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"°°' SonntagMM zum Pulsnitzer, Königsbrücker -c. Amts- und Wochenblatt. LolllltLA, 28. LuAUSt 1881. Äm Llrabe 8er Miller. Erzählung von H^aul Wöttcher. Alle Rechte Vorbehalten. Reichs-Gesetz vom 11. Juni 1870. (8. Fortsetzung.) Der Pakt gar geschlossen und durch Händedruck besiegelt. Wernheim hatte sich richtig in der ihm gestellten Falle fangen lassen. Er sollte erst zu der Erkenntniß kommen, als er vollständig ruinirt war. Am Abend desselben Tages trafen sich Lina und Mein hardt ebenfalls im Parke und zwar an demselben Ort, wo Vormittags Meinhardt und Wernheim zusammen getroffen waren. „Ist Alles geordnet?" fragte Lina nach vorangegangener zärtlicher Begrüßung. „Wie ist's abgelaufen?" „lieber alles Erwarten gut!" antwortete Meinhardt. „So uns Fortuna auch ferner hold bleibt, wird es uns vergönnt sein, in vier Wochen eine neue Heimath jenseits des Meeres zu haben und wir werden wieder reich sein!" „Und bist Du überzeugt, daß wir ohne Gefahr das fremde Gestade erreichen werden?" „Ich hoffe es! Unser Kind müssen wir allerdings mitnehmen, es kann unserm Fluchtplane nur förderlich sein. Wenn wir auch in einem Bahnzuge und in einem Schiff zusammenfahren, kennen dürfen wir uns während der Fahrt nicht. Denn wenn es auch möglich ist, daß man die beiden Entflohenen verfolgt, so wird man uns doch zusammenreisend vermuthen und nicht an die Einzelnreisenden, insbesondere nicht an die Mutter mit dem Kind denken. Ich halte es für rathsam, wenn Du noch heute an die Pflegerin des Kindes schreibst, daß sie sich darauf vorbcreiten könne, zu jeder Stunde das Kind zurückgeben zu müssen. Für Reise legitimationen will ich inzwischen Sorge tragen. Uebrigens brauchen wir uns nicht den Himmel so schwarz zu malen, denn Wernheim wird kaum daran denken, uns verfolgen zu lassen, weiß er doch, daß, wenn wir ergriffen werden, er mit uns fallen muß; und nicht das allein, er wäre auch gezwungen, neben der Strafe die unrechtmäßig erworbenen Reichthümer an den rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben." „Wie gut war es doch, daß wir das Dokument in die Hände bekamen," sagte Lina, „wer weiß, ob wir ohne das selbe je unser Ziel erreicht hätten." „Das ist wahr," erwiderte Meinhardt, „das Schrift stück war uns von großem Nutzen, aber ob ich es Wern heim zurückgeben werde, das ist sehr fraglich. Wenn seine Gelder flüssig sind, ziehen wir ab und übersenden einfach das Dokument Deinem Vater, damit er auch weiß, warum wir ihm von der Beute nichts abgetreten haben; er wird den sehr großen Vortheil haben, viele Nächte weniger schlaf los verbringen zu müssen, wenn ihm auch das Geld viel leicht lieber gewesen wäre." Die unnatürliche Tochter lachte noch zu dem satanischen Einfall ihres Geliebten, dem sie auch darin ihre Zustimmung gab. Nachdem die Beiden noch einiges über ihren sauberen Plan verabredet hatten, trennten sie sich mit einem herz lichen Gute Nacht, wobei Meinhardt noch einmal der Löhr die Warnung zurief, für die Mitnahme des Kindes Sorge zu tragen, sonst würde er auch sie im Stich lassen. Die Liebe zu ihrem Kinde fesselte die Beiden und es war wohl auch das Einzige, was man ihnen Gutes nachrühmen konnte. Vierzehn Tage später durchwandeln wir die Straßen Breslaus und freuen uns an dem lebhaften Getriebe dieser Stadt. In der Nähe des Ringes angelangt, bleiben wir vor einem großen, prächtig ausgestatteten Schaufenster stehen, dessen Inneres das denkbar Schönste der Damenmode zur Schau stellte. Man mußte beim Anblick dieses reich aus- gestatteten Geschäfts unwillkürlich auch an den Inhaber desselben denken und ein Blick auf die mit großen goldenen Buchstaben angebrachte Firma zeigte uns den Namen „Al win Drenker." Da wären wir wieder bei einem Derjenigen angelangt, die berufen waren, eine Rolle in unserer Erzählung zu spielen. Und in diesem Augenblick sollte es uns auch vergönnt sein, den Mann persönlich kennen zu lernen, da er gerade vor die Thür seines Ladens trat und nach Jemand auszu- schauen schien. Mehrere Vorübergehende grüßten ihn ehrerbietig, was dieser mit leichtem Kopfnicken erwiverte. Der Mann schien eine geachtete Stellung in der Gesellschaft einzunehmen, und so war es. Er verwaltete seit Jahren mehrere öffentliche Ehrenämter, wie das eines Armen- und Stiftungspflegers u. s. w. Man hielt ihn für wohlhabend und sein gewinnen des Aeußere hatte ihm bald die Herzen seiner Mitbürger zugewendet. Auf dem Antlitz des Mannes, der nahe an die Sechszig sein mochte, spiegelte sich eine gewisse Unruhe und wem es vergönnt gewesen wäre, ein Blick in sein Inneres zu thun, der wäre entsetzt zurückgewichen. Es bestätigte sich auch hier das Sprichwort: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt." Er lebte schon seit vielen Jahren als Wittwer und er hatte bereits zu Lebzeiten seiner Frau, noch mehr aber nach dem Tode derselben ein so luxuriöses Leben geführt, daß die Einkünfte seines Geschäfts unmöglich seinen Bedarf decken konnten. Kein Wunder, wenn seine Tochter in denselben Fußstapfen wandelte. Drenker hatte sich in den letzten Monaten mehr und mehr von dem gesellschaftlichen Leben fern gehalten, denn die vielen öffentlichen und geheimen Lustbarkeiten, sowie die vielen heimlichen Spielhöllen hatten kolossale Opfer gefordert und viele ihm anvertraute Kapitalien, wie Mündelgelder und dergleichen waren von dem Strom seiner Verschwend ungssucht mit fortgerissen. Das glänzende Gebäude mußte binnen kurzem über ihm zusammenbrechen und tiefe Falten der Sorgen hatten sich auf seiner Stirn gelagert. In der letzten Zeit hatte er deshalb etwas einge schränkter gelebt und er hatte sich sogar entschlossen, ein fein möblirtes Zimmer von seinen vielen Räumlichkeiten abzu treten, welches ein junger Mann nun seit beinahe einem Monat bewohnte. Sein Miether war ein stiller ruhiger Mann, der vom Lande in die Stadt gezogen war, um ein ihm vom Staat anvertrautes Amt zu versehen. Aber er