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758 Nichtamtlicher Theil. 49, 28. Februar. „Infame Wirtschaft!", sagt Amüller, „machen es diese Haude L Spener wieder so, wie beim vorigen Bande — geben in Berlin früher aus! Telegraphiren Sie schleunigst!" Amüller lästt tele- graphiren. Aaron läuft nach Gemüller und Hamüller mit derselben Behauptung. Beide telegraphiren. Antwort: „Der Buchbinder kan» nicht liefern, aber nun ganz bestimmt am Montag." Der Buchbinder hat näprlich immer dieSchuld. AmandernTage inserirt Jmnller im Jcksheimcr Anzeiger, däß seine verehrten College» das Publicum geuasführt hätten, bei ihm sei aber nun der Saling ganz bestimmt am Dienstag den 20. zu haben. „Bei mir auch", inserirt am nächsten Tage Kamüller. Diese Inserate bleiben unbemerkt, und da unterdessen der 15. verstrichen, so wird das Publicum »»geduldig. Der Samuel, und der Bär, und der Nathan und zehn Andere laufen von einem Buch händler zum andern, da sie nichtglaubcnwollen, daß der „Salinger" noch nicht erschienen sei. Sie werden in allen 12 Buchhandlungen in dasBesteübuch ge tragen; namentlich freuen sich die jüngsten Geschäfte von Elmüller und Emmüller über den gewaltigen Andrang von Kunden. Dienstag bricht an. Amüller, durch alles Vorhergegängene nervös geworden, geht mit großen Schritten im Comptoir auf und ab. Die Gehilfen warten, die Lehrlinge lauern, die Austräger sind consignirt. Der Postbote kommt, der Gütcrfnhrmann kommt — kein Saling. Die Arbeit fördert nicht, die Remittenden bleiben liegen, die Verschreibung wird vergessen — sollte irgend etwas pas- sirt sein? Brief verloren? Adresse verwechselt? — Der Samuel hat doch noch jeden Morgen nach seinem „Salinger" gefragt, heute nicht hat er ihn anderswo bekommen? Sollten die I I Colle- genSendungen erhalten haben und wir nicht? — Es ist fürchterlich. Amüller geht zum Essen. Er kann aber nichts genießen. Be sorgt sagt die Frau: „Du solltest ein wenig schlafen!" — „Um Gottcswillen, mit dem nächsten Zuge kann Saling kommen!" —^ Er stürzt wieder ins Geschäft. Saling kommt nicht. Wenigstens kommen aber doch Nathan, Bär und Edelstein, um nachzufragen — also haben die anderen Buchhandlungen auch nichts bekommen. Das ist ein kleiner Trost. Die Nacht verbringt Amüller aber doch ohne Schlaf. Wenn er die Augen zumacht, so dringen gleich in wilden Traumbildern zwölf Juden auf ihn ein, die den „Salinger" haben wellen. Oder er steht zwölf Laufburschen im Galopp durch Jcksheim rennen, jeden mit lauter Salings beladen — nur seine 50 Exemplare sind noch unausgepackt, das Packet drückt ihm die Brust zusammen — er schnappt nach Luft, kalter Schweiß tritt vor die Stirn — es ist nicht auszuhaltcn, er springt auf und zieht sich an. Er kommt vor Tag in's Geschäft — wie eben der Bursche die Fenster aufgemacht hat und nach dem Besen sucht. Eine feine Staub decke hat sich Nachts über die Pulte gelagert. Der kalte Zug kühlt wohlthätig seine brennenden Schläfe. Er läuft dreimal um die Pro menaden. trinkt eine Tasse heißen Kaffee und geht wieder in's Ge schäft. Der Mittwoch bringt Briefe, Packele, Krebse — aber keinen Saling. — Von dem Zug am Morgen hat Amüller einen bohrenden, entsetzlichen Kopfschmerz bekommen — die Füße tragen ihn kaum noch; er sinkt auf dem Pultschemel zusammen! O Saling! Saling! Nachmittags kommt der Redacteur des Jcksheimcr Anzeigers, Amüller's aller Freund, herein, um ihn zu einem Skat abzuholen. Der Gehilfe theilt ihm das Elend mit von dem Saling. „Aber warum so aufgeregt", sagt der Redacteur, „es ist allerdings von Haude L Spener