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182 4--^ sagte er, jedes Wort hart betonend. „Hier ist Fräulein Elie unum schränkte Herrin, sie hat sich dieses Recht durch ihr ganzes Benehmen vollauf erworben." „Und mehr noch durch ihre Zigeunerschönheit!" zischte Frau Landy in höchster Wut. „Meint ihr, daß ich Euch beide nicht be obachtet habe? Alles seh ich — die verliebten Blicke und das ganze süße Schmachten einer zärtlichen Leidenschaft. Schäme Dich, Friedrich — sckäme Dich Deiner Schwäche für die — Bonne Deines Sohnes!" Helmseld erschrak und Else stand mit hochgeröteten Wangen und gesenkten Augen da. Aber Helmfeld erholte sich gar rasch von seiner ersten Betroffenheit. „Du hast nicht das Recht, über meine Empfindungen und Hand lungen zu richten. Amalie!" sagte er nach einer Pause. „Deshalb antworte ich auf Deine Vermutungen weder mit „Ja" noch mit Nein. Ich verlange nur das Eine von Dir, daß Du dieses Zimmer ver lässest und nie wieder betrittst." „So, Du weisest mich also aus Deinem Hause?" fragte sie, einen giftigen Blick auf Else schießend. „Ich muß dieser weichen, dieser verächtlichen Magd!" „Amalie, um Gottes willen, reize mich nicht," schrie Helmseld auf. Beschwichtigend trat Else zu ihm hin und berührte seine Schulter. „Sie haben reckt. Else!" sagte er ruhiger. „Ich darf nicht ver gessen, daß sie mein Gast ist. Nein, ich weise Dich nicht aus meinem Hause, Amalie. Vielmehr ich überlaste Dir dieses Haus oanz und gar für die nächsten drei Monate. Sckon vor Roberts Krankheit war es beschlossen, ihm einen gesunden Gebirgsaufenthalt zu verschaffen; jetzt ist das noch mehr zur Notwendigkeit geworden. Else wird meinen Sohn begleiten. Ich selbst trete eine lang geplante Reise nach Italien an. Du bleibst also unbeschänkte Herrin meines Hauses und meiner Dienerschaft, Amalie." Und Helmfeld reichte ihr den Arm, um sie aus dem Zimmer zu führen. Stumm, mit blutig gebissener Unterlippe folgte sie ihm. Sie fühlte, daß sie ihren Kriegszug verloren batte auf allen Linien. Helmfeld kehrte nach Frau Landy's Entfernung zu Else zurück. „Nun ist's ausgesprochen, was ich lang in meinem Innern trug und was vielleicht doch nie und nimmer den Weg über meine Lippen gesunden hätte," begann er, sie fest betrachtend. „Else, wir lieben uns — jene Frau hat es gesagt, in ihrer Bosheit zwar, und trotz dem hat sie nicht gelogen. Wir lieben uns; ich wußte, ich fühle es und doch überrascht es mich. Else, wie soll das enden? Werden wir uns anqehören? Wollen Sie mein Weib werden?"' „O wein Gott!" rief sie in bangen, erstickten Tönen. „Darauf war ick nickt gefaßt — darauf wahrhaftig nicht." „Die Welt wird sich lustig über mich machen," fuhr er fort, in ihrem Anschauen verloren. „Ader was kümmert mich die Welt, wenn ich für ihren Spott Deine Liebe eintauschen kann, Else! Ich glaubte einst, Julia anzubeten, ich fühlte eine Leidenschaft für sie, die keine Schranken hatte — aber ausgelöscht ist diese Glut von meiner Neigung für Dich, verschwunden wie ein armer Wassertropfen in einem Meere. Else, ich frage Dich in dieser Stunde — willst Du Julia's frei ge wordene Stelle in meinem Hause annehmen, willst Du mein Weib werden?" Ungestüm zog er Elsens bebende Gestalt an sich — er preßte seine Lippen in einem langen, brennenden Kusse auf ihren Mund, er betastete liebkosend ihre Stirne, ihre Wangen, ihre gelockten Haare. Sie ließ ihn einige Sekunden gewähren, sie schien zu schwelgen