Volltext Seite (XML)
Montag, den 25. April 1881 Biehmarkt in Königsbrück. Benjam. Disraeli, Lord Beaconsfield Am Dienstag ist Benjamin Disraeli, Lord of Be aconsfield im sechsundsiebzigsten Lebensjahre an einer schweren Erkältungskrankheit in London dahingeschieden. Schwer wird es uns, auf dem Raume eines kurzen Ar tikels das wunderbare Leben und Wirken dieses großen englischen Staatsmannes, Dichters und Schriftstellers zu würdigen. Einzig und allein steht wohl die Laufbahn Benjamin Disraeli's da und dieselbe verdient in großen Werken, dem verblichenen Helden zum Ruhme, der Nach welt zum erhebenden Vorbild, geschildert zu werden. Disraeli entstammt einer jüdischen Familie, welche in früheren Jahrhunderten in geachteten Verhält nissen in Spanien lebte; wegen religiöser Verfolgungen floh diese Familie nach Venedig und nahm dort zum ewigen Angedenken an ihre israelitische Abstammung den Namen Disrael (von Israel) an, trat aber gleichzeitig zum Christenthum über. Der Großvater des englischen Staatsmannes Benjamin Disraeli, der Kaufmann Benjamin Disraeli, fiedelte im Jahre 1748 von Venedig nach England über und erwarb sich auch dort eine ge achtete Stellung. Der Sohn dieses Benjamin Disraeli und Vater des Staatsmannes, Isaak Disraeli, wurde nicht Kaufmann, fondern widmete sich mit Eifer und Talent der Literatur und erwarb sich den Namen eines berühmten englischen Literalurhistorikers. Als der Sohn dieses Literaturhistorikers wurde Benjamin Disraeli, der nachmalige berühmte englische Staatsmann und Dichter, am 21. December 1805 geboren. Benjamin Disraeli war in seiner Jugend mehrere Jahre als Kaufmann thätig, doch bald regte sich in ihm der Ehrgeiz und er widmete sich einige Zeit der Rechtswissenschaft, doch das trockene Studium derselben sagte seinem feurigen und idealifirenden Geiste nicht lange zu und Benjamin Dis raeli wurde Dichter und Schriftsteller. Als solcher be kundete er schon frühzeitig ein großes Talent, schon seine Erstlingswerke, Vivian Grey, the Young dukes, Venetia u. s. w. gefielen ungemein und später arbeitete er sich mit großem Geschick, dabei meistentheils seine Stoffe dem eigenen Leben und der Gegenwart entnehmend, zum be rühmten Romandichter empor; Disraeli's bedeutendste Werke sind: Coningsby, Sybil, Lothair und Endymion, den letzteren Roman veröffentlichte er wenige Monate vor seinem Tode. Wahrhaft wunderbar ist nun die politische Lauf bahn Benjamin Disraeli's. Nach einigen großen Reisen nach Spanien, Italien, Aegypten und Kleinasien trat derselbe im Jahre 1835 plötzlich als Candidat der Torys auf, fiel glänzend bei der Wahl durch und wurde Jahre lang wegen feines wunderlichen Auftretens und seiner phantastischen Reden in England verlacht und verspottet, auch dann noch, als er im Jahre 1837 Mitglied der Torypartei im englischen Parlamente geworden war. ^ls Disraeli seine erste Rede im Unterhaus? hielt, ge- brauchte er soviel seltsame Phrasen, daß die Wände von dem Spottgelächter der Zuhörer erdröhnten, aber Dis raeli sprach doch zu Ende und rief am Schluffe seiner Rede mit bebender Stimme: „Sie werden mich doch noch hören und meinen Worten folgen!" — Neues Gelächter erscholl — aber die Prophezeihung erfüllte sich. Disraeli trat mit großem Geschick und unbeugsamer Energie in den folgenden Jahren den radicalen und überstürzenden Tendenzen der Wighpartei gegenüber und erwarb sich auf diese Weise derartig das Vertrauen der stolzen eng lischen und vornehmlich die Torypartei stützenden Aristo kratie, daß diese bald Disreali als einen ihrer Führer anerkannte, ja, nach dem Tode Lord Benlimks wurde