben immer ein edles Herz zum Ausdruck brachte. „Zu jeder Zeit hat man gesehen, daß der wahre Künstler still, einfach, groß und nothwendig ist in seiner Art wie die Natur", sagt der Philosoph Schelling. Und darum ist