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Frankreich und Italien. Ein düsterer Schatten ist seit wenigen Tagen au die ohnehin schon gespannten Beziehungen Frankreichs und Italiens gefallen, in Marseille, der großen fran zösischen Hafenstadt, haben Franzosen und Italiener sich mehrere Tage hintereinander bekämpft. Den Anlaß da zu soll das höhnische Pfeifen mehrerer Italiener beim Einzuge der aus Tunis zurückkehrenden französischen Regimenter in Marseille gegeben haben, nach anderen Mittheilungen wäre die Ursache des Tumults das ab lehnende Verhalten des italienischen Nationalclubs, der beim Einzüge der „siegreichen" französischen Truppen in Marseille keine Fahnen gezeigt hatte, gewesen. Darau ist es nun am 18. 19. und 20. Juni fürchterlich in Marseille zugegangen. Der schon seit der großen fran zösischen Revolution berüchtigte Marseiller Pöbel unter nahm unter der Führung patriotischer Fanatiker eine systematische Verfolgung aller in Marseille lebenden Italiener. Die Italiener wurden überall, wo man ihrer habhaft werden konnte, auf den Straßen, in den Restau rants u. s. w. angegriffen, schmählich durchgehauen, mit Füßen getreten und auf andere Arten mißhandelt. Viele Italiener schleppte man sogar nach dem Hafen, in der unverkennbaren Absicht, sie in's Meer zu werfen. Glück licherweise mischte sich noch rechtzeitig die Polizei und das Militär ein und verhütete größeres Unglück. An den beiden darauffolgenden Tagen nahmen die schwer beleidigten Italiener aber an den Franzosen Rache, zu mal die Letzteren ebenfalls noch kampflustig waren. Die Franzosen kämpften mit Stöcken und Steinen, die hitz köpfigen Italiener griffen aber zu Dolch und Pistolen. Ganze Banden Italiener durchzogen verschiedene Stadt viertel und stießen alle diejenigen nieder, die mit ihnen anbinden wollten, acht Todte und vierzig Verwundete wurden in die Hospitale gebracht und im Ganzen wird sich die Zahl verdoppelt haben. Diejenigen Italiener, welche sich in ihren Häusern angegriffen glaubten, ver- theidigten sich mit Revolverschüfsen und goßen brennen des Oel auf ihre Angreifer herab. Durch Aufbietung der Polizei und zahlreicher Truppen ist seit dem 21. die Ruhe so ziemlich wieder hergestellt, aber an jedem Tage können die niedrigen nationalen Leidenschaften wie die Lava aus dem feuerspeienden Berge zwischen den Fran zosen und Italienern wieder ausbrechen. Die französischen Behörden und italienischen Consulate geben sich allerdings große Mühe, die häßliche Affaire zu verwischen und auch die Cabinete von Paris und Rom wünschen den Mar seiller Krawall nicht zum Gegenstand eines Notenwechsels zu machen, aber Niemand kann sich verhehlen, daß der Tumult in Marseille ein Product der tiefen Verstimm ung ist die zwischen der französischen und italienischen Nation seit einigen Jahren Platz gegriffen hat, und des halb ist die Marseiller Affaire von großer politischer Tragweite. Die Regierungen beider Länder mögen sich so höflich behandeln, wie sie wollen, aber die Nationen stehen sich von jetzt ab entschieden feindselig gegenüber. In der ganzen italienischen Presse hallt es wieder von der Schmach, welche Italien von den Franzosen erlitten habe: „Unsere Wappen haben die Franzosen zerrissen und unsere Brüder mißhandelt, der Tag der Rache wird kommen," schreiben die italienischen Zeitungen und fran zösische Blätter verlangen, daß die Gesetze das Land von den „ausländischen Thieren" säubern möchten, denn die Italiener hätten die französische Gastfreundschaft ver wirkt. Eine Jtalienerhetze ist bei dem leidenschaftlichen Eharacter der Franzosen also zur Wahrscheinlichkeit ge worden. Verlangt man doch schon offen von allen fran zösischen Fabriken und Geschäftshäusern in Marseille, ihre italienischen Arbeiter und Gehülfen zu entlassen. Dies wäre ein verhängnißvoller Schritt der Entfremdung der französischen und italienischen Nation, und die Italiener, welche ebensolche Hitzköpfe und fanatische Hasser