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54 Die zarte, schneeige, Großmamas Geburtstag. (Mit Text.) ihre Augen. „Verzeihemir, Geliebte! Ich weiß, daß Du mich liebst, aber verlange das nicht von mir in der kurz bemessenen Zeit, so lange ich in Deiner Nähe sein kann. W>e soll ich denn hier leben ohne Dich zu sehen und zu sprechen, Dich, nach der ich mich ein ganzes Jahr in unendlicher Sehnsucht ver sich die Beiden in den Armem Innig sich umschlungen haltend, stan den sie eine Weile da, ihre Lippen fanden sich zum heiligen Kuß der Liebe. Wortlos führte der junge Mann die errötende anmutige Mädchengestalt zu dem Sitze, den er vorher allein inne gehabt hatte, und ließ sich an ihrer Seite nieder. Das Mädchen, das das schöne Köpfchen an die Brust des jungen Mannes lehnte, mochte ungefähr 18 Jahre zählen. Die ganze äußerst anmutige Erscheinung konnte man mit einer, eben im Erblühen begriffenen prächtigen Rose ver gleichen. Sie war groß und schlank gewachsen und doch zeigte ihr Körperbau plastisch abgerundete herrliche Formen. Aus dem lieblichen etwas ovalen Gesichtchen, dessen zarte Haut von blendend weißem Teint, schauten ein paar tiefschwarze Augen in sich von ihren Sitzen. „Wann darf ich Dich Wiedersehen, Geliebte?" fragte der Mann zärtlich. „Sei es von heute über acht Tage an demselben Ort!" Plötzlich brach der heraus beschworene Sturmin einem jähen klagenden Tone ab und^gleich dem leisen Säu seln des Windes nach über standenem Gewitter floßen die Töne besänftigend fort, bis sie kaum hörbar endeten. Das junge Paar war während des Schlußsvieles aufmerksam lauschend dagesessen. „Wie prächtig er spielt, wie er ein Emvfinden, das Alles mit fortreißt, in seine Töne legt!" sprach das Mädchen bewegt. „Er wäre jedenfalls ein bedeutender Künstler geworden, hätte man ihm die nötige Schule nicht vorenthalten. Dein Vater hat Un recht gethan, daß er seinem stürmischen Verlangen nicht nachgegeben hat. Bei seinen dereinstigen pekuniären Verhältnissen hätte er die Kunst zum Vergnügen betreiben können und dann ist dieselbe erst, was sie eigentlich sem sollte!" „Es ist wahr!" antwortete das Mädchen, „aber sieh, — Albert kommt und mahnt uns zum Ausbruch!" fuhr sie fort. Beide erhoben Der junge Mann hatte das Beben des Mädchens an seiner Hand, in der er die ihrige hielt, ebenfalls gefühlt und schaute ihr liebe voll besorgt in die leuch tenden Augen. „Du zitterst, teure Alma!" sprach er zärt lich zu ihr, „ist Dir vielleicht etwas unangenehmes wi derfahren?" „Nein, das nicht!" ant wortete sie mit wohlklingen der Stimme, „aber mir ist heute so bang, ich ahne eine Gefahr für unsere Liebe!" JhreStimme vibrierte kaum hörbar bei diesen Worten. „Mein Gott, wenn wir ver raten würden, — wenn es die Eltern erführen! Ich glaube, wir thun doch ein Unrecht gegen sie und wollen die Heimlichen Zusammen künfte doch lieber unter lassen, Kurt!" fuhr sie be bend zu ihm aufschauend fort. Der junge Mann richtete seinen Oberkörper etwas in die Höhe und schaute ihr fragend in die Augen. „Ist dies Dein Ernst, Alma?" fragte er, und seine Worte klangen hart. „Mein Gott, Du weißt doch, daß ich dsts nicht ver lange, Weil ich Dich viel leicht weniger liebte als Du mich, aber bedenke doch die Gefahr einer Entdeckung und deren verderbenbrin gende Folgen!" antwortete sie zärtlich zu ihm auf schauend. Thränen füllten durchdringendem Glanz hervor und erinnerten im Verem mit dem ebenfalls schwarzen Haar und dem kleinen, aber scharf geschnittenen Mund an den Typus des Südens. rechte Hand hatte sie in die des jungen Mannes gelegt. Ein kaum merkliches Beben durchzuckte ihren Körper und die fein gewölbte Brust bewegte sich rasch auf und nieder. zehrt habe!" „Ich kann ja nicht anders, und Gott, der weiß, daß unsere Liebe so rein, so heilig ist als sein Wort selbst, möge uns beschützen!" er widerte sie in hingebendem Tone. Von der Seite her, von der das Mädchen erschienen war, schallten die zarten Töne einer Violine. Kaum hörbar, wie vom Winde aus weiter Ferne hergetragen, tönten sie herüber an die Ohren der Liebenden. „Albert Pflegt seiner Lieblingsbeschäftigung!" sprach das junge Mädchen, nach der Gegend, von der die Töne kamen schauend. „Er ist ein Meister in der Handhabung des Bogens!" erwiderte Kurt, „schade, daß Dein Vater so gar keinen Gefallen daran findet und ihn lieber hoch zu Roß, als den Bogen in der Hand sehen möchte!" „Sie thun ihm bitter Unrecht, alle, wie sie drüben sind, und seit die hochtrabende Kousine da ist, wird es sür ibn beinahe unerträglich. Wie mit feinen Nadelstichen verwunden sie ihn täglich mit ihren spottenden, beißenden Reden und wäre es nicht der sanfte vergebende Charakter Alberts, so hätte es längst zu Bösem führen müssen!" er widerte das Mädchen. Von drüben ertönte der Klang der mit entschiedener Meister schaft behandelten Saiten jetzt deutlicher hörbar. Wie beim herauf ziehenden Gewitter die Wolken, so reihte sich Akkord an Akkord, das einemal mächtig aufbrausend in wildem Klageton und dann wieder übergehend so schmeichelnd, so kosend, daß die beiden Zuhörer auf der andern Seite stumm Hand in Hand dasaßen und nach dem Spie lenden schauten. „Wer ihn das nur gelernt hat?" sprach jetzt die Mädchengestalt an der Seite des jungen Mannes, — „seit seinem 14. Jahre hat er keinen Lehrer mehr gehabt, und zu Hause durfte er es früher auch nicht üben; draußen in Feld und Wald hat er den Vö geln und den anderen Tier chen vorgespielt. Am Wal dessaum bat er ein Lieb lingsplätzchen, dort sitzt er stundenlang ohne jeden an dern Zuhörer als die schon Gesagten und übt sich un ermüdet, und was ist sein Lohn hiefür ?.,- - Spott und Hohn! weil sie ihn nicht verstehen und ihn nie und nimmer verstehen werden! Und er ist so gut, so edel, der mir so teure Bru der," — fuhr sie sort, und Thränen der Rührung füll ten die schönen Augen, — „keinem Menschen thut er etwas zu leide, hat für Jedermann nur liebe Worte und freundliche Blicke und wie wird ihm alles dies vergolten?" „Es ist ein schweres Un recht von Deinen Eltern, daß sie so mit ihm ver fahren. Lange schon hat er mich mit Bewunderung erfüllt, daß ihm die Galle nicht einmal überläuft; ich glaube, meine Sache wäre es nicht!" erwiderte Kurt. Noch stärker klangen jetzt die Töne von drüben, gleich dem Aufbrausen eines hef tigen Sturmwindes wuchsen sie an. Es war kein Spiel nach den gewöhnlichen Regeln der Kunst, es war der Aus bruch eines gequälten über vollen Herzens, das sein Fühlen den Saiten anver traute.