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2714 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. k 51, 1. März 1912 leger, die mehreren Warenhäusern eines Besitzers größere Posten zu verschiedenen Preisen liefern, werden wenig Glück da mit haben. Ein äußerst wichtiges Kapitel ist die Kalkulation. In den Ausführungen hierüber kann man nur bestätigt finden, was hier vor kurzem gesagt wurde, daß sie sehr gesund ist und sich streng an die Grundsätze des reellen Warenhandels hält. Also nicht, wie von Laien so oft angenommen wird, ein wildes Ver- schleudern der Ware, sondern eine genaue Berechnung mit Hilfe des auf mathematischer Grundlage für jede Abteilung festgestellten Rentabilitätsfaktors findet statt. Jeder Ver kauf der Ware zu billigerem Preise, als ursprünglich beab- sichtigt, »stellt eine schlechte Note für den Lagerchef dar«. Er steht, wie jedes Glied im Warenhause, ständig unter Aufsicht, die Geschäftsleitung muß also durch die wiederholten Kontrollen von jeder Preisherabsetzung Kenntnis erhalten und die Genehmigung hierzu vorher oder nachher erteilen. Auf der einen Seite muß er auf den Einkaufspreis der Ware die nicht unerheblichen, prozentual gerechneten Generalunkosten, die speziellen Unkosten seiner Abteilung und einen bestimmten Gewinn schlagen, alles genau mathematisch berechnet und vorgeschrieben, auf der andern Seite hat er in den Grenzen seines ihm aufgesetzten Limits volle Freiheit. Das Resultat seiner Geschäftsführung wird ihm monat lich bekanntgegeben. »Es ist nicht zu verkennen, daß die leitenden Persönlichkeiten dadurch zu einem zielbewußten Handeln nicht nur angeleitet, sondern auch angespornt werden.« Hat man dieses Buch, das dem Kenner eine gute Zusammen stellung ihm bekannter Tatsachen bietet, durchgearbeitet, so wird man den Gedanken nicht los: diese Organisation ist gesund, raffiniert durchdacht bis zum Ende, aber ohne Berücksichtigung jeder Individualität. Gleichheit, Nüchternheit, Gerechtigkeit, von allen für alle. Da muß das kleinere Spezialgeschäft einsetzen. Der Witz von dem Bauern, der zu dem ersten ihm bei Wertheim begegnenden Fräulein sagt: »Guten Morgen, Fräulein Wertheim, ich möchte wieder'n Strohhut, wie's vorige Mal«, ist mehr als ein guter Witz. So lange es noch Menschen geben wird, denen es anheimelnd klingt, wenn sie beim Betreten eines Lokals, eines Ladens durch Anrede mit Namen freundlich begrüßt werden, o lange wird die Anziehungskraft gutgeführter Spezialgeschäfte auf ein bestimmtes Publikum nicht Nachlassen. Wenn aber erst in den Warenhäusern eine Kundenabteilung eingeführt wird, an die sich die Frau Kommerzienrätin wendet, in der sie durch uni- verseile Verkäufer unter Assistenz der Abteilungsverkäuferinnen bedient wird, dann taucht eine neue Gefahr für das Spezial geschäft auf. In Hinterindien besuchte ich auf meinen Reisen Buchhand lungen, die glichen Totenkammern, Museen mit aufgestellten Särgen und Seltenheiten. Kam ich herein, so besah mich der von seinem Frühstück oder von der Lektüre eines Buches auf geschreckte Gehilfe, dessen Gesicht die Nacht gebleicht hatte, so mißtrauisch und müde, daß ich ihn wegen der Störung um Ent schuldigung bitten wollte. Wie anders in Deutschland, wo flinke, flotte, ausgeschlafene Herren jeden Kunden freundlich be- grüßen! ck?. Kleine Mitteilungen. Der Verein der Buchhändler zu Leipzig ladet in der vor- liegenden Nummer zu seiner ordentlichen Hauptversammlung auf Montag, den 11. März 1912, abends 6 Uhr, in den kleinen Saal des Deutschen Buchhändlerhauses (Eingang Portal Hl) ein. Auf der Tagesordnung stehen folgende Punkte: 1. Jahresbericht über das Jahr 1S11; 2. Rechnungsabschluß 1911; 3. Haushaltplan für das Jahr 1912; 4. Wahlen für den Vorstand und den Hauptaus- schuß. Etwa noch zu stellende Anträge der Mitglieder können nur dann verhandelt werden, wenn mindestens 12 stimmberechtigte Mitglieder sie unterstützen. Der Ort-Verein der Buchhändler in Haunover-Liuden ladet zu einer Versammlung am Montag, den 4. März, abends pünktlich 9 Uhr, nach dem Brauergildehaus ein. Auf die Tages ordnung sind nachstehende Punkte gesetzt worden: 1.Vorbesprechung zum Verbandstag