in einem überwältigenden, überschwenglichen Glücke. Dann aber drängte sie ibn sanft zurück und der Hauch einer tiefen Trauer trübte ihr eben noch von einem Lächeln verklärte Gesicht. „Nein, nein, es ist unmöglich!" sagte sie mit versagender Stimme. „Ich kann Ihr Weib nicht werden, nie und nimmer!" „Und warum?" fragte er betroffen, ängstlich. „O ich errate Dick, arme Else. „Dick binden die Pflichten der Freundschaft — Du glaubst einen Verrat an Julia zu begehen. Doch Julia ist tot für mich, durch ihre eigene schwere Schuld und nimmer wird sie auferstehen in meinem Herzen. Entschlüße Dich, über Deine eingebildeten Bedenken zu siegen, entschließe Dich, glücklich zu sein und glücklich zu machen. Julia selber wird Dich nickt verdammen — muß sie nicht zufrieden sein, wenn Du Roberts Stiefmutter wirst, statt einer Anderen, einer Frem den, die kein Herz hätte für das Kind meiner ersten Frau?" „Das ist die Sophistik der egoistischen Leidenschaft," entgegnete Else. — „Vielleicht würde ich mich ihr gefangen geben, wenn nicht noch ein anderes unübersteiglickes Hindernis gegen unsere Verbindung wäre. Friedrich, entsagen Sie jedem Gedanken an meinen Besitz, denn ich bin bereits gebunden — ich bin vermählt." „Du!" ries er in höchster, schmerzhafter Ueberraschung. „Ja — hier ist der Beweis!" sagte sie, während sie ihm einen gol denen Ehering zeigte, den sie in einem Medaillon versteckt am Halse trug. „Ich glaube Dir —" flüsterte er matt. „Und doch — Julia sagte mir —. O das ist ein neuer, ein großer Schmerz!" „Ich bin bereit, Sie zu fliehen für immer, wenn mein Anblick Ihren Frieden stört -I" sagte Else, während die große Willensan strengung, welche ihr diese Worte kosteten, ihre Kehle zusammenschnürte. „Nem — ich habe nicht den Egoismus, meinen Sohn zum zwei ten Male der Pflege einer mütterlichen Hand zu berauben." antwortete er. „Es bleibt bei unserer früheren Verabredung — Sie gehen mit Robert in's Gebirge und ich reise — und so ähnlich wollen wir cs immer einrichten in der Zukunft — ick werde nur zuweilen kommen, meinen Sohn zu sehen — und Sie. Und jetzt habe ich Sie nur noch um etwas zu fragen. Warum haben Sie sich von Ihrem Gatten getrennt? War es ein Elender, der Sie nicht zu würdigen verstand — dann könnte mir vielleicht noch geholfen werden, dann müßte ich nickt entsaqen." „Mein Mann war — ist ein Ehrenmann!" fiel Else lebhaft ein. „Heilig ist mir die Erinnerung an ihn. Mißverständnisse, die ick nicht näher erörtern kann, haben mich von ihm geschieden — für alle Zeit." „Und liebten Sie ihn?" fragte Helmfeld begierig. „Oder lieben Sie ihn nock?" „Ich liebe ihn, dem mein Schwur am Mare gehört," antwortete Else ohne Zaudern und mit voll zu Helmfeld erhobenen Augen. Er wandte sich mit einem jähen Erbleichen ab. „Ja, nun habe ich freilich nichts mehr zu fragen und zu hoffen —" sagte er mit einer Stimme, die von seiner inneren Erschütterung etwas Rauhes und Gebrochenes batte. „Leben Sie wohl, Else — morgen früh werden Sie reisen. Vielleicht sehen wir uns nicht mehr allein. Empfangen Sie diesen Händedruck als ein Zeichen meiner Achtung und meiner unverminderten Freundschaft." Eine Sekunde lang ruhten die beiden Hände in einander; ein rascher heißer Blick flog von Auge zu Auge. Und dann schieden sie vielleicht für viele Zeit. Warum weinte sie nach seiner Entfernung so bittere, unhemmbare Thränen, wenn sie doch einen Andern liebte, die braune Else? 12. Zwei