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2s9 260 ner schwängern Frau und Vater von 6. un. erzogenen Kindern, hatte das Unglück, das größte vielleicht, das sich hienieden denken läßt — unglücklich verheyrathet zu seyn. Die Hauptfehler seiner Frau bestanden in Verwahrlosung der Kindeizucht, unordent. licher Hau Haltuna, unbegränzker Vergnü- gung" sucht und daher rührender Verstl)wen- dung und einem unsreundlichen und störri schen Wesen gegen ihren Gatten. Dieser such-e zwar, so viel er konnte, sich in sein Schickjal zu finden: da? hinderte aber doch nicht, daß er nicht seiner entarteter Frau zuweilen wohlgemeynte Erinnerungen gab und ihr vorstellte, in welches Unglück sie durch ihre ausschweifende Lebensart ihn, sich selbst und ihre vielen Kinder stürzen konnte. Dieß halte aber jedesmal die ge- wisse Folge, daß sie es den Lag nachher noch arger machte, als den Tag vorher. Ja, sie gieng zuletzt so weit, daß sie ganze Sa. cke voll Mehl ohne Wissen ihres Mannes verkaufte und das Geld zu ihrem Vergnü gen verschwendete. Das erfuhr einst der Mann »ind nun redeke er ihr mit allem möglichen Ernste zu und versuchte, jedoch ganz in der Güie, sie auf bessere Wege zu bringen. Mit dem gröbsten Ungestüm fuhr sie ihn an, daß er ihr mchls zu befehlen habe, daß sie Frau im Hause sey, und daß sie jetzt erst recht aufangcn wolle, nach ih. rem Sinn und Geschmack zu leben. In der Hitze emsuhren ihrem Manne die Aus drücke: „Wenn tu dich nicht bald anderst: „so nehme >ch die erste die beste Pistole und „erlchiese mich!" „O" antwortete ihm die se Furie von einem Weibe, „wenn du da- „zu Lust hast, warte nur." Mit diese» Worten gieng sie hinaus, hohlre auch wirk lich eine geladene Pistole und gab sie ihrem Manne mit den Worten: „Da, nun zeige, „ob du Muth hast!" Er, aufs äusserste gebracht, nahm ihr die Pistole ab, lief da- mir in seinen Garten vor der Stadt, blieb darinnen von Morgens 8 Uhr bis Mittags um 1 Uhr, wahrscheinlich in der Erwartung, daß seine Frau ihm nachkommen oder we- nigstens nachschicken werde, ergriff endlich, da Aergerniß und Wuth bey dem Gedan ken an sein gottloses Weib ihn übermann- reu, die mit einer Kugel geladene Pistole, und schoß sich damit vor den Kopf, so daß er gleich rod niederste!! — Wie muß nun dieser Frau zu Muthe seyn'. Zwar ver anstaltete sie ihm ein kostbares und pracht volles teichenbegängniß; allein sie wird da- durch auch nicht den kleinsten Theil ihrer verdienten und gewiß sehr schrecklichen Ge- wissensbean^stigung über ihr schändliches und die Menschheit empörendes Betragen wieder besänftiget haben. Am meisten sind dabey die sieben schuldlosen Waysen zu be- dauern, die in den Händen einer solchen Mut- ter. gewiß kein anderes als ein sihr trau riges Schicksaal zu erwarten haben. '.^7 Anekdoten. Der Philosoph Terraffon. Der Philosoph Terrasson, königlicher Vorleser wahrend der Minderjährigkeit Lud wig XV. war ein sehr sonderbarer Mann. Mit viel Gelehrsamkeit und originellemWitz und Laune war er beständig zerstreut und hatte sehr wenig Weltkenntniß. Wenn die Leute über seine Zerstreuung lachten: so stimm«