ebenso dumm, wie rücksichtslos, daß sie jedes mal beim Erscheinen eines Bandes mit ihren nicht gehaltenen Ver sprechungen den ganzen Buchhandel in Alarm bringen — sie würden ja nicht ein Exemplar weniger absetzen, wenn sie den Tröster erst Wirklich fertig machten, ehe sie lostrompeteten! — In 14 Tagen kann das Buch accurat ebenso gut erscheinen wie heute. Nun wir wollen ihren Verlag mit einem neuen geflügelten Wort bereichern und in Zukunft sagen: Er lügt wie Haude L Spener!" Auch Donnerstag kein Saling. Amüller's Kopfweh und Schwindel nimmt zu, er muß zum Hausarzt schicken. Der Hausarzt kriegt ihn in's Bett und verordnet kalte Umschläge. Hier muß der Chronist abbrechen, weil morgen erst Freitag ist und kein Mensch wissen kann, was morgen passirt. — Sollte „Sa ling II. 2." wirklich morgen kommen, so wird das noch ein Haupt vergnügen, wenn bei den Banquiers, die in allen 12 Buchhandlun gen nachgefragt haben, morgen 12 Exemplare gleichzeitig abgegeben werden. Wenn sie dann 11 Exemplare zurücksenden und sagen lassen: sie hätten nichts bestellt. — Dann lieber Leser, gib zur Antwort: Na! Du lügst auch wie Haude L Spener! Zettmüller. Actenstücke zur Geschichte des deutschen Buchhandels. XII."-) (Nach dem Wortlaut des ausgestellten GründungSprospectS.) Deutsche Buchhändler-Bank. Actien-Gcsellschaft in Berlin und Leipzig. Drei Millionen Capital.**) Der günstige Friede von 1871 und die durch denselben gebo tenen Garantien für einen langjährigen Fortbestand des europäischen Friedens haben wie in allen Zweigen desHandels und der Industrie ») XI. S. 1870, Nr. 275. '*) Die „Berliner Börsen-Zcitung" vom 22. Februar enthält folgende amtliche Bekanntmachung: Handels-Register des Königlichen Stadtgericht« zu Berlin. In unser Gesellschafts-Register ist eingetragen: Colonne 1. Lausende Nr. 3617. Cvlonnc 2. Firma der Gesellschaft: Deutsche Buchhändler-Bank. Colonne 3. Sitz der Gesellschaft: Berlin. Colonne 4. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft: Die Gesellschaft ist eine Actien-Gescllschaft. Das notariell am 19. Februar 1872 vcrlautbarte Statut befindet sich in beglaubigter Form Blatt 4 bis 37 des Beilagebundes Nr. 256 zum Gesellschafts- Register. Gegenstand des Unternehmens ist: 1) Ccntralisirtcr Betrieb de« CommissioiisgcschäftS im Buchhandel und de« mit demselben verbundenen Crcditgeschäfts für den Buchhandel und verwandte Geschäftszweige. 2) Betrieb aller buchhändlerischcr und verwandter Geschäftszweige. 3) Gründung von Acticn-Gejcllschaften für den Betrieb bestimmter, unter diese Geschäftszweige fallender Unternehmungen, durch Ucber- nahmc von Actien und Obligationen für dieselben. 4) Ankauf und Weiterbctricb bestehender unter diesen Geschäftszweig fallender Etablissements. 5) Bcthciligung bei anderen Gesellschaften verwandter Art. (8. 2.) Die Dauer des Unternehmens ist unbeschränkt. (8. 1-1 Das Grundcapital der Gesellschaft beträgt: 1.000,000 Thlr., Eine Million Thaler, und zerfällt in 5000 Aciicn :i 200 Thlr. — 350 Gulden Südd. Wahr. — 300 Gulden Ocstcrr. Währ, in Silber ---- 600 Deutsche Mark — 30 Pfund Sterling. (8- 4.) Die Actien lauten auf Inhaber. (8. 5.) Die Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen durch 1) den Deutschen Reichs- und Königlich Preussischcu Staats-Anzeiger; 2) die Berliner Börsen-Zcitung; 3) das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und verwandte GcjchästSzwrige (in Leipzig); 4) die Süddeutsche Buchhändler-Zeitung (in Stuttgart). Die Ausschreibung der Eintragungen auf Actien erfolgt durch den AuffichtSrath. (8- «.)