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Nichtamtlicher Teil. Die volkswirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung der Einführung der Setzmaschine im Buchgewerbe. Von Gewerbereferendar Dipl.-Jng. Fr. Chr. Beyer. (Karlsruhe i. B., G. Braun'sche Hofbuchdrucksrei.)') Es ist das erste Mal, soweit mir bekannt, daß es ver sucht worden ist, die Setzmaschine als selbständiges Objekt in den Kreis volkswirtschaftlicher Betrachtung zu ziehen, ein Bemühen, das sehr anerkennenswert ist. Denn wir be schäftigen uns mit den existierenden Setzmaschinen wohl in bezug auf ihre Arbeitsweise und Rentabilität, lesen auch über Neuerfindungen; die soziale Seite dieses wichtigen Satz beschleunigungsmittels, die Wirkungen, die sie auf das Ge werbe und seine Angehörigen bereits ausgellbt hat, lassen uns aber meist unberührt. Und es ist deshalb ganz zweck mäßig, auch hierauf einmal einen Blick zu werfen, selbst aus die Gefahr hin, daß das dazugehörige Zahlenmaterial zu weilen etwas trocken wird. Aber Zahlen beweisen, diese Tatsache bleibt bestehen. Gewissermaßen als Einleitung kommt der Verfasser aus die geschichtliche Entwicklung des Buchdrucks zu sprechen. Vor Erfindung der Buchdruckerkunst durch Gutenberg besorgten Mönche das Abschreiben der Bücher. Wie lang weilig das war, beweist folgendes Beispiel: Costmi von Medici ließ 1444 für seine Bibliothek in Florenz 290 Bände abschreiben. Dazu brauchten 45 Schreiber 22 Monate. Der Wert solcher Bücher war sehr groß; so zahlte vr. Hottinger 1427 für einen Livius 120 Goldgulden und erhielt beim Verkauf des Buches ein Landgut dafür. Gutenbergs Erfindung räumte mit solchen Verhältnissen gründlich aus. Der fleißigste Schreiber konnte in 12 Stunden nicht mehr als 12 Bogen schreiben. Die Handpresse lieferte be reits stündlich etwa 250 auf einer Seite bedruckte Bogen. Die Bücherpreise gingen darum bald aus ein Fünftel bis ein Achtel der alten Handschristenpreise zurück. Infolgedessen wandten sich viele Schreiber der Buchdruckerkunst zu, denn eine gewisse Erwerbslosigkeit riß auch unter der Schreibergilde ein. Durch die fortschreitende Ausbreitung des Buchdrucks sahen sich nun viele Behörden und Regierungen oeranlaßt, wegen der Gefahr des freien Wortes besondere Druckerei verordnungen zu erlassen, die Buchdruckerei zu prioilegieren. Das ist auch wohl die Ursache, weshalb die Technik bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts nahezu unverändert geblieben ist. Dann aber sprangen die Fesseln. Die alte Holzpresse wurde durch die eiserne, diese durch die Erfindung Koenigs, nämlich durch die Schnellpresse verdrängt. Die Satzmethode blieb die alte, dagegen nahm die Erzeugung der Typen eine größere Schnelligkeit an durch Erfindung der Letterngießmaschinen. Nun war man auch bestrebt, die Leistungen des Setzers mit denen des Druckers IN Einklang zu bringen. Seit hundert Jahren bemühten sich findige Köpfe, Satzbeschleunigungsmitlel zu erfinden. Eine Geschichte der Setzmaschine sei mir hier erlaffen. Nur erinnern will ich noch an die Versuche, durch Logotypen den Satz zu beschleunigen. Aber all diesen Be strebungen blieb der Erfolg versagt; sie bewiesen jedoch, wie sehr dem Gewerbe die maschinelle Satzbeschleunigung fehlte, denn unter den bis 1900 gemachten nachweisbaren 169 Er findungen dieser Art waren nur wenige, die wenigstens vor übergehend einen gewissen Wert hatten. Interessant ist, zu beobachten, aus welchen Bsrufskreisen sich die Erfinder von Setzmaschinen und -Apparaten zusammen setzten. Da finden wir Techniker, Uhrmacher, Schlosser, Pro fessoren, Oberlehrer, Arzte, Journalisten, Offiziere, Advokaten und sogar Geistliche. Die Versuche kann man in 3 Gruppen teilen, nämlich 1. Setzapparate, die die vom Schriftgießer erzeugten Typen verarbeiteten, 2. Maschinen, die aus Matrizen gegossene, fertig ausgeschlossene Zeilen liefern, und S. Maschinen, die Einzel buchstaben setzen, gießen und ausgeschlossen in Zeilen Hervor bringen. Die elftere Gruppe hatte den Nachteil, daß außer der Setzmaschine auch noch eine Ablegemaschine notwendig war; sie war umständlich in der Bedienung, und nur wenige Maschinen dieser Art konnten sich — wenn auch nur kurze Zeit — behaupten. Es ist daher zu verwundern, daß heute noch immer wieder Erfinder austreten mit Maschinen, die demselben Prinzip dienen. Als brauchbarster Repräsentant dieser Gruppe kann die Kastenbein gelten, von der 25 Stück in der Londoner »Times« arbeiteten. Auch in Deutschland waren einige Exem plare im Betrieb, so u. a. in den «Dresdener Nachrichten« 5 Stück —, die von Mädchen bedient wurden. Zwei standen in der Reichsdruckerei. Außerdem hat wohl auch bei Teubner in Leipzig 1 Kastenbein einige Zeit Aufnahme ge funden. Die Technik ging nun dahin, die Zahl der an den Setz maschinen beschäftigten Arbeiter zu vermindern, und so kam man allmählich auf die Zeilengießmaschinen, die nur je einen Mann Bedienung beanspruchen. Die Entwicklung dieser Gruppe von Setzmaschinen ist bekannt. 1892 waren 700 solcher Maschinen im Betrieb, heute sind es deren ca. 20 000. Wie gering man noch vor ca. 18—20 Jahren die Bedeutung der Setzmaschine in Deutschland einschätzte, geht aus einem Bericht aus jener Zeit hervor, in dem es heißt: »Eine Be deutung scheint diesen Maschinen auch in der nächsten Zu kunft nicht zu blühen«. Und 1895 stand noch in der «Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker« zu lesen: eine all gemeine Einführung der Setzmaschine sei für durchaus unwahr scheinlich zu erklären, obwohl damals bereits in England und Amerika gegen 3300 Setzmaschinen in Betrieb waren. Der Versasser des Werkes geht nun auf die Beschreibung der modernen Setzmaschine ein, die er in ihrem Wesen be schreibt. Dieser Beschreibung zu folgen, will ich mir ersparen, denn der Verfasser bringt nur dem Fachmann Bekanntes. Er erwähnt auch die tariflichen Bestimmungen über die Setz maschinen, ferner stellt er Vergleiche der drei Systeme Lino type, Typograph und Monoline an. Ec kommt nach Be rechnungen dahin, daß der Nutzen gegenüber dem Handsatz bei der Linotype 32(4 Prozent, beim Typograph 31 >4 Pro zent und bet der Monoline 39,8 Prozent betragen soll. Nach Berechnungen vr. Morgensterns ergibt sich, daß im Durchschnitt Handsatz um 30—40 Prozent teurer ist als Maschinensatz abgesehen von den übrigen Vorteilen. Der Verfasser kommt dann auf die Monotype zu sprechen, deren Beschreibung ec gleichfalls gibt, die ich aber, da sie nur Bekanntes sagt, eoensalls übergehen will, s Nun wendet sich der Verfasser zur Ausbreitung der Setz- IL6«