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Versöhnt! Novelle von Chr. Kim mich. (Fortsetzung.) verging der Sommer und Albert hatte das Versprechen seines Lehrers, in den von seiner Kapelle auszuführen- Musikvorträgcn stets mitwirken zu dürfen. Dies machte ihm ungemeines Vergnügen, er freute sich wie ein Kind darauf. Einigemale hatte er schon zur Zufriedenheit Aller in Konzerten mitgewirkt, als eines Abends Monsieur d'Arkon mit väterlicher Gönner miene ihm eine Aussicht eröffnete, die er sich nicht hatte träumen lassen. „Herr Baron," sagte er, „es ist auf nächste Zeit ein Wohlthätig- keitskonzert angesagt, mein erster Künstler ist nun Plötzlich erkrankt nnd würde ich Ihnen den Vorschlag machen, an seiner Stelle aufzu treten. Ich traue Ihnen die Kraft zu. etwas wirklich Gutes zu leisten. Sind Sie gesonnen milzuwirken, so können Sie sich Ihr Solo selbst wählen!" Albert wußte nicht, ob er diesen ehrenvollen Antrag annehmen solle. DaS Herz klopfte ihm jetzt schon gewaltig, als er sich vorstellte, daß er vor einer ^ebenfalls gewählten Gesellschaft ein Solo vortragen solle. Wieumbei ihr Ratzuholen, schaute er fragend aufdieschöne Charlotte. »Nehmen Sie an, Herr Varon, Sie können sich einen Namen durch diese Gelegenheit erwerben!" sagte das Mädchen aufmunternd. Albert sagte zögernd zu. „Sie müssen Ihre Sache an dem Wend recht gut machen," sagte die junge Dame, „eS ist eine sehr gewählte Gesellschaft, auch ich werde bas Vergnügen haben, Sie zu hören." „Dann werde ich mein Möglichstes thun und sollte mir der Mut vergehen, so werde ich ihn in Ihrem Anschauen holen," antwortete er galant. Der Wend rückte heran. Albert hatte sein Solo tüchtig ein geübt, er hoffte auf gutes Gelingen, Herr d'Arkon sprach ihm Mut zu. Klopfenden Herzens schritt er mit dem Lehrer und der schönen Charlotte dem bestimmten Lokal zu. ES war ein prächtiger, sehr geräumiger Saal, prachtvoll dekoriert. Schon begann er sich zu füllen. Schwarz gekleidete Herren und Damm in reichster Toilette nahmen die Sitze ein. Von der Kapelle des Herrn d'Arkon waren nur die bestm Kräfte anwesmd. Punkt acht Uhr begannm die Vorträge, eingeleitet durch eine Ouvertüre. Nach dieser Einleitung trug eine Dame mit kräftiger Stimme ein Solo mit Klavierbegleitung vor. Gesangs« und Jnstrumentalvorträge wechselten ab und je mehr vorgetragen wurde, je banger wurde Albert ums Herz, je tiefer stellte er seine Kenntnisse in den Hintergrund. Ihn reute längst, daß er sein Wort gegeben hatte, aber letzt war eS zu spät, schon kam er an die Reihe. Hörbar klopfte ihm das Herz in der Brust, als er jetzt vorn auf die Bühne treten mußte. Die Notm verschwommen vor seinen Augen, gleich einem lebendig gewordenen Ameisenhaufen schwirrten sie durcheinander. Herr d'Arkon munterte ibn mit einem Blicke auf und gab das Zeichen zum Anfang. Seine Hand zitterte, als er über die Saiten strich; noch sah er keine Noten, aber er hatte die ganze Piece auswendig gelernt. Ein Piano machte den Anfang, und bald hatte er seine Scheu überwunden, mächtig brausten die Töne in dem Saal dahin. Man hatte den jungm Mann kaum beachtet, als er sein Spiel begann. Plötzlich änderte sich die Szme. Mit Staunen wandten sich Aller Augen auf ihn, tiefste Ruhe herrschte im Saale. Was war es denn, das die Aufmerksamkeit Aller so sehr in Anspruch nahm? Es war das Spiel Alberts. Er mochte ungefähr in Mitte seines Stückes angelangt sein, als er die Reihenfolge der Noten verlor. Einen Moment nur stockte er. Niemand hatte eS beachtet, und der Bogen glitt weiter über die Gasten. Aber es war nicht mehr das Stück, es war eine andere Melodie, eine eigene Komposition, eine von Men, die Albert so ost am Waldes saum den Vögeln vorgetragen hatte. Er wußte nicht mehr, daß er unter den Augen einer nach tausenden zählenden Menge spiette, er fühlte sich zurückversetzt in die Heimat. Wie am Waldessaume so oft, so vertraute er auch hier den Saiten alle seine innersten Gedan ken an, bald in wilden Klagetönen rauschten die Gedanken verkörpert dahin, bald aufjauchzend in seligem Glück einer reinen jungen Liebe. Endlich drückte sich die unendliche Sehnsucht nach der Heimat, nach der Geliebten darin aus und endeten mit der Hoffnung auf em glückliches Wiedersehen. Einen Moment herrschte tiefste Ruhe, als er endete. Plötzlich aber brach ein nicht enden wollender Beifallssturm los. Jedermann hatte vergessen, daß der junge Mann, der jetzt über und über rot dort oben stand, so sehr gegen die Regel verstoßen hatte. Alles hatte nur seinem prächtigen Spiel gelauscht und zollte ihm seine Bewunderung. „Da capo, äa capo!" rief es von allen Setten. Herr d'Arkon hatte rasch seine Fassung wieder erlangt, als er den Verlauf bemerkte. „Spielen Sie, Spielen Sie!" rief er ihm zu. Albert war unentschlossen was er thun sollte. Gerne hätte er dem stürmischen Verlangen Folge geleistet, aber er wußte nicht, mit was er beginnen sollte. „Lorelei!" rief ihm sein Lehrer in der höchsten Aufregung zu. Wieder setzte er den Bogen an und vor den Ohren der Menge klang die prächtige Melodie: „Ich weiß nicht was soll es bedeuten." Wieder ließ er seiner Phantasie freien Spielraum, wieder brausten die Töne hell auf, aber immer wieder durchzogen von der schmeichelnden Lorelei-Melodie. Noch einmal brauste ein Bravoruf durch den Saal, jetzt wagte auch Albert, die Augen zu erheben. Sein Blick begegnete demjenigen Charlottens, die mit wahrhaft göttlicher Verehrung zu ihm aufschaute. Monsieur d'Arkon drückte ihm fast krampfhaft die Hände. „Ich sollte Ihnen böse sein, aber ich kann nicht, Sie haben heute ihr Glück gemacht," sagte er aufgeregt zu ihm. Und so schien eS auch zu sein. Am andern Tage brachten die Zeitungen den Vorfall und wußten nicht genug zu rühmen von dem Spiel deS jungen Mannes. Am Abend erhielt Albert einige Anerbieten zu wirklich vorteilhaften Engagements, die er jedoch vorläufig alle ablehnte. Er wollte bei seinem Lehrer bleiben, wollte ihm dadurch seine Mühe lohnen. Von da an trat er stets in Konzerten auf und binnen kurzer Zeit war sein Name bekannt und berühmt. Sein Lehrer hatte beschlossen, mit den Tüchtigsten unter s«nen Künstlern eine Reise zum Frühjahr anzutreten, wozu er vor Allem um die Einwilligung Alberts bat, die dieser auch sofort gab. Diese Reise sollte seinen Ruf für immer befestigen. 8. „Nur herein, liebe Frau, haben Sie keine Angst, der Herr Baron hat mir befohlen, Sie hieher zu führen!" Jean der Diener war es, der die Worte an eine hagere, bäuerlich gekleidete Frau, die zwei Kinder an den Händen führte, richtete. ES war die Frau deS verunglückten Holzhackens. „Lasten Sie mich doch lieber hier außen," bat die Frau, „ich fürchte mich immer so sehr, wenn der Herr Baron erzürnt ist, ich will hier warten auf das, was der gnädige Herr mir armen Frau gibt!" „Nein, nein, nur immer herein, der Herr Baron ist heute gut gelaunt, vergeßen Sie nur nicht, daß Sie die Witwe des Holzhackers find, der Herr Baron gäbe Ihnen sonst gewiß nichts wehr, ja er wäre im stände und verklagte Sie wegen Betrug." „Aber, Du lieber Gott, daS haben doch Sie mir ausaenötigt zu sagen, daß mein Mann tot sei, ich habe doch den Herrn Bvon, der so gut gegen mich ist, der mir so viel schenkt, nur auf Ihre Veranlassung betrogen und belogen!" seufzt« die Frau.