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51, März 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. 2713 sind allerdings die Feuilleton-Romane und «Novellen. Da gegen ist nicht etwa wie in der von der Berliner Konferenz angenommenen Regelung der Zeitschristeninhalt voll ständig geschützt noch die Wiedergabe der nicht mit dem Ver merk versehenen Artikel nur in Zeitungen gestattet, son dern alle Beiträge zu Zeitungen und Zeitschriften müssen laut dem neuen Vertrag den Vorbehalt tragen, um überhaupt gegen Wiedergabe in irgend welcher Art geschützt zu sein. Die »Begründung« der französischen Regierung verwechselt hier den Schutz des durch die Pariser Zusatzakte von 1896 revidierten Art. 7 der alten Konvention mit dem neuen, in Berlin revidierten Art. 9; ersterer und nicht letzterer ist im Vertrag zum Vorbild genommen; dabei ist noch eine Erleich terung des Unionsschutzes weggelassen worden: die Möglich keit, den Vorbehalt auf Zeitschriften allgemein an die Spitze jeder Nummer stellen zu dürfen; nach dem Vertrag mutz offen bar jeder Artikel einen besonderen Vorbehalt tragen. Das Gebot der Quellenangabe bei erlaubten Entlehnungen ist in einem besonderen Artikel (Art. 8) aufgestellt und scheint nicht nur auf Entlehnungen von Werken der Litera tur und Kunst, wie der Wortlaut dies vermuten ließe, sondern dem Sinne nach und gemäß Analogie mit Art. 9 der rev. Berner Konvention auch auf die Wiedergabe oder Ent lehnung von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln zu gehen. Der Vertrag ist allerdings rückwirkend auf frühere, im Ursprungsland noch nicht Gemeingut gewordene Werke an wendbar; sind jedoch unter dem früheren schutzlosen Regime Werke erlaubterweise veröffentlicht worden, so dürfen diese Werke — es heißt »diese Werke« und nicht, wie man Wohl hat sagen wollen, »diese Wiedergaben« oder »die wirklich er schienenen Ausgaben« — nicht den Gegenstand einer aus den neuen vertraglichen Bestimmungen beruhenden gerichtlichen Klage bilden. Die gegenwärtig in der Herausgabe begriffe nen autorfreien Ausgaben dürfen im Jahre nach dem In krafttreten des Vertrages noch fertiggestellt, d. h. die aus- stehenden Bände und Lieferungen in dieser Frist noch frei ver öffentlicht werden. Der Vertrag vom 29. November 1911, der zuerst nur für drei Jahre fix gilt (allerdings unter stillschweigender Er neuerung bei Kündigungsmöglichkeit auf ein Jahr), hat als Geltungsbereich das ganze Staatsgebiet mit den Be sitzungen und Kolonien, umfaßt also, wie in der französischen Botschaft ausdrücklich hervorgehoben wird, auch Finