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Ein Geiser auf Island. (Mit Text.) kissen befreit, seine Aermchen und Beine wohlig in einem schnee weißen Kleide dehnte. „ Da siehst Du mcinenSohn!" sagte Helmfeld, während er das Kind in Frau Landys Arme legte. „Und diese junge Dame ist Fräu lein Else, feine treue Pflegerin, eine Freundin meiner — meiner geschiedenen Frau!" — Die Matrone küßte Robert mit vieler Förmlichkeit auf die blühende Wange — dann fiel ihr Blick auf Else, die ihr vorgestellt worden war — aber er schweifte wieder ab von der unscheinbaren braunen Gestalt und irrte suchend im Zimmer umher. „Welche junge Dame?" fragte sie mit einem hochmütigen Aus ¬ war endgültig verscheucht, als die Masern an Roberts Gesicht und Händchen hervorkamen und bald den ganzen kleinen Körper be deckten. Jetzt handelte es sich nur mehr umVorstcht und treuePflege und daran wollte es Else noch weniger fehlen lasten als bisher. „Gerettet!" konnte sie nach acht bangen Tagen endlich mit einem Dankesblick nach oben flü stern. Helmfeld stand neben ihr an der Wiege. „Und warum lieben Sie die ses Kind so sehr, Else?" fragte er in weichem Tone. Sie fand nicht sogleich eine Antwort und heftig arbeitete ihre Brust, „Es ist Julia's Kind und mir von ihr anvertraut!" sagte sie endlich, während sie zur Seite trat und sich mit Roberts Arznei fläschchen zu schaffen machte. „Nur Pflichtgefühl also?" fragte sich Helmseld. .Und doch glänzt noch etwa- Anderes aus ihren Augen. ES ist doch seltsam, warum ich mich so sehr m>t den Gedanken undGefühlen der brau nen Else beschäftigen muß?" 10. Der kleine Robert war völlig genesen; seine muntern Augen . , „ und sein blühendes Gesichtchen ver- scheuchten jede Besorgnis um seine Gesundheit. Trotzdem verbrachte Helmfeld noch immer viele Stunden des Tages in der Kinderstube. Hatte ihm der drohende Verlust seines Sohnes erst die ganze Tiefe seiner Vatcrzärtlichkeit zu Bewußtsein gebracht — oder war es ihm zu einer unentbehrlichen Gewohnheit geworden, die braune Else zu beobachten, wie sie schaltete und waltete, wie ihr Alles wohl anstand, das Gehen und Kommen, das stille, ruhelose Arbeiten und die hundert kleinen Sorgen um das Behagen deS alltäglichen Lebens? „Ich muß eine Reise machen, um diese fixe Idee loS zu werden!" sagte er sich endlich mit einer Art von wilder Entschlossenheit. „Der alte Helmfeld — in die Bonne seines Kindes verliebt! — Die Sache ist doch gar zu absurd!" Aber ein Brief, welcher am nächsten Morgen aus Hamburg an langte, verhinderte die Ausführung dieses festen Vorsatzes. In diesem Briefe wurde ihm die Ankunst von seines älterm Bruders Witwe ge meldet. Sie hatte Amerika, welches ihr durch einen langen Aufent halt eine zweite Heimat geworden war, verlassen, um ihr wirkliches Vaterland, die deutsche Erde wiederzusehen und sich vielleicht nicht mehr davon zu trennen. Sie wollte einige Wochen in Helmfelds HauS verbringen und ließ nicht undeutlich die Absicht durchschimmern, den kleinen Robert zu ihrem Erben zu machen. Helmfeld fühlte sich wenig erfreut und geschmeichelt von dem werfen ihrer Lippen. Ein zorniger Blick HelmfeldS traf die stolze, rücksichtslose Frau. Er ergriff Else, die betroffen zu Boden sah, an der Hand und führte sie näher zu der Matrone hin. „Verzeihen Sie, Fräulein Else!" sagte er mit vibrierender Stimme. „Meine Schwägerin scheint kurzsichtig geworden zu sein — wir müssen Gedulo mit ihr haben." Nun war die Reihe an Frau Landy, in lebhaftem Unmut zu erröten. „Ah so — Du meintest dieses junge Mädchen?" erwiderte sie boshaft lächelnd. „Sie ist also eine brauchbare Person, die sich gut in die Pflege des Kleinen schickt? Brav, meine liebe Jungfer, das freut mich zu hören." Eine Thröne verdunkelte Else'S Blick über so viel absichtlich zugefügte Demütigung. Helmfeld sah diese Thräne und sie brachte ihn um alle Beherrschung über sich selber. „Liebe Amalie, ich