wie die Franzosen sind, dürften sich in ihrem Lande bald nach Repressalien umsehen. Jedenfalls exi- stirt eine aufrichtige Freundschaft zwischen Frankreich und Italien zur Zeit nicht mehr und wenn auch nicht zu fürchten ist, daß beide Nationen sich nach einer krieger ischen Revanche sehnen, so wird wahrscheinlich die Ent wickelung der beiden großen romanischen Völker doch nicht ohne Einfluß auf die politische Entwickelung der künftigen Zeit sein. Italien, welches in den Mitttelmeer- fragen und der tunesischen Affaire von Frankreich von oben herabbehandelt und durch den Marseiller Tumult an seiner nationalen Ehre geschädigt wurde, wird wohl endgültig auf einen engeren Anfchluß an Frankreich verzichten und sich nach besseren Bundesgenossen umsehen. Zeitereignisse. Pulsnitz. Am 23. Juni c. Nachmittags kurz nach 6 Uhr brach in Bischheim in der dem Bildhauer Kunath in Kamenz gehörenden, von dem Fleischer Bulling er- pachteten Schankwirthschaft auf dem Bodenräume Feuer aus und es brannte der Dachstuhl des zweistöckigen mit Ziegel gedeckten Wohnhauses aus. — Bereits am 14. Juni c. Nachmittags brannte von diesem Grundstücke das Stallgebäude und die Scheune aus. In beiden Fällen vermuthet man Brandstiftung. Pulsnitz, 24. Juni. Kommenden Sonntag be absichtigt die Künstlergruppe des Herrn Major aus Dresden hier ein zweites Concert mit neuem Programm zu geben. Da die künstlerischen Leistungen dieser Herren überall verdienten Beifall gefunden, so ist zu hoffen, daß dieses Concert ebenso zahlreich besucht werden wird, wie das erste. Königsbrüst, 19. Juni. Heute Nachmittag fand auf dem hiesigen Turnplätze die 3. Vorturnerstunde des Turngaues der nördlichen Oberlausitz statt, an welcher aus den Vereinen Kamenz, Pulsnitz, Großröhrsdorf, Schwepnitz, Ohorn, Bischheim und Königsbrück circa 50 Vorturner und Turner theilnahmen. Nach Vorführung der für das Kamenzer Gauturnfest bestimmten Freiüb ungen wurde in zwei Riegen am Reck und Barren ge turnt. Hieran schloß sich eine Besprechung auf dem Schützenhause, in welcher sich die Vereine unter Anderem einstimmig dahin aussprachen, den Sonnabend gegen Abend in Kamenz einzutreffen und, wenn möglich, all seitig in turnerischer Festkleidung zu erscheinen. Mit einein herzlichen „Auf Wiedersehen in Kamenz" schloß Herr Gauturnwart Senf-Großröhrsdorf die Sitzung und eilte man bald hierauf der Heimath zu. — Nach dem durch Verordnung vom 7. laufenden Monats die Vornahme der Ergänzungswahlen für die Zweite Kammer der Ständeversammlung angeordnel worden ist, hat das Ministerium des Innern in Gemäß heit Z 41 des Gesetzes, die Wahlen für den Landtag betr., vom 3. December 1868, u. a. die nachgenannten Wahlcommissare ernannt und zwar: für den 3. Wahl kreis des platten Landes den Regierungsaffessor von Mayer zu Zittau; für den 8. Wahlkreis des platten Landes den Amtshauptmann von Zezschwitz zu Kamenz. — Ein schönes Beispiel von Ehrlichkeit wird aus Zittau gemeldet: Ein in seinem Aeußeren ziemlich her untergekommener Handwerksbursche sprach in einem dort igen Geschäft um eine Gabe an und der Ladeninhaber, welcher viel Kunden zu bedienen hatte, griff hastig in das Fach mit Kupfermünzen und gab dem Ansprechenden, wie er glaubte, ein neues Zweipfennigstück. Nach kurzer Zeit kommt der Handwerksbursche wieder und legt ein blankes — Zehnmarkstück auf die Ladentafel, „das er doch wohl blos aus Versehen erhalten habe". Der Meister war ganz erstaunt, ein so dürftig aussehender Bursche doch so ehrlich! Mit einem besseren Rock, reiner Wäsche, reichlich gesättigt und außerdem noch mit einem reichlichen Geldgeschenk versehen, wurde der Handwerks bursche entlassen. Großenhain. Die Arbeiter des Gutsbesitzers Ernst Krätzschmar in Treugeböhla sind am 16. Juni in der Gemeindegrube auf ein Vraünkohlenlager gestoßen, dessen Mächtigkeit noch nicht ermittelt ist. — In diesem Jahre trägt die zur Uebung einbe- rufene Landwehrmannschaft zum letzten Male den alten