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schäften beschäftigt sind, vor der endgiltigen Feststellung gehört und berücksichtigt werden. — Der neue Mililäretat weist für fortdauernde Ausgaben 262711084 M., also gegen das Vorjahr ein Plus von 1338269 M. auf, für einmalige Ausgaben 11622762 M. gegen das Vorjahr ein Plus von 6028554 M. — Nach den bis jetzt vorliegenden Resultaten der Wahlen wird der neue Reichstag zusammengesetzt sein aus 103 Mitgliedern oes Zentrums, 71 Deutsch-Conser- vativen, 31 Reichspartheilern, 46 Nationalliberalen, 53 Freisinnigen, 16 Polen, 7 Demokraten, 19 Sozialdemo kraten, 14 Elsässern und 1 Dänen — Die Sozialdemokraten, jetzt stark genug im Reichs tage vertreten, um selbstständige Anträge stellen zu können, werden dem Vernehmen nach bald nach Beginn der Session mit solchen vorgehen, und zwar sollen in denselben die Forderungen zum Ausdruck kommen, welche die Sozialdemokraten in der Wahlbewegung geltend ge macht; es wären dies zunächst: Abschaffung der Kinder arbeit, Einschränkung der Frauenarbeit, Normalarbeits tag, Erweiterung des Unfallversicherungsgesetzes. — Zwischen dem österreichischen obersten SanitätS- rath und dem deutschen Neichsgesundheitsamt dürften, nach einem Telegramm des „D. M. Bl.", bereits in den nächsten Tagen Verhandlungen abgeschlossen werden, welche ein gemeinsames Vorgehen gegen die Einschleppung der Cholera aus Frankreich betreffen. Inzwischen findet in Oesterreich bereits eine sorgfältige sanitätspolizeiliche Ueberwachung der aus Frankreich kommenden Reisenden und Gepäckstücke statt. — Die Bevollmächtigten der Congo-Conserenz waren aus gestern Nachmittag 2 Uhr zum Reichskanzler geladen zwecks Eröffnung der Conserenz. Man glaubt, daß in dieser Sitzung nur Formalitäten erledigt worden sind und vielleicht auch der Beschluß gefaßt wurde, über den Verlauf der Verhandlungen nichts in die Oeffentlichkeit dringen zu lassen. Portugal kommt mit einem riesigen „fachmännischen Material", welches die „unwiderleglichen Rechte der Oberherrschaft dieses Staates über die Con- goländer" nachweisen soll. Wie die Anregung zur Ein- berusung dieser Conferenz von dem deutschen Reichskanz ler ausgegangen ist, so bringt man derselben auch in Deutschland das größte Jntensse entgegen, während in den meisten anderen Ländern sich eine gewisse Gleich giltigkeit, Wenn nicht gar Mißtrauen bemeikbar macht. Besonders scheint auch Spanien etwas mißtrauisch zu sein: Don Francesco Coello, der spanische Beisitzer bei dem Congo-Congreß, ist erst nach langen und eingeh enden Conserenzen mit dem Staatsministerium nach Berlin abgereist und seine heimische Presse hat ihm ein geschärft, mit aller Energie für die Interessen Spaniens kinzutreten. Im Uebrigen conlrolirt man in Spanien jede leise Bewegung, die aus die Congofrage Bezug hat, und jede einschlägige Notiz der französischen und eng lischen Presse wird eifrig commentirt. Bald wird Alarm geschlagen, weil Deutschland sich mit Frankreich in die Beute Westafrikas theilen, bald darüber, daß Deutsch land Alles in die Tasche stecken und Frankreich durch Marokko entschädigen will! — und dergleichen mehr. Es giebt Nichts, was nicht in Madrid mehr oder we niger Gläubige findet, wie thöricht es auch an sich sein mag. — Der deutsche Passagierdanipser „Rhein" hat alle Passagiere und die Mannschaft, zusammen 186 Personen, von auf dem offenem Meere verbrannten Dampfer „Maas- dam" nach New Aork gebracht. Der Brand des Schiffes entstand dadurch, daß Petroleum in den Dampfraum einfloß und explodierte. Passagiere und Besatzung be stiegen noch rechtzeitig die Rettungsbote und kamen sämtlich unverletzt in Sicherheit. — Das westasrikanische Geschwader, bestehend aus S. M. Schiffen: „Bismarck", „Eneisenau", „Olga" und „Ariadne", unter dem Besehl des GcschwaderchesS, Contre- admirals Knorr, ist am 12. November c. in Madeira eingetroffen und beabsichtigt, am 16. November c. die Reise sortzusetzen. — In der Nähe des Hanauer Bahnhofs stießen am 14. November Nachm. 