Benjamin Disraeli der erste Führer der Torypartei und erhielt dreimal das Amt eines Schatzkanzlers. Als Lord Derby im Jahre 1868 wegen Krankheit die Leitung des Toryministeriums niederlegte, trat Benjamin Disraeli an die Spitze des Cabinets, mußte aber schon nach wenigen Monaten der Wighpartei unter Gladstone Platz machen. Als aber Gladstone im Jahre 1874 die Auflösung des Parlaments vornahm, zeigte es sich, daß die Torys mehr Anhänger als die Wighs besaßen und Benjamm Disraeli wurde der Leiter der englischen Politik. Sechs Jahre hat er dieses hohe Amt glanzvoll geleitet und dem gesunt"nen Ansehen Englands im Auslande wieder neuen Glanz verschafft. Wegen seiner großen Verdienste wurde Disraeli auch von der Königin zum Grasen von Bea consfield ernannt. Gladstone hatte aber inzwischen die Opposition in England wieder derartig zur Ausdehnung gebracht, daß das englische Parlament bei den 'Neuwahlen im vorigen Jahre eine ltberal-radicale Mehrheit auswies u. Disraeli seinem alten Gegner Gladstone das Feld räumen mußte. Unvergeßlich werben aber die staatsmännischen Leistungen Disraeli's bleiben und man wird seinen Namen neben denjenigen der größten Staatsmänner Englands nennen. Tagesgerichte. Paris, 18. April. Während die letzten Nachrichten aus tunesischer Quelle nach wie vor behaupten daß der Bey die Khrumirs bewogen habe, den Franzosen keinen Widerstand zu leisten und sich außerdem bereit zu er klären, die verlangte Entschädigung zu leisten, versichern algierische Telegramme dagegen, die Tribus hätten einen Kriegsrath gehalten, in welchem die zur Unterwerfung Rathenden überstimmt und der Verzweiflungs-Krieg be schlossen wurde. Paris, 19. April. Der Bey steht im Begriffe nach der Insel Tabaraka eine Abtheilung regulärer Truppen abzusenden, welche sich einer Landung der Franzosen widersetzen soll. Man glaubt, daß eine solche Landung den Zweck haben würde, den Khrumlrs in den Rücken zu fallen. Die italienische Kompagnie Rubattio befördert die tunesischen Truppen. Bis zum Beginn der Feind seligkeiten kann noch eine Woche vergehen. Auch die offiziösen Blätter, wie der „Voltaire", fangen an einzu sehen, daß der Krieg gegen die Khrumirs sehr schwierig, gefährlich und langwierig sein dürste. Die Franzosen kennen das Terrain nicht. Die Kosten der Expedition werden 50 Millionen Francs betragen, sagt der „Siecle". Der gambettistische „Gaulois" veröffentlicht eine Petersburger Korrespondenz über Rußlands äußere Politik. Man solle — heißt es darin -- nicht die Antipathie des Zars gegen die Deutschen und dessen Vorliebe für die Franzosen übertreiben. Der Zar Haffe nur die deutsche Beamtenschaft. Eine Allianz mit Frankreich sei in russischen Hofkreisen wegen Frankreichs republikan ischer Verfassung nicht beliebt. Ein Großfürst äußerte sich kürzlich folgendermaßen: „Mit wem sollen wir eine Allianz schließen? Vielleicht mit Gambetta, weil er als Grevy's Nachfolger bezeichnet wird? Nennen Sie einen Namen, der mit dem des Zars gl ichbedeutend wäre." Augenblicklich sei eine russisch-deutsche Annäherung vor handen, aber wenn Rußland wieder in die Bahn fried licher Entwickelung eingetreten sein werde, so werden es seine äußeren Interessen nöthigen, gegen die von Bis marck am Balkan ausgestellte Avantgarde Oesterreichs Stellung zu nehmen. Das Kabinet von Berlin werde dann zwischen Petersburg und Wien wählen müssen. Zeitereignisse. Königsbrück. Dem Vernehmen nach wird im 8. (ländlichen) Wahlbezirk Herr Bürgermeister Heinze als Candidat für die Landtagswahl ausgestellt werden. Königsbrück, 21. Aprit. Abermals sind die Be wohner unseres