Jahre waren vergangen seit der Trennung Julia'S von ibrem Gatten. Helmfeld hatte ein unstetes Wanderleben begonnen. Er machte weite Reisen in's Ausland und selbst nach anderen Welt teilen, obne weiteren sicktbaren Zweck, als seine Botaniflerbückse mit seltenen Pflanzen zu füllen- Das wahre Motiv seines ruhelosen Umherstreifens lag freilick in ganz verschiedenen Verhältnissen, das lag in dem Gedanken an die braune Else, den er nicht los zu werden vermochte. Das liebe, dunkle Gesichtchen mit den blauen Augen und dem reizenden Munde hatte es ihm einmal angethan — und seine Neigung war hoffnungslos, wenn er auch noch immer nicht daran glauben konnte, daß sie nicht erwidert wurde. Wenn er zuweilen sein Heim wieder aufsuchte, aus dem Frau Landy, die Fruchtlosigkeit ihrer Bestrebungen erkennend, längst verschwunden war, da sand er Elfe, eine treue Verwalterin seiner pekuniären Interessen, eine zweite Mut ter seines Sohnes, eine Spenderin der schönsten häuslichen Behaglich keit. Und die glänzende Freude in ihren Blicken verkündete ihm, wie innig er ihr willkommen war, wie sie sein seltenes Erscheinen stets gleich einem hohen und frohen Feste beging. Mehr freilich war von ihr nicht zu erhalten, keine Aufklärung über ihre Vergangenheit, keine Hoffnung für die Zukunft. Und doch konnte Helmfeld nicht ganz jeder Aussicht auf den einstigen Besitz der braunen Else entsagen — er liebkoste diesen Plan im Stillen, auf seinen einsamen Wanvcrungen; er träumte von einem Tage, welcher Else erlösen würde von ihren Fesseln, von einem Tage, an dem er Frieden und ein schönes, liebe volles Daheim wiedeifinden sollte an ihrer Seite. Nach einer längeren Reise in Oberitalien kehrte Helmseld wieder einmal zurück unter sein eigenes Dach. — Seiner Gewohnheit ent gegen hatte er Elsen den Tag seiner Ankunft nicht mitgeteilt und klopfte ganz unerwartet an das Thor seines Hauses. Eine Dienerin öffnete ihm und er stieg eilig die Trevpe hinauf, es verlangte ihn, sogleick in das Gesichtchen seines Sohnes zu blicken und in Elsens liebe Augen. — Da trippelten ihm leichte Füße über den Korridor her entgegen — es war die Pflegerin seines Kindes. Ihr Antlitz leuchtete von der freudigen Ueberraschung, ihn so unvermutet zu er blicken und ihre Lippen lächelten ihm das herzlichste Willkommen zu. Aber mit maßlosem Erstaunen bemerkte Helmseld, daß sie nicht mehr Hinkle, daß ihr Gang frei und leicht war, wie der Schritt einer Ga zelle. Und sie hatte nicht mehr jene schweren, plumpen Lederstiefel chen an den Füßen, die sie früher immer zu tragen pflegte, sondern nur feine, zierliche Hausschuhe. Else mußte sein verwundertes Betrachten wohl bemerkt haben — sie errötete und blickte etwas verlegen zu Boden. Ihre Hand streckte sic ihm aber doch entgegen und stammelte einen halb unverständlichen Gruß. Er behielt ihre Rechte lang und fest in der seinen — das war der einzige Ausdruck für seine Empfindungen. Else entzog ihm endlich ihre zarten Finger und sagte, mit einem siegreichen Bekämpfen ihrer Verwirrung: „Gehen wir zu Robert — er hat endlich das Gehen gelernt, er wird seinem Papa aus seinen eigenen Füßchen entgegenlaufen." Auch aus dem kurzen Wege nach der Kinderstube hinkte Else nicht — aber sie gab eine Erklärung für diesen ungewöhnlichen Umstand. „Mein Gebrechen war nur eine große Schwäche im linken Vor derfuße," sagte sie. „Ich habe Einreibungen und Bäder gebraucht und davon ist es gut geworden."