2 Züge aneinander; 15 Personen sollen getödtet und viele verwundet sein. Der Zusammen stoß ist zwischen dem Ostbahnhos und der Pulverfabrik Mittags 12'/r Uhr erfolgt. Tie „Frankfurter Nachrichten" melden aus Franksurt Folgendes: Der Mittags 12 Uhr 45 Minuten fällige Personenzug der Bebraer Bahn fuhr in Folge unrichtigen Signalwesens östlich von Hanau auf einen Güterzug. Ein zweiter Güterzug, welcher dem Perfonenzuge folgte, fuhr wieder auf diesen voraus fahrenden Personenzug. Es wurden eine Lokomotive und vierzehn Wagen zertrümmert. Hanau, 14. Novbr. Ueber den telegraphisch bereits signalisirten Eisenbahnunsall bei Hanau wird von amt licher Seite mitgelheilt: Bei dem Zusammenstoß des Per- sonenzugcs 26 mit dem Güterzuge 304 vor Bahnhof Hanau sind nach der bisherigen Ermittelung 12 Personen getödtet und 20 zum Theil schwer verletzt worden. Schuld an dem Unfall scheint, soweit bisher ermittelt, die Station Hanau insofern zu tragen, als sie Zug 25 von Niederrodenbach annahm, während Zug 304 noch nicht in den Bahnhof Hanau eingesahren war. — Ein zweites Unglück ereignete sich ebenjalls am 14. Novbr. nicht weit von Hagen i. W. Ueber dasselbe wird tele- graphirt: Unweit der Blockstalion Hengste fand am Frei tag Nachmittag ein Zusammenstoß zweier Güterzüge statt, wobei die Maschinen beider Züge stark beschädigt, ein Packwagen zertrümmert und mehrere andere Wagen be schädigt wurden. Das Geleite war längere Zeit gesperrt. Von Personen ist niemand zu Schaden gekommen. — Einer der Schöpfer der Bayreuther Bühnensest- spiel-Decorationen, der vorzügliche herzogliche Hofmaler Brückner ist am 12. Abends ^6 Uhr, in seinem Jagd revier in der Nähe von Eisfeld bei Coburg durch einen in Folge unseligen Jrrthums in ganz kurzer Entfernung von einem Reserveoffizier auf ihn abgegebenen Schrot schuß schwer verwundet worden. Zwanzig Schrotkörner sollen dem Unglücklichen in die Lunge gedrungen und er rettungslos verloren sein. Der bemitleidenSwerthe Schütze glaubte dem Vernehmen nach in der Dunkelheit auf einen Rehbock zu schießen. Auch das Dresdner Hos- theater besitzt gute Decorationen des Künstlers. Stockholm, 15. November. Der Kapitän des Schiffes „Anna" theilt mit, er habe in der Nacht aus den 6. November bei heftigem Sturme ein brennendes Schiff unweit Gothland gesehen, welches eine Viertelstunde später gesunken sei. Der Kapitän meint, das Schiff sei der am 3. November von Lübeck mit Passagieren und Waaren abgegangene und seitdem vermißte „Sirius" gewesen. Paris, 13. November. Der Bericht der Seine- Präfektur konstatirt, daß gestern 81 Choleratodesfälle, von denen 20 in der Stadt und 61 in den Hospitälern, ferner heute von Mitternacht bis Mittag 33 Todesfälle, von denen 14 in der Stadt und 19 in den Hospitälern, vorgekommen seien; 84 neu erkrankte Personen sind gestern in die Hospitäler eingebracht worden. — Die in Paris eingetretene kalte und heitere Witter ung ist von den erfreulichsten Erfolgen für die Cholera begleitet. Die meisten Mitglieder des Gcsundheitsrathes haben sich dahin ausgesprochen, daß die Cholera-Epide mie als in der Abnahme begriffen anzusehen sei. — Ueber den letzten Versuch mit dem lenkbaren Luftschiff der Kapitäne Renard und Krebs in Pans liegen nunmehr weitere Einzelheiten vor. Am Sonnabend Mittag stieg der Ballon „le äirigoablo" langsam über dem Park von ChalaiS empor. Eine leichte Brise aus Nordwest führte ihn in der Richtung von Billancourt, er überflog den Viadukt der Versailler Bahn, der das ganze Thal beherrscht, und man konnte ihn einige Minuten majestätisch über der Seine ziehen sehen. Auf der Höhe der Brücke von Billancourt machte der Ballon unter dem Truck des Steuers eine Wendung, die Schraube wurde in Thätigkeit gesetzt und der Ballon schlug die Richtung ein, aus welcher er gekommen war. Nach einigen geschickten Wendungen ließ sich der Ballon auf den Rasen des Parkes nieder, von dem er vor Dreiviertel stunden ausgegangen war. Die wenigen Personen, die an der Luftfahrt theilnahmen, lobten namentlich die Prä- cision, mit welcher der Ballon dem Steuer gehorcht und eine gerade Richtung einhält. Nachmittag führten die Luftschiffer nochmals die Manöver des Aussteigens und Senkens aus; der Ballon stieg 300 Meter und ging nach einigen Minuten wieder zur Erde nieder. Wae das Verfahren der Herren Renard und Krebs betrifft, so wird daran als neu gerühmt ein Mittel, dem Ballon die Härte zu bewahren, deren er bedarf, um einen ge nügenden Widerstand zu bieten und die er bei dem Aus lassen des Gases nach dem bisherigen Verfahren verlier!. Das Verfahren besteht in der Anbringung eines kleineren Ballons in dem größeren, den man beim Ausströmenlassen des Gases mit Lust süllt und der dem Ballon seine Festig keit erhält. Die Schraube hat sieben Meter Durchschnitt, sie kann in der Minute 46 Drehungen machen; die be wegende Kraft wird durch eine ungemein leicht konstruirtc dynamo-clekirische Maschine geliefert. Die zur Erzeugung der Elektrizität dienende Säule ist eine Erfindung des Dircctors der ärostatischcn Werkstätte; dieselbe soll sich durch große Kraft bei kleinem Raum auszeichncn, darüber wird Geheimniß bewahrt. Der Berichterstatter des „Figaro" verdankt einem Zufall, wie er sagt, die Kenntniß dieses Geheimnisses. Er deutet indes nur an, daß der Elektri zitäts-Erzeuger vortrefflich funklionire; er habe jedoch die beiden leichten Mängel, daß seine Thäsigkeit eine sehr begrenzte Zeit dauere, was weitere Ausflüge unmöglich mache, und seine Herstellung zu kostbar sei. Man be schäftigte sich damit, diese Mängel zu heben. Wie dem auch sein mag, so ist der Versuch der Herstellung der Lenkbarkeit des Lustschiffes (allerdings bei ruhigem Wetter und schwachem Winde!) diesmal gelungen und damit ein unberechenbar großer Fortschritt in der Beherrschung des Luftraumes gemacht. — Einige Pester Blätter wollen wissen, Graf Kalnoky habe im ungarischen Delegationsausschuß auf die Frage, ob Oesterreich bei Verwickelungen im Westen Deutschland und dieses bei Verwickelungen im Osten Oesterreichs mit Waffen beizustehen verpflichtet seien, vertraulich geantwortet, beide Verbündete hätten besondere Interessensphären, für welche jeder Theil allein einzu stehen habe. London. Zu gleicher Zeit, als Ferry dem franzö sischen Ministerrathe Depeschen mittheilte, welche melden, daß Gordon aus der Fahrt von Khartum nach Berber erschossen worden sei, erklärte der Unterstaatssekretär Lord Fitzmaurice am Donnerstag im englischen Unter- Hause, der Regierung sei keinerlei Bestätigung des Ge rüchtes zugegangen, daß General Gordon von den Aus- ständischen niedergemacht worben sei. Das einzige, was darüber vorliege, sei eine Mitlheilung des französischen Consuls an den englischen Generalconsul Baring, wonach der französische Consul am 12. d. über Masiowa und Suakin ersahrcn haben wolle, daß Khartum gesallen und General Gordon niedergemacht worden sei. B^okks-und Landwirthschaftliches Dresden, 18. Novbr. Auf dem gestrigen Schlacht viehmarkte waren 347 Rinder, 1016 Schweine (761 Land-, 295 Ungarschweine), 929 Hammel, 138 Kälber aufge trieben. Unter der Primaqaalität, welche pro Ceutncr Schlachtgewicht 66—69 Mk. galt, befand sich ein kleinerer Posten norddeutscher Weiderinder, Mittelwaare wurde mit 57—60 Mk. und geringe Sorte mit 36 Mk. bezahlt. Englische Lämmer kosteten pro Paar zu 50 Kilo Flnsch- gewicht 66—69 Mk. Das Paar Landhammel in dem selben Gewicht erzielte 57—60 Mk. und das Paar Aus schußschöpse 36 Mk. Der Centncr Schlachtgewicht von Landschweinen engl. Kreuzung wurde mit 50—53 Mk. und Schlesier mit 47—49 Mk. bezahlt. Der Centner lebendes Gewicht von ungarischen Bakoniern bei durch schnittlich 40 Pfund Tara kostete 48 — 50 Mk. und von 80 Stück Meklenbnrgern bei 35—40 Pfund Tara 50 bis 51 Mk. Das Kilo Kalbfleisch wurde je nach Qualität der Stücke zu 90—110 