freundlichen Städtchens zwei Tage hinter einander durch Feuerlärm in Schrecken versetzt worden. Während unsere Feuerwehr am 19. d. M. Nachmittag Uebung abhielt, brannte an der Schmorkauer Straße, 11 Minuten von der Stadt, ein ca. 4 Acker enthaltende, 8- bis 15jähriger dem Grafen Wilding gehöriger Holzbestand nieder. Dem schnellen, kräftigen Em- grelfen der Feuerwehr sowie anderen hülfreichen Be wohnern ist es gelungen, ein Weitergreifen zu verhindern. Am 20. d. M. Abends nach 9 Uhr ertönte wieder die Sturmglocke und brannte das dem Bergbesitzer Lotzmann gehörige Besitzthum vollständig nieder. Nicht nur, daß dessen Mutter, seit Jahren ein Bild des Jammers, krank darniederliegt und aus dem wüthenden Elemente ge tragen werden mußte, hat derselbe, ohne versichert zu haben, seine ganze Habe vollständig verloren. Dank der rührigen Thätigkeit unserer Feuerwehr, sowie den mit ihren Spritzen herbeigeeilten Mannschaften benachbarter Dörfer, daß die ungefähr 10 Ellen danebenstehende und ebenfalls mit Stroh gedeckte Wirthschafl, auf welche die Helle Gluth zutrieb, nicht auch ein Raub der Flammen wurde. Da sich nun in beiden Fällen wieder Brand stiftung vermuthen läßt, so herrscht unter sämmttichen Bewohnern nur Angst und Entsetzen, und ist zu wünschen, daß diese Uebelthäter sich vor Gott bekehrten, und mit sich selbst, vornehmlich aber mit ihren Nebenmenschen endlich einmal Friede machten. — Wie gern man auch in unserem Königsbrück den süßen Klängen der edlen Musik lauscht, das bewies wiederum der zahlreiche Besuch des ConcerteS, das, aus- gesührt von der Künstler-Gruppe Major aus Dresden, am 1. Osterfeiertage im restaurirten Saale des Königs brücker Schießhauses stattfand. „Von allen Enden kamen sie", sogar viele Einwohner unserer sonst so concert- reichen Schwesterstadt Pulsnitz eilten herzu. Wenn man so schon in Bezug auf Concertbesucher, noch mehr -Besucherinnen, ausrufen mochte: „Welch reicher Himmel, Stern bei Stern", so ganzbesond-rS bei Durchsicht des präch tig ausgestatteten Programms. Da prangten die Namen: Weber, David, Mendelssohn, R. Wagner, Reinecke, Kretschmer. Die schönste Abwechslung versprach das Programm auch insofern, als darauf Trios, ein Violin- solo, Vorträge auf dem Bandonion (einem Instrumente, das äußerlich der Ziehharmonika ähnelt, um seiner schönen vollen Töne willen aber lieber mit der Orgel verglichen werden könnte) auf Streich- und Schlagzither, ein Cellosolo, ein Streichquartett u. s w. angekündigt waren. Die Erwartungen, mit denen wir dem Concert entgegensahen, waren deshalb keine geringen, aber die Ausführungen der Künstler übertrafen sie bei weitem. Das höchste Lob gehört wohl dem Violinsolisten, der das Concert von David mit überraschender Fertigkeit und Schönheit zum Ausdruck brachte. Auf dem Ban donion wurden Mendelssohns Frühlingslied und ein Potpourri mit großer Bravour vorgctragen. Der reiche Beifall, den ferner die Zithervorträge, die Vorführung der Jubelouverture, der Ouvertüre zum Freischütz und des Marsches aus den Folkungen (als Trios) und alle übrigen Leistungen ernteten, bekundete zur Genüge die große Befriedigung des Publikums über das Gehörte. Nur der Flügel redete zuweilen recht mürrisch darein, wohl aus Neid darüber, daß seine Kolleginnen Violine, Cello, Zither rc. in so hohem Maße die Begeisterung der Zuhörer erweckt hatten. Dem Spieler gedachten Instruments sei dabei nicht im Geringsten zu nahe ge treten. Das einzige unbehagliche Gefühl, das sich beim Verlaffen des Saales geltend machte, war, daß unserm Königsbrück ein solcher Genuß so gar selten zu Theil wird. —0— Dresden, 