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und Wochenblatt. 2 sam gehütetem Heiligtum- Frau Landy schien eine große Zuneigung für Robert gefaßt zu haben und auf Elsens Stellung bei dem Kinde eifersüchtig zu sein, oder sie wenigstens entbehrlich machen zu wollen. Else vertrug mit freundlicher Geduld die Launen und die stolze Herrsch sucht der Matrone; nur verdrängen ließ sie sich nicht von ihrem Posten und in ihrer Mischung von Sanftmut und Energie behauptete sie vollauf ihr Recht, die Behandlung und Erziehung des Knaben zu leiten. Helmfeld überließ es den beiden Frauen, mit einander fertig zu werden. Er hatte Else seinen Standpunkt klar dargclegt und wußte, daß sie ihn richtig beurteilte und daß sie Willensstärke genug besaß, um sich selber gegen die Uebergriffe seiner Schwägerin zu verteidigen. Aber Frau Landy wich weder Elsens Freundlichkeit noch derem ruhigen Abweisen erlittener Beleidigungen. Sie setzte den kleinen Krieg gegen die Bonne ihres Neffen mit aller Hartnäckigkeit fort und sparte kein Mittel, sie zu verletzen und zu demütigen. Die Matrone hatte geglaubt, einen verwaisten Hausstand bei ihrem Schwager zu finden, der dringend einer führenden und ordnenden Hand bedurfte — statt dessen war Else da, die Alles leitete, für Alles sorgte und keinen Raum für eine Andere ließ, die da helfen oder regieren wollte. Frau Landy hatte gemeint, in Robert ihr lange verlorenes und beweintes Kind wieder zu finden, sie hatte auch davon geträumt, ihm die ferne Mutter zu ersetzen, ihn zu pflegen und zu erziehen, wie ihr eigen Fleisch und Blut — da war aber Else, die nicht von dem Kinde wich, die es liebte und schützte und ihm eine Hingebung und Aufopferung bewies, wie man sie nicht einmal von einer wirklichen Mutter hätte fordern können. Aus allen diesen Umständen keimte ein erbitterter Haß gegen die braune Else im Herzen der Matrone auf. Entweder sie mußte ihre lange liebkoste Idee, eine dauernde Heimat in dem Hause ihres Schwa« gers zu finden, aufgeben — oder Else mußte weichen aus ihrer Stel lung, mußte verdrängt werden für immer. Dies war daS Schluß- resultat von allen Gedanken und Erwägungen der Matrone und sie beschloß endlich , die Grenzen ihres Einflusses auf ihren Schwager zu erproben. Sie betrat eines Morgens zu ungewöhnlich früher Stunde die Kinderstube und befahl ein kaltes Bad für den kleinen Robert herzurichten. Sie wußte, daß Else das nie und nimmer geschehen lassen würde und daraus eben hatte sie ihren Plan gebaut. Else, von ihrer Sorgfalt für den Knaben bezwungen, that auch wirklich lebhafter als sonst Einsprache und berief sich endlich auf die unbeschränkte Macht über das Kind, welche ihr der Herr vom Hause eingeräumt hatte. Aber Frau Landy kehrte sich gar wenig daran und forderte von den übrigen Dienerinnen Gehorsam, den diese ihr auch nicht zu verweigern wagten. In ihrer höchsten Not und Angst flüchtete Else zu ihrem Gebieter — zum erstenmale nahm sie seinen Schutz in Anspruch. Vielleicht ohne daß Helmfeld es selber wußte, schlang er seinen Arm um Else und wollte sie so fortführen zu seiner Schwägerin. Sie machte sich indessen leise los von ihm und schritt frei an seiner Seite dahin. Frau Landy blickte den Beiden mit herausfordernder Miene entgegen. „Deine Dienerin hat eine ganz bedeutende Dosis von Frechheit und Selbstüberhebung!" begann sie selber die Auseinandersetzung. „Ich ordnete ein kaltes Bad für Robert an — es ist das in Amerika Sitte und sehr gesund. Else aber strebte mir offen entgegen — und lief, wie ich sehe, sogar zu Dir, um ihren Kopf durchzusetzen." „Robert ist kaum von den Masern genesen und noch sehr empfind lich —" sagte Else mit gesenkten Augen. Helmfeld entfernte mit einem Winke seiner Hand die