muß Dir Wiederholm, daß Fräulein Else die wenn sie das aufgeregte Kind in den Schlaf sang oder schwätzte, und immer mehr zu entdecken, daß diese stille, braune Gestalt durchaus deS weiblichen Reizes nicht beraubt war, sondern weit eher die auf richtigste Bewunderung erregen konnte. Wie klein und fein waren Elsens Hände und Füße, wie zierlich trug der Hals den schöngeformten Kopf, welchen purpurroten Schein batten ihre Lippen und welchen engelsmilden Blick ihre blauen Augen. Nein, aus dem „mmeu", unscheinbaren Geschöpf konnte man eine wahre Venus herausfinden, nur mit einer entstellenden Bronzefarbe überzogen. Oft zürnte sich Helmfeld, sich bei solchen Gedanken zu ertappen, die ihm besonders am Krankenlager seines Kindes wie ein Verbrechen erschienen. Doch er kam immer wieder darauf zurück, um so mehr alS er geneigt war, den Zustand seines Söhnchens mit hoffnungs vollen Augen zu betrachten. Bet Gelegenheit ernster Krankheitsfälle sind Väter oder Ehemänner meist Optimisten, da ihnen das Fürchten und Verzagen, daS stündliche sich ängstigen so unbehaglich ist, daß sie es gerne von sich abschütteln, so lange es nur immer geht. Else war so ganz nur ihren Sorgen und Pflichten hingegeben, daß sie es nicht bemerkte, mit welchen veränderten Augen Helmfeld sie zu betrachten begann. „Das Kind" und immer wieder „das Kind," ein anderer Gedanke schien für jetzt keinen Raum in ihrem Kopfe zu finden. Endlich aber kamen Augen- blicke, in welchen selbst Else's schwarzsehende Angst den Gefüh- - ° ...... ' " ' len der Hoffnung weichen mußte. Das Gespenst der Diphteritis ganzen Plan seiner Schwägerin. Er war nicht der Mann, der sich gerne auS Geldinteressen Rücksichten und Unbequemlichkeiten auferlegte, das verhinderten sein Reichtum und sein Stolz zugleich. Aber er durfte gegen die Witwe seines Bruders nicht unhöflich sein und ander seits auch seinen Sohn nicht um die Aussicht eines vermehrten Be sitzes bringen. Er ging deshalb mit dem offenen Briefe zu Else und bat sie, die nötigen Vorkehrungen sür den Empfang seiner Schwäoerin zu treffen. Er wußte, daß er'jede häusliche Sorge getrost Elsens treuen Händen überlasten durfte. „Dieser Besuch wird Unruhe und Beschwerlichkeit sür uns Alle bringen, am meisten aber für Sie, arme E sei" sagte er. „Sie haben sich kaum noch von den Anstrengungen an Roberts Krankenbette erholt — und schon wieder muß ich neue Anforderungen an Sie stellen. Ich thue es aber nur unter der Bedingung, daß Sie noch eine Dienerin speziell für meine Schwägerin in das Haus nehmen. Sie dürfen meiner Schwägerin persönlich keine Dienste leisten, hören Sie, Else, ich will es nicht. Die Witwe meines Bruders hat einen etwas hochfahrenden Charakter und — kurz, ich will nicht, daß Sie etwa beleidigt werden, Else!" Sie blickte freundlich und dankbar zu ihm auf. Sie mußte seine Rücksicht und Schonung als etwas sehr Wohlthuendes empfunden haben. „Ich werde all'Ihre ausgesprochenen Wünsche getreu erfüllen," --- . erwiderte sie sanft. „Darf ich , " Julia'S Zimmer zur Ausnahme / der Dame zurecht richten lassen?" ' / > «Ja — das wird wohl nötig sein!" sagte er mit erstickter Stimme. „Thun Sie, was Sie für gut finden. Und nochmals — ich will nicht, daß Sie sich ermüden. Die Gesundheit von Roberts Pflegerin ist mir schon aus purem Egoismus teuer." Drei Tage später traf Frau Landy, eine hochgewachsene Ma trone mit schneeweißen Haaren und einem strengen, aber noch immer schönen Gesichte inHelm- seld's Hause ein. Sie wurde von ihrem Schwager an der Treppe empfangen und erwiderte seine Begrüßung mit jener stei fen, würdevollen Freundlichkeit, welche ein bezeichnendes Merk mal für ihr Wesen zu bilden schien. Helmfeld führte seine Schwä gerin hinauf in das Speisezim mer, wo kalte Speisen und Er frischungen bereit gestellt waren. Und dort befand sich auch Else mit dem kleinen Robert, welcher zum erstenmale von dem Wickel- Frew und