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war ihm geweiht. Sie hatte sich oftmals vorgenommen/ ihn zu vergessen, da sie ihm ja doch nicht angehören konnte. Tiber vergebens! Brennender, verzehrender nur erwachte dann die Sehn sucht nach dem Geliebten in ihrem Herzen und das ganze tiefe Weh entsagungsvoller Liebe wurde auf's Neue lebendig in ihr, bis sich der qualvolle Schmerz in Thränen auflös'te und sie nach herbem Ringen endlich zur Ruhe gelangte. Arme Minnie! Auch jetzt, während sie so am Fenster stand und in den Abend hinausblickte, überkam sie wieder das alte, un sägliche Weh. Thräne auf Thräne rann über ihre Wangen. Weßhalb hatte Alles so kommen müssen? Sie sank nieder auf die Kniee, ihr Haupt lehnte auf der Fensterbrüstung und ein inbrünstiges Gebet für Robert stieg aus ihrem Herzen zu Gott empor. Hätte sie ahnen können, welche Gefahr den Geliebten in dieser Stunde bedrohte und welches Unheil ihr selbst bevorstand, es hätte ihr keine Ruhe gelassen in diesem Hause; sie würde hinausgeeilt sein in die Nacht, und so weit, wie ihre Füße sie nur zu tragen vermocht hätten, um jetzt, wo es noch Zeit war, einem vernichtenden Schlage zu entgehen. Der Mond war inzwischen langsam am Himmel herauf gezogen und überstrahlte mit seinem märchenhaften Schimmer den Garten. Tiefe, feierliche Stille herrschte ringsumher und die wohlthuende Ruhe der Nacht hauchte sanften Frie den in Minnie's gemarterte Seele. Sie erhob sich und schloß das Fenster, um sich zur Ruhe zu begeben. Da plötzlich schien es ihr, als höre sie in der Nähe des Zimmers ein Geräusch. Sie lauschte athemlos und von Furcht ergriffen; befand sie sich doch ganz allein auf dieser Seite des großen Hauses. Jetzt hörte sie es wieder. Es klang wie ein leiser, schlürf ender Schritt, aber nicht an der Seite, an welcher die ver schlossene Thür belegen war, sondern an der gegenüberliegen den Wand wurde das Geräusch hörbar. Und dennoch wußte sie bestimmt, daß sich hinter dieser Wand kein Zimmer befand. Ein heftiges Zittern durchlief Minnie's Gestalt; tiefes Grauen hatte sich ihrer Seele bemächtigt und unwill kürlich richteten sich ihre Augen auf das andereinen Wand befindliche lebensgroße Bild. Da, — was war das? Die Wand bewegte sich. Ein Theil des Bilves war zurückgewichen, eine Oeffnung in der Wand wurde sichtbar und eine in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt zeigte sich den Blicken des jungen Mädchens. „Allmächtiger Gott!" schrie Minnie aus, während sie zurücktaumelte und, von Schrecken überwältigt, gleich darauf kraftlos zusammenbrach. 32. Kapitel. - , Me erste Spur von Nessa. Wahrend die Banditen mit den Begleitern des Thier bändigers Sem gerungen, hatte sich, unbemerkt von den Kämpfenden, ein drittes Fahrzeug dem Boote Sem's ge nähert und traf gerade im entscheidenden Moment an dem Kampfplatze auf dem Red River ein, um dem schwer be drohten Thierbändiger zu Hülfe kommen zu können. Robert, denn er war es, welcher sich in dem neu hin- zugekommcnen Boote befand, nahm jetzt vereint mit dem Thierbändiger den Kampf gegen die Banditen auf Ein wohlgezielter Schuß Robert's machte einen derselben, wie vorher den Anführer, widerstandsunfähig. Sem kämpfte indessen mit einem der anderen Piraten, aber der Thier bändiger war diesem an Kraft überlegen; von einem wuch tigen, unerwarteten Schlage getroffen, taumelte der Bandit plötzlich zurück, verlor das Gleichgewicht, stürzte über Bord und gleich darauf schloffen sich die dunklen Wasser des Red Rivers über ihm. Der Vierte hatte sich, als er seinen Gefährten stürzen sah, Robert zugewendet. Mit Sem's Hülfe gelang es diesem, seinen Gegner zu überwältigen und zu knebeln. Das gleiche Schicksal ereilte die andern beiden verwundeten Räuber. „Seht, Massa," rief plötzlich einer der Neger in dem neu angekommenen Boote; „dort kommt ein Kopf zum Vor schein." Es war der Kopf des während des Kampfes in den Strom gestürzten Flußpiraten. Während Aller Blicke in der angedeuteten Richtung auf den Fluß hinaussahen, tauchte ein zweiter, unförmlicher Gegenstand aus dem Wasser hervor. „Ein Krokodil," riefen die Neger entsetzt aus. Der Kopf des Unthieres verschwand wieder unter dem Wasserspiegel. Gleich darauf stieß der Pirat einen furcht baren Schrei aus. Sein Körper schnellte empor und versank im nächsten Moment. Ein Blutstrom färbte in einiger Entfernung die Ober- läche des Wassers purpurroth. Sem blickte düster in die Wellen des Stromes. „Und das Alles um rothes Gold!" murmelte er vor sich hin. Dann wandte er sich Robert zu. „Sir," sagte er, indem er die Hand desselben ergriff, „ich danke Ihnen. Sie haben mir das Leben gerettet. Ich bin Ihnen verpflichtet für alle Zeit." Die beiden Männer schüttelten sich warm die Hände und sahen einander einige Augenblicke ernst in's Angesicht. „Aber nun laßt uns nicht länger säumen; mir winkt eine Heimath, mein Freund. Sie müssen mich dorthin be gleiten," sprach Sem. Er ertheilte seine Anordnungen. Die geknebelten Pi raten wurden in das große Boot gebracht, um der Behörde ausgeliefert zu werden, ihr Fahrzeug wurde in's Schlepptau genommen. Sem stieg mit Robert in den anderen Nachen. So ruderte die kleine Gesellschaft stromaufwärts. Robert hatte die Züge des Thierbändigers forschend betrachtet. Derselbe hatte ein offenes, hübsches Gesicht, das bereits im ersten Augenblick für sich einnahm. „Nicht wahr, Sir," wandte sich Sem nach einer Pause an Robert; „Sie nehmen meine Gastfreundschaft an?" „Ja, doch unter einer Bedingung," entgegnete der junge Deutsche, „daß Sie dem Dienste, welchen ich Ihnen erwiesen habe, keine zu große-Wichtigkeit beilegen." Die beiden Männer drückten sich auf's Neue die Hände. Indessen ging die Fahrt immer weiter den Red River hin auf, bis die Böte endlich in eine kleine Bucht des Stromes einlenkten. „Wir sind am Ziele," rief der Amerikaner. Die Fahrzeuge hielten in einer Art von Landungsplatz. Die Paffagiere sprangen an's Ufer und während die Ge fangenen nach einem festen Gewölbe gebracht wurden, ge leitete Sem seinen Lebensretter nach dem geschmackvoll er bauten Herrenhause, wo die ganze Familie des Thierbän digers zu dessen Empfange versammelt war. Die herzlichsten Begrüßungen wurden zwischen ihm und den Seinen ausge tauscht und erst nach geraumer Weile kam er dazu, Robert seiner Familie vorzustellen. Mit aufrichtiger Begeisterung erzählte Sem den Seinen, in welcher Gefahr er sich befunden hatte, als der junge Deutsche ihm im entscheidenden Moment zu Hülfe geeilt sei.