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SSL- mäßig fühlte, als in den Jahre« des blü. henden Frühlings, besaß sie dennoch auch ein fühlendes Herz und eine wahre innige Theilnahme an dem Wohl und Wehe ihrer Mitmenschen. Sie verwandle daher emen grostn Theil ihrer Einkünfte zur Unterstü tzung dürftiger und nothleidenüer Menschen und so sehr sie Zerstreuung und Vergnügen liebre; so leicht konnte sie doch diese entbeh ren, sobald sie wußte, daß sie m dem ^iu. genblick durch ihre Gegenwart einem Noth- leidenden helfen konnte, indem sie das Ver- g, u zen, wohlzuchun, allem andern vorzog. Hierüber besprach sie sich einmal mit ei nem ihrer Freunde, und behauptete, daß nur eine gute Erziehung und eine aufgeklär- te Denkungsart das Herz für die Freuden des Wohlthuns empfänglich machen könne. Ihr Freund widersprach ihr und behauptete daß es ein eigentlicher Trieb der mensch lichen Natur wäre, seinen leidenden Mnge- schöpfen beyzustehen, der aber in den höhern Menschenklassen weit öffter erstickt würde, als in den niedrigern. „ Aus dem gering, „sten Pöbel" fuhrer fort, „könnte >ch Jh- „nen Beyspiele des uneigennützigsten Bey- „ standeS und emer wahren reinenHerzenSgü- „le erzählen, allein ich wähle einen Mann, „an dem Sie, wenn sie wollen, die Wahr- „ heil erfahren können. Dieser Mann heißt „Richert, ist von ganz niedriger Herkunft, „bereits über go Jahr all und handelt, so ,, lange ihn jeder man kennt, mit Hasen. und „ Kaninchenfellen Seinem Aufzuge nach „scheint er ein armer Man ju seyn undwirk- „ lich behilft er sich auch schlecht, weil er al- „len selnen Verdienst an Arme und Dürf. „ tige verwendet. Es geht bey dem Manne ,/so wen, daß er höchst unzufrieden ist, „wenn er den Tag über keine Gelegenheitge- „habt hat, irgend eineHandlung der Wohl« „thatigkeit auszuüben. „Das ist übertrieben" sagte die Fra« von Berend, „Sie haben sich ein Mahr, „chen erzählen lassen .Ich habe den Ri« „chert öfters gesehen, es ist ein ganz gemei- „ner Mann, der auch nicht die geringste „Erziehung verräth." „Richtig^ erwiederte ihr Freund, „viel- „ leicht Hal er schon als Kmd seinen Handel „gelrieben und ist auf der Strafe aufgewach. „scn; allein demohngeachtetisterder gutmü« „thigste Mensch, der sein Leben mit den „schönsten Han langen bezeichnet." Indessen fand sich mehrere Gesellschaft ein, die ein anderes Vergnügen dem vor. zog, das jetzt die Frau von Berend mit ih- rem Freunde erwog. Man setzte sich an den Spieltisch, erzählte sich Stadtneuigkeiten, wahre und erdichtete Anekdötchen, und lach, te-ufKosten anderer. Die Frau von Berend fasid jedoch für dlesesmal d«e Gesellschaft et was langwellig. Die Erzählung von dem wohlthätigen Richert halte Eindruck auf sie gemacht und es schien, als ob sich ihre Eigen. ' liebe dadurch beleid'gt fühlte, daß ein so ganz gemeiner Mann Vorzüge des jHerzens be. fitzen sollte, die sie sich nur bey guter Er. ziehung und gebildeter Denkungsart denken konnte. Sie verglich dann ihre Lebens, art mit der seinlgen und mußte sichs gestc- hen, daß Richert, der ganz gemeine Mann, wenn ihr Freund die Wuhrheit erzählt hätte, sein Leben weit besser benutzte, als Ne und vie. le ihres Standes. Sie beschloß endlich, den Hasenfellhändler näher kennen zu lernen, nm sich von der Wahrheit zu überzeugen, (Die Fortsetzung folgt nächstens) Anek-