Hannover-Braunschweig am 10. März. — 2. Unfallversicherung, Pensionsversicherung usw. und ihre Wirkungen auf den Buchhandel. — 3. Aufstellung von Bücher-Automaten. — 4. Verschiedenes. Bei dem lebhaften Interesse, das Punkt 3 der Tagesordnung: Aufstellung von Bücherautomaten, zweifellos finden wird, halten wir es für angebracht, zur näheren Erläuterung darauf hinzuweisen, daß es sich um die von der Firma Philipp Reclam jun. in Leipzig neuerdings in den Handel gebrachten Bücher-Auswahl-Automaten handelt, ein seit längerer Zeit vorbereitetes Unternehmen, das nach Beendigung der ersten Versuche soweit ausgereift ist, daß in allernächster Zeit der ganze Sortimentsbuchhandel sich damit zu beschäftigen haben wird. Die in aller Stille an einer Anzahl sächsischer Bahnhöfe vorgenommenen Versuche erwiesen durch ihre günstigen Umsatzquoten die Lebensfähigkeit der Einrichtung und zwar ohne das Geschäft am Stande des Bahnhofsbuchhändlers selbst nachteilig zu beeinflussen. Der Automat unterscheidet sich von früher in den Handel gebrachten Apparaten, die sich nicht zu halten vermochten, dadurch, daß er dem Käufer eine Auswahl guter Bücher ermöglicht und ihn nicht zwingt, unbesehen zu kaufen, was der Automat herausgibt, und ferner auch dadurch, daß die anzubietenden Bücher nicht erst geschaffen zu werden brauchen, sondern durch sorgfältige Auswahl aus den reichen Be ständen der Universal-Bibliothek die Möglichkeit stets wechselnder und den speziellen Verhältnissen angepaßter Füllungen darbieten. Diese Neuerung, die in einer Zeit des Streites über die buch händlerischen Vertriebsarten nunmehr feste Gestalt annimmt, scheint wohl geeignet zu sein, den von allen Seiten geforderten Verkauf guter und zugleich billiger Bücher in den weitesten Kreisen des Volkes zu erleichtern. Wre wir hören, wird der Verlag den Verkauf durch Automaten ausschließlich mit Hilfe des Sortiments bewerkstelligen und seine Angebote gleichmäßig an die Sortimente der Städte und Bezirke einer bestimmten Reihen folge nach versenden, so daß damit jedem Sortimenter Gelegen heit gegeben ist, sich die neue Einrichtung zunutze zu machen. äOjährigeS Jubiläum. — Die alte Belser'sche Sortiments buchhandlung, die jetzt: Albert Müller (früher Belsers Sort.) in Stuttgart firmiert, kann am heutigen 1. März aus 50 Jahre ihres Bestehens zurückblicken. Eigentlich kann man das Gründungsdatum noch weiter zurücklegen, denn als Ehr. Belser im September 1855 die Ehr. Belser'sche Buchhandlung gründete, geschah dies keineswegs als reine Verlagsbuchhandlung. Im Gegenteil, er erbat sich in seinem Etablissementszirkular Novitäten religiösen und päda gogischen Inhalts gleichzeitig mit den übrigen Handlungen. Als selbständige, vom Stammhause getrennt geführte Sortiments abteilung nimmt allerdings die heutige Jubelfirma im März 1862 ihren Anfang, als Ehr. Belser sein Sortiment unter die Leitung seines zukünftigen Schwiegersohns Eugen Ulmer stellte. Am 1. Januar 1866 übernahm Ulmer das Geschäft für eigene Rechnung, mußte es aber im Januar 1868 an Albert Müller abtreten, da er nach Ableben seines Schwagers Carl Maier in Firma Dorn'sche Buchhandlung in Ravensburg, »in Rücksicht auf die Familie des Verstorbenen«, dessen Verlag und Buchdruckerei übernahm. Albert Müller hat die alte Handlung acht Jahre lang, vom 2. Januar 1872 an nur unter der Firma seines Namens, mit Erfolg geführt; am 1. Januar 1876 verkaufte er sie an Oscar Breyding, der noch heute In haber ist und in die Firma wieder den Hinweis auf den Ursprung (früher Belsers Sort.) ausgenommen hat. Volle 36 Jahre steht Herr Breyding also heute an der Spitze des alten Geschäfts; init sicherer Hand hat er das Steuer gehalten und einen ruhigen steten Kurs gesegelt, sodaß er mit Befriedigung auf den zurück gelegten Weg blicken und mit gutem Recht die Glückwünsche ent gegennehmen kann, die heute zum Jubeltage der alten Firma ein- laufen werden und die zum nicht geringen Teil auch ihm selbst gelten. Sächsischer Butztag. — Wir machen, besonders für den Ver kehr mit Leipzig, darauf aufmerksam, daß Mittwoch, der 6. März, in Sachsen als Bußtag gefeiert wird und die Geschäfte an diesem Tage geschlossen sind.