Pfg. abgenommen. (Hart gewordenes Leder wieder weich zu machen.) Viele sind der Meinung, daß man Schuhe, die durch langes Liegen hat geworden, durch Einschmicren wieder weich machen kann, dem ist aber nicht so. Das Erwei chen des Leders geschieht nämlich nach Mitlheilung einer Fachzeitung durch Eintauchen- in warmes Wasser, und erst dann schmiere man die Schuhe mit Fett ein. Die Kere von St. Wicolai. Roman aus Hamburg's Vergangenheit von F. Ewald. Fortsetzung. Frau Sida Rotenborg's Blick aber wurde immer trüber, ihre Wangen bleicher und ihre Stimme klang so leüe und wehmülhig, daß es Lieschen tief in's Herz schnür und sie sich wieder und wieder fragte, ob denn hier Nichts geschehen könne, um ein entfliehendes Leben aufzuhalten. „Ich fühle mich so müde, Lieschen," sagte die Leidende eines Abends. „Mir ist's, als müßte ich die Augen schließen, um nie mehr zu erwachen." Die Worte trafen das Mädchen wie ein Stich in's Herz. Hatte sie nicht schon zu lange geschwiegen? Wie oft schwebte ein bittendes Wort auf ihren Lippen und doch hatte sie es nicht auszusprechcn gewagt. „Mir ist es, als ob ich mich nie wieder erheben würde", fuhr Frau Sida fort. „Und doch bin ich nicht krank." „Doch, Ihr seid krank," sprach Lieschen schüchtern. Frau Sida blickte sie verwundert an. „Kind, wie kommst Du zu dieser Bebauptung?" In demselben Augenblick lag Lieschen vor ihr auf den Knieen und hob die Hände flehend zu ihr empor. „Ihr seid krank, krank vor Sehnsucht nach Eurem Gatten und Eurem Kinde. Zürnt mir, stoßt mich von Euch, aber ick will Euch sagen, was Euch fehlt, damit Ihr nicht einer strafbaren Verblendung zum Opfer fallt und noch mehr Unheil über Diejenigen bringt, die Euch lieb haben," Frau Sida saß sprachlos. Jähe Rothe und tiefe Blässe wechselten in ihrem Antlitz. Was wußte dieses Mädchen von dem Kummer, der tief verborgen in ihrem Herzen schlummerte? „Was bereuten Deine Worte?" fragte sie endlich mit finsterer Miene. „O, Herrin, ich war bei Euch, als Ihr Tag für Tag in wilden Fieberphantasien läget. Wie habt Ihr nach Eurem Gatten, nach Euren: Kinde gejammert! Einen Stein hätte es erbarmen sollen und Ihr seid hartherzig genug, Euch von Beiden fernzuyalten?" „Du kennst meinen Gatten?" Lieschen besann sich keinen Augenblick länger, das Mit leid mit dieser scyönen, unglücklichen Frau siegte über ihre Klugheit. „Ja, ich kenne ihn! Er ist ja mein Wohlthäter, der mich aus den Händen schlimmer Menschen befreit und in dieses Haus des Friedens gebracht hat. O, Herrin, ich weiß Alles! Habt Erbarmen mit ihm, habt Erbarmen mit Eurem Sohne! Der liebe Gott kann nicht wollen, daß sie unter einer Strafe leiden, die Ihr nicht verdient haben könnt und wenn es wäre — wenn — dann dürfte nimmer die Strafe Unschuldige treffen." Frau Sida starrte die Sprecherin an, keines Wortes mächtig. Sie schauerte fröstelnd zusammen. Sie hörte in Worten ausgesprochen, was sie seil langer Zeit gedacht, was sie ängstigte und ihr den zum Theil mühsam erworbe nen Frieden wieder raubte. Andere büßten für Das, was sic verschuldet. Ihr Gatte, ihr Sohn litten unter ihrer Schwäche, ihrem Stolz, ihrem — Hochmuth. Das war es! Frau Sida hatte sich dieses Alles oft genug wieder holt, aber niemals fühlte sie sich so niedergedrückt als in dieser Stunde, wo dieses Mädchen, dieses Kind ihr zu große Härte vorgeworfen. Eine unsagbare Angst erfaßte sie plötz lich. Wieder richteten sich ihre Augen mit durchbohrendem Ausdruck auf Lieschen. „Du weißt Alles? Wer sagte es Dir?" „Ihr selbst, H.rrin." Sida lachte auf. „Fieberphantasien — nichts weiter. Wie kann man Acht darauf geben? Du bist ein Kind, Lieschen! Was ich auch gesprochen, es waren krankhafte Vorstellungen!" Lieschen sah die unglückliche Frau tieftraurig an, aber sie sprach nicht mehr; sie wollte sich nicht gewaltsam in ihr Vertrauen drängen. Vielleicht kam eines Tages eine mil dere Stunde, wo sie zugänglicher sein würde. Frau Sida verbrachte eine qualvolle Nacht; es war