16. April. Wegen des Raubmordes an dem pens. Kammerdiener Straßburger setzt der Königl. Ober-Staatsanwalt mittelst Plakates eine Belohnung von 1000 für die Entdeckung des Thäters aus und giebt eine genaue Beschreibung der geraubten goldenen Kette und Uhr. Die Nummer des für die Uhr an die zwei Knaben verabreichten Leihhausscheines ist 8978. Die dem gemordeten Straßburger gehörige goldene Kette, welche bisher nicht ausfindig gemacht werden könnt/, wurde heute bei einem hiesigen Pfandleiher vorgefunden, doch stimmt die erfolgte Beschreibung nicht ganz mit der mit Beschlag belegten. — Anläßlich seines diesjährigen Geburtstages hat Se- Majestät der König dem Direktorium von Sachsens Mililär-Vereinsbunde 600 zur Vertheilung an hilfs bedürftige ehemalige Soldaten überwiesen. Dresden. Gestern Nachmittag wurden die sech- neuen Fahnen für die Regimenter 133 und 134 dazu von Zwickau und Leipzig hierher beorderten Militär- deputationen übergeben. Die Fahnen werden nächsten Sonnabend den 23. d. den neuen Regimentern am Ge burtstage Sr. Maj. des Königs feierlichst einverleibt werden. Zu der gestrigen Uebergabe waren je ein, Ehrenkompagnie mit den Regimentsmusiken der beide» Grenadierregimenter zum Chemnitzer resp. Leipziger Bahnhofe ausgerückt und wurden die Fahnen dort von den Herren Offizieren unter Sang und Klang über nommen. Die neuen Banner sind nach dem gleich mäßigen Muster der anderen Regimenter in schwerer Seide gestickt und tragen je die betr. Bataillonsnunmicr» und Farben, in der Milte die sächsische Raute mit ViMi in boUo. Sc. Maj. der König hatte vorher höchsteigen händig die üblichen goldenen Ehrennägel in die Fahnen stangen geschlagen. Zu diesem Zwecke rückte gestern Mittag die erste Kompagnie des Leib-Grenadier-Regi ments im großen Parade-Anzuge unter Führung ihres Chets, des Herrn Hauptmann v. Brück unter klingendem Spiel von der Albertstadt nach dem Kgl. Schloß, um alsdann aus den Händen Sr. Maj. des Königs die Fahnen in Empfang zu nehmen und an die Königliche Kommandantur weiter zu befördern. Nachdem die Kompagnie sich im inneren Schloßhofe aufgestellt hatte, erschien Se. Maj., gefolgt von den Fahnenträgern nüt den neuen Fahnen, ging die Front der Kompagnie ab und übergab im Beisein des Kriegsministers und anderer hoher Militärs die Fahnen an die Kompagnie, Welche nun vor Sr. Maj. defilirte und dieselben an die Koman- oantur abführte. Die sämmtliche musterhafte Stickerei und Goldausstattung der neuen Feldzeichen hat, wie immer, die Fabrik des Herrn Hoflieferant Westmann ge- lrefert. Berlin. Eine Kaiserliche Ordre bestimmt, daß das erste brandenburgische Ulanen-Regiment, welches bisher in der preußischen Armee den Namen der Kaisers Alexander II. führte, denselben für alle Zeiten beibehalten soll. Unserm allverehrten König Albert von Sachse« am 53. Geburtstage gewidmet. Es grüßt heut' wiederum mit lauten Preisen, Dein treues Volk, 0 König, diesen Tag! Hell jubelt es die allen frohen Weisen Der Sachsenlieder zu des Herzens Schlag! Und auf zum Himmel tönt das schöne Wort: Gott schütze Albert, Sachsens Stolz und Hort! Stets mahnt der Frühling Deiner zu gedenken; Denn all' der Bäume hoffnungsvolles Blüh'n, Es will den Blick der Sachsenherzen lenken Auf unsre Landesfarben: Weiß und grün. Es mahnt der Fluren freud'ges Ausersteh'n, Mit Sang und Klang Dein Wieg'fest zu begeh'». Stets warst Du uns der edelste Berather Dein treues Wirken galt nur uns allein! Drum wollen heut' wir Dir, dem Landesvater, Die herzlichsten der Segenswünsche weih'«. Und auf zum Himmel steige ein Gebet, Das Glück für unser Königshaus erfleht.