Dienerinnen aus dem Gemache. Dann näherte er sich semer Schwägerin und ergriff sie mit einem kräftigen Drucke am Arme. > „Ohne mich auf weitere Erörterungen einzulaffen, bitte ich Dich, mir in Dein Zimmer — oder wenigstens von diesem Orte zu folgen!" Die braune Else! Erzählung von K. Labacher. (Fortsetzung.) ^H^^ichte in dieser Beziehung nicht über Julia," sagte Hclmseld, während er mit Erstaunen den milden Ausdruck in den Augen seiner Schwägerin bemerkte. „Sie liebte ihr Kind, sie liebte es wirklich. Aber die Verhältnisse waren eigen tümlich — es wäre zu weitläufig, das zu erörtern. Und ich liebe es nicht, an gewisse Dinge erinnert zu werden. Gute Ruhe nun wirk lich, Amalie. Möge es Dir gefallen unter meinem Dache." - Ec reichte ihr flüchtig die Hand hin und verließ dann mit eiligen Schritten das Zimmer. Er vergaß nicht darauf, ihr die für sie be stimmte Dienerin zu senden und dann machte er sich aus den Weg nach seinem eigenen Schlafgemach. Dabei mußte er an der Kinder stube vorüber. Er hörte Else's sanfte Stimme; wie eine Dolchspitze bohrte es sich in sein Herz. Gerade so hatte Julia einst das Abend- gebet über den eingeschlummerten Knaben hin gesprochen; es waren dieselben Töne gewesen, dieselben Worte und derselbe zärtlich innige Ausdruck. Einer mächtigen Versuchung gehorchend, öffnete Helmfeld die Thüre; er sagte sich selber, daß er doch das Recht hatte, seinen Sohn noch zu sehen, bevor er zur Ruhe ging. Else stand mit dem Rücken gegen ihn. — Sie stieß einen leisen Schrei aus, als sie sich beim Geräusche, welches das Oeffnen der Thüre verursachte, rasch herumwandte und ihren Gebieter erblickte. Aber es war unverkennbar, daß sie sich dieses SchreckensrufeS sogleich wieder schämte. Geschäftig machte sie sich mit dem Herrichten der Nachtlampe zu thuu. „Ich komme, um Robert zu küssen und Sic nm Entschuldigung der unwürdigen Behandlung zu bitten, welche Sie heute erdulden mußten," sagte er freundlich. „Glauben Sie mir, daß ich meiner Schwägerin weit schärfer geantwortet haben würde. Aber erstens ist sie mein Gast und dann — sie will meinen Sohn zu ihrem Erben machen. In diesem Sinne glaubt sie gewisse Rechte zu haben. Und ich — obwohl ich persönlich durchaus keinen Grund habe, nach Ver mehrung meines Vermögens zu streben, so habe ich doch nicht den Mut, Roberts Aussichten in diefer Beziehung durch eine unnötige Schroffheit zu zerstören." „Gewiß, das sollen Sie nicht, und um meinetwillen erst recht nichtI" fiel Else eifrig ein. „Gerne will ich den unverdienten Un mut der alten Dame ertragen, wenn es für Robert ist." »Sie zürnen mir also nicht, daß ich Eie nicht wärmer gegen die Unart meiner Schwägerin verteidigte, arme Else?" Sw schüttelte mit dem ihr eigenen verschönernden Lächeln den Kopf. „Nem, o nein!" sagte sie leise. „Sie sind ja so gut, so freund lich gegen mich!" „Nicht halb so gut, wie man mit einem verkörperten Engel^ein sollte," erwiderte er und strich mit der Hand über ihre braunen Haare hm. Ein Gefühl des innigste») Behagens, des reinsten Wohl seins überkam ihn bei dieser leichten Berührung — er mußte seine ganze Willenskraft aufbieten, daß er sie nicht an sich riß, Elsens schlanke, liebe Gestalt, daß er ihren Mund nicht mit heißen Küssen bedeckte. „Gute Nacht! sagte er mit erstickter Stimme. Er vergaß in seiner heftigen Erregung, welchen Vorwand er für das Betreten der Kinderstube gebraucht hatte — er vergaß darauf, noch einmal an Roberts Wiege zu treten. 11. ' Else vermied es, so viel es nur imnur möglich war, der Schwägerin ihres Gebieters in den Weg zu treten — die alte Dame hingegen legte eine ganz entgegengesetzte Absicht an den Tag. Sie war nir- gends häufiger anzutreffen als in der Kinderstube, in Else's wach- .