sächsischen Czako, denn schon im nächsten Jahre soll dieser durch den bei den Linientruppen gebräuchlichen Helm, die Decoration desselben jedoch mit dem Land wehrkreuz versehen, vertauscht werden. — Bestrafung eines Kurpfuschers. Auf Antrag wurde am 17. Mai in Dresden der Barbier Lübeck« aus Bergen bei Falkenberg im Voigtl., der sich ver schiedenen Personen unter allerlei Vorspiegelungen zur Heilung von Krankheiten angeboten und gegen Bezahl ung Arzneimittel theils verschrieben, theils besorgt hatte, wegen Betruges, unerlaubter Ausübung der Heilkunde und Uebertretung der Verordnung vom 4. Jan. 1875 zu einer Gefängnißstrafe von 2 Jahren 4 Monaten und 3 Jahren Ehrverlust v.rurtheilt. — Ein in der Hasenhaide bei Berlin wohnender Gärtner hatte vor Jahr und Tag mit einem Blumen freund gewettet, daß einer seiner Rosenstöcke, ein wohl 30 Jahre altes Exemplar, in diesem Jahre 10,000 Knospen tragen werde. Jetzt ist die Wette entschieden, denn der betreffende Rosenstock trägt nahezu 11,000 Blüthen. — Die mit Gas gefüllten Gummiballous haben in Berlin abermals einen Unglücksfall herbeigeführt. Am vor. Sonntag trat ein Mann aus einem Hause der Brunnenstraße, als ein Händler mit einer Anzahl jener Ballons vorbeipassirte. Ein Windstoß trieb die an einem Bindfaden gehaltenen Ballons dem Heraus tretenden ins Gesicht, wo an der brennenden Cigarre des Mannes erst ein Ballon und dann die übrigen explodirlen. Der Mann wurde dabei so bedeutend am inken Auge verletzt, daß die Sehkraft desselben nach ärztlichem Ausspruch für immer verloren ist, auch erlitt er erhebliche Brandwunden im Gesicht. — Der Kanaltunnel. Ob wohl jemals der Silber- Ireifen, Englands Sicherheit und Stolz zu den Dingen ser Vergangenheit gehören wir^? Ob man im Laufe der Zeit trockenen Fußes und ohne Schiff an Englands Küste zu landen im Stande sein wird? Allem Anschein nach müssen di se für Großbritannien unendlich wichtigen Fragen bejahend beantwortet werden. Denn „kommen sehen wir den Tag", da das Dampfroß unter den stürmischen Wogen des Kanals sausend dahineilen wird. Die Ingenieure, diese Nimmersatts der Gegenwart, sind bereits hart am arbeiten ; sie bohren und graben mit Ameisenfleiß auf beiden Seiten des Kanals und schon am 18 d. konnte der Direktor der südöstlichen Eisenbahn den Aktionären ankündigen, daß die gegründesten Hoff nungen des Gelingens des gewaltigen Unternehmens vorhanden seien. Die Felsschichten unter vem Meeres boden bestehen aus hartem wasserdichten Gestein, und wenn, wie die Ingenieure berechnen, in jedem Jahre 2 Meilen gebohrt werden können, so ist bei gleichzeitiger Arbeit von beiden Seiten aus die Aussicht vorhanden, den Tunnel in 5 Jahren vollendet zu sehen. Adieu dann Seekrankheit, doch auch Adieu insulare Abgeschlossen heit Englands. Eingesandt. Aus dem 8. ländlichen Wahlkreis. Der landwirthschaftliche Verein zu Königsbrück, veran laßt von den, sich constituirten Wahlcomitee, erlaubte sich den Herren Wählern des 8. Bezirkes Herrn Bürgermeister Heinze von Königsbrück als Candidat zur bevorstehenden Landtagswahl vorzuschlagen. Zu diesem Vorschläge entschloß man sich nur nach längerem Zögern, nachdem aus der Um gebung von Kamenz — dem Centrum unsres Wahlkreises — die Kunde zu uns drang, daß dort immer und immer wieder der zeitherige Vertreter des Kreises, Herr Gutsbe sitzer Beeg, vorgeschlagen werden sollte, dessen Abgeordneten- thätigkeit in hiesiger Gegend seit langen Jahren nicht be friedigte, weshalb man schon seit mehreren Wahlperioden erwartete, die Herren Wähler aus dem Bezirkscentrum würden sich aufraffen und den entfernter wohnenden Wählern einen geeigneteren Candidaten präsentiren. — Leider hat nun unser Vorschlag den Unwillen eines Herrn Anonymus in so hohem Grade erregt, daß er nicht umhin konnte, in mehreren Nummern der Kamenzer Wochen schrift, Nr. 41, 43 und 44, durch unbegründete, mitunter ganz abgeschmackte Schmähungen unseres Herrn Candidaten sich Luft zu machen. Wenn der Herr Anonymus z. B. Herrn Bürger meister Heinze als sogenannten „Streber" darstellt, der durch unsere Beihülfe in den Himmel, in seinen Himmel, zu steigen beabsichtige, so sollten wir meinen, daß dies gewiß eine Em pfehlung für unsern Herrn Candidat ist; er wird dann eben bestrebt sein, die Herren Wähler des Kreises durch seine land ständische Thätigkeit voll und ganz zu befriedigen. — Sind nicht wir Wähler und ist nicht überhaupt ein Jeder „Streber"? Jedermann soll streben, seinen Besitz und seinen Wirkungskreis zu vergrößern und thut er es nicht mit unrechten Mitteln, so gereicht ihm dies nicht zum Vorwurf sondern blos zur Ehre. Wir Landwirthe sind auch Streber, wir sollen und müssen es sein und Herr Anony mus wird, wie wir in seinem Interesse vor der Hand an nehmen wollen, wohl auch einer sein, wenn er nicht etwa bereits auf seinen Lorbeeren und Besitz ausruht. Wenn Herr Anonymus weiter die Verdächtigung ausspricht, Herr Bürgermeister Heinze habe sich selbst als Candidat aufge stellt, habe das Wahlprogramm selbst ausgearbeitet, so hat in ersterem Falle der Vorstand des landwirthschaftlichen Vereins zu Königsbrück in Nr. 43 der Kamenzer Wochen schrift längst diese Behauptung als unwahr zurückgewiesen, während bezüglich der zweiten Verdächtigung — Selbstauf stellung des Wahlprogramms — das in unseren Händen befindliche Concept den Herrn Anonymus Lügen strafen wird. Auf die weiteren Schmähungen und giftigen Aus lassungen des Herrn Anonymus: Größenwahn, Bescheiden heit re. einzugehen, halten wir unter unsrer Würde. Der artige Giftmicheleien und Verdächtigungen können weder uns noch unsern Candidaten besudeln, sie zeigen nur, wes Geistes Kind der Herr Anonymus ist. Wir unsrerseits halten es vielmehr für unsre Pflicht, den Herren Wählern die zeit herige Thätigkeit unsres jetzigen Herrn Abgeordneten vor Augen zu führen, um dadurch zu begründen, warum wir Wähler in hiesiger Gegend wünschen, die Bezirksvertretung einer geeigneteren Persönlichkeit anvertraut zu sehen. — Die Thätigkeit der Herren Landstände kann in drei ver schiedenen Richtungen sich Geltung verschaffen und zwar: in den Deputationssitzungen, in den Kammerverhandlungen und beim Abstimmen. Nehmen wir die Mittheilungen des letzten Landtages 1879—1880 zur Hand und betrachten die Thätigkeit unsres Herrn Abgeordneten Beeg, so finden wir, daß er nach 22jähriger Landständischer Thätigkeit in keine der 5 Deputationen gewählt worden ist. Diese Nichtwahl nach 22jähriger Thätigkeit ist um so auffälliger, wenn man bedenkt, daß in jede der 5 Deputationen 10 der Herren Landstände, mithin 50 der Herren zu wählen sind, die zweite Kammer 80 Mitglieder im Ganzen zählt, von denen Vo, «lso 26—27 bei jeder Ständeversammlung neu einzutreten hat. AuS Vieser Nichtbeachtung unsres Herrn Abgeordneten bei den erwähnten Deputationswahlen nach 22jähriger Mit gliedschaft ersehen wir, daß die Herren Landstände auf eine Thätigkeit desselben in den DeputattonS- sitzungen verzichteten. — Suchen wir in den Landtags- mittheilungen die Beeg'sche Thätigkeit bei den Kammer- sitzungen, so finden wir, daß genannter Herr während des ganzen Landtages in 7 verschiedenen Sitzungen an den Debatten sich betheiligte. Nehmen wir von diesen 7 Sitz ungen Eine weg, in welcher er sich wegen Abschätzung des von ihm, angeblich zu hoch, taxirten Rittergutes Prietitz zu vertheidigen hatte, so füllen seine sämmtlichen Reden in den übrigen 6 Sitzungen genau 113'/,, Zeilen der Landtags- mittheilungen aus und zwar: Seite 207, 2 Reden 17 Zeilen „ 601, 1 „ 731, 1 „ n „ „ 733, 1 „ 12 „ 784, 1 „ 12 „ „ 785, 1 „ 4V. „ „ 957, 1 „ UV« „ „ 1030, 1 „ 50 V» „ Sa. 113'/» Zeilen. Eine jede Seite der Landtagsmittheilungen enthält 53x2, mithin 106 solcher Zeilen und ist daher die ganze Thätigkeit des Herrn Beeg auf dem letzten Land tage eine so geringe und so kleine, daß dieselbe aus einer Seite und 8 Zeilen der LandtagSmitthetl- ungen befcheidea Platz finden konnte.