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12 Wir sind weit davon entfernt, die Erzeugung von Gerbstoff da zu fordern, wo dies nur mit Opfern seitens der Waldbesitzer geschehen könnte. Aber wir glauben zu der Ansicht be rechtigt zu sein, daß da, wo die Eichenschälwald-Cultur die gleiche oder eine höhere Reinernte gewährt, als andere forstwirthschaftliche Betriebsarten, die Wald besitzer in den entwickelten volkswirthschaftlichen Ge sichtspunkten starke Motive finden müßten, dieser Cultur mehr Beachtung zu schenken als seither. Wir sind der Ueberzeugung, daß alle Gesellschafts- und wirthschaftlichen Kreise an der Vermehrung der Eichenschülwal- dungen gleichmäßig ein Interesse haben. Die Zeit ist ja über wunden, wo man der Meinung sein konnte, man könne den einen Industriezweig heben, den anderen vernachlässigen, ohne durch letzteres zugleich alle wirthschaftlichenInteressen des Landes zu schädigen. Mit der Erkenntniß von der Verkettung der Wirth- schafts- und Verkehrs-Interessen zu einem einzigen großen Orga nismus ist jene Anschauungsweise hinfällig geworden. Man kann kein Glied dieses Organismus ver kümmern lassen, ohne denselben im Ganzen tief zu schädigen. Solche Schädigung fernzuhalten, einen altbegründeten, soli den, dem leichtfertigen Börsenspiel fernstehenden, einer ungesun den Speculationswüth unzugänglichen, weil langsam arbeitenden Industriezweig entwickelungsfähig zu erhalten, ist sicherlich in erster Linie Obliegenheit des Staates, der durch seinen ausge dehnten Waldbesitz in der Lage ist, dem Mangel an Eichenrinde rasch abzuhelfen. Wir geben uns der sicheren Hoffnung hin, daß die hohen deutschen Regierungen unseren in dieser Richtung vorgetragenen Bitten geneigtes Gehör schenken wollen, indem wir dabei keineswegs verkennen, wie verschiedenen Ansprüchen inländischer Industrie«» die Staatsforstwirthschaft genügen soll und daß es daher in jedem Falle sorgfältiger Erwägung bedarf, welchem Wirtschaftssysteme der Vorrang einzuräumen ist, um nicht den einen Industriezweig auf Kosten des anderen zu bevor zugen. Auch die öffentlichen Gewalten im Reiche müssen ein Interesse an der Erhaltung und Fortentwickelung der deutschen Gerberei haben; denn das Reich, Träger der Militärhoheit, muß im Falle des Krieges im Stande sein, den großen Bedarf an Leder für das Heer unabhängig vom Auslande decken zu können. — Und auch die Gemeinden und Privaten, welche Wald besitzen, haben, wie wir meinen, in vielen Fällen ein lebhaftes Interesse daran, daß der deutsche Gerberei-Betrieb durch den Mangel eines unentbehrlichen Rohmaterials nicht unfähig zur