Volltext Seite (XML)
ihn nicht dem vollständigen Untergange Preis zu geben und ihm die Worte unv Handlungen der Leidenschaft zu verzeihen, zu welchen ihr Stolz und ihr Haß ihn gereizt habe. Krampfhaft hielt er ihr Kleid fest, als ob er fürchtete, daß sie entfliehen möchte und mit leidenschaftlich beredten Worten flehte er um ihre Verzeihung, ihre Liebe und ihre Einwilligung, sein Weib werden zu wollen. Sie hörte ihn an; aber wenn der Ausdruck ihrer jugendlich schönen Züge wechselte, so war es kein Erbarmen, sondern nur Verachtung, die für einen Augenblick den Haß überwog. Sie versuchte, sich von ihm frei zu machen, es mißlang ihr und er ergriff ihre Hand, um sie zu küssen, — da erhob sie mit ihrer andern die Reitpeitsche hoch über ihren Kopf. Er sah die Bewegung und den wilden Blick ihrer Augen, schnell wich er zurück, — aber es war zu spät, sausend fuhr die Reitpeitsche nieder und traf seine Stirn mit wuchtigem Schlage. Er stieß eine Verwünschung aus. Blind vor Wuth und Schmerz stürzte er auf das tollkühne Mädchen zu; da riß ihn ein plötzlicher Ruck seines ungeduldigen Pferdes zurück, er stolperte über die Stufen und stürzte zu Boden. Schnell jedoch sprang er wieder empor und stieg zu Pferde. „Die Schmach vergesse ich Dir nie, Ada!" rief er zorn bebend. „Wenn Du es gelernt haben wirst, Deine Ehre zu schätzen und das Leben zu lieben, dann gedenke meiner!" Wild gab er seinem Pferde die Sporen und sprengte davon, in die Nacht hinaus. Eine Zeit lang stand Ada schweigend und bewegungs los da, wo er sie verlassen hatte. Sie hörte ihn in wildem Galopp die Allee hinuntersprengen, dann schoß es dunkel durch ihren Sinn, wie er auf seinem scheu gewordenen Pferde durch die Finsterniß immer weiter jagen werde, bis Beide, Roß und Reiter, auf den unwegsamen, gefährlichen Pfaden zusammenstürzen müßten. Schaudernd eilte sie in das Herrenhaus, schloß die Thür und schob die schweren Riegel vor. „Ich wollte, ich hätte ihn nicht geschlagen. Ich weiß nicht, — ich kann ihn nicht mehr so hassen, — nicht genug hassen, — seitdem ich ihn schlug!" und wieder schauderte sie zusammen. Langsam ging sie die breite, schwarze Treppe hinauf; dann eilte sie schnell durch die langen Korridors. „Wenn Du es gelernt haben wirst, die Ehre zu schätzen und das Leben zu lieben, dann gedenke meiner!" wieder holte sie. Sie öffnete eine Thür und trat in ein Zimmer. Es war trauliches Boudoir oder ein jungfräulich anmu- thiges, zierlich geschmücktes Gemach, sondern ein großes, düsteres Zimmer; Decke, Wände und Fußboden waren von einfachen,, schwarzem Eichenholz, auf welches der Feuerschein aus dem riesigen Kamin phantastische Figuren malte; nur das weißüberzogene Ruhelager leuchtete in diesem dunklen Raume wie ein weißer Schwan in einem schwarzen See. Das Erste, was sie that, war, sich hastig ihres Reitkleides zu entledigen. Eine alte Frau, welche nebst ihrer vor Kurzem ver storbenen Tochter die einzigen Personen gewesen waren, welch« Lady Ada irgend welche mütterliche Liebe und Sorge seit den Tagen ihrer einsamen und verlassenen Kindheit erwiesen hatten, kam herein, um dem jungen Mädchen bei'm Wechseln ihrer Kleider zu helfen. Außer diesen Beiden war zu dieser Stunde Niemand weiter im Schlöffe; der Diener war häufig mit Arbeiten außerhalb desselben beschäftigt, die ihn oft eine viertel- oder 3 — eine halbe Stunde weit fortführten; eine zweite alte Dienerin, welche die Stelle der Haushälterin bekleidete, war oft halbe Tage lang, sogar einmal wöchentlich einen ganzen Tag ab wesend, um auf ihrem kleinen, kräftigen Pony nach der nächsten Stadt auf den Markt und wieder zurückzureiten; daher kam es häufig vor, daß Lady Ada sich mit ihrer alten Amme ganz allein in dem öden, abgelegenen Schlosse befand. „Weßhalb hast Du Dich so abgehastet, mein Kind?" rief die alte Frau verwundert aus. „So bald können Sir Lionel und Deine Schwester noch nicht hier sein; deßhalb ' war solche Eile nicht nothwendig. Was ist es denn mit Dir, mein liebes Herzchen? sagte sie liebkosend. „Du zitterst ja wie Espenlaub! Sicher bist Du zu schnell und zu weit geritten." Ada wich den Blicken der alten Frau geflissentlich aus. Plötzlich aber veränderte sich der zärtliche Ausdruck in deren Antlitz und zornig rief sie aus: ,Fady Ada, ist er Ihnen wieder begegnet, der Mann mit dem schwarzen Pferde, vor dem Sir Lionel Sie warnte?" Ada aber antwortete noch immer nicht und wieder liebkosend fuhr die alte Frau fort: „Mein Kind, kannst Du denn nicht mit Deiner alten Amme sprechen? Kannst Du mir nicht sagen, was Dich so ungewöhnlich erregt hat?" „Was mich so erregt hat? rief Ada mit flammenden Blicken aus. „Es ist ein wilder, grenzenloser Haß! Ein solcher Haß, wie ich niemals glaubte, fühlen zu können! Ein solcher Haß, daß ich wünschte, mein ganzes Leben in einen Fluch verwandeln zu können!" Sie hatte sich zu der alten Frau gewandt, als sie diese Werte sprach; der rothe Feuerschein beleuchtete ihr in diesem Augenblick dämonisch schönes Antlitz und erhöhte den wilden, düstern Ausdruck desselben, so daß die Amme er schrocken zurückwich. „Gott vergebe Ihnen, Lady Ada!" rief sie aus, „Gott erbarme sich unser!" Lady Ada hatte sich wieder dem Spiegel zugewandt. Sie beachtete den Ausruf der alten Amme nicht weiter, aber ihre ganze Gestalt bebte und zitterte unter dem Gefühl eines Entsetzens, welches sie sichtlich nicht bemeistern konnte; doch versuchte sie es, sich zu beherrschen und flocht mit gewandten Händen ihr prächtiges Haar, welches reich über ihre Schultern hinunterfloß. Die alte Frau betrachtete das nun wieder so anmuth- ige junge Mädchen kopfschüttelnd und versuchte es, sich selbst einzureden, daß sie sich verhört habe und daß die schlimmen Worte des Hasses und des Fluches, welche noch in ihren Ohren klangen, von diesen kindlichen Lippen nicht ausge sprochen worden waren. Sie hob das von Ada abgelegte Reitkleid von dem glänzenden Fußboden auf und war im Begriff, es an das Feuer zum Trocknen zu hängen, als sich das Mädchen plötz lich umwandte und wieder rief sie mit jenem Heisern, selt samen Tone, der die alte Frau vorhin so sehr erschreckt hatte: „Wirf das Gewand fort, — in das Feuer, oder wohin Du willst. Ich brauche es nicht mehr, denn die arme „Beß" wird morgen erschossen werden und ich will, so lange ich lebe, kein anderes Pferd mehr besteigen." Bestürzt ließ die Alte das Kleid fallen, — Lady Ava schritt durch das Zimmer, öffnete die Thür und stieß das Reitgewand mit den Füßen hinaus. Zu einer anderen Zeit würde die alte Frau in ihrer geschwätzigen Art nach der „armen Beß" gefragt haben, heute aber hielt sie ein unbe stimmtes Etwas davon zurück und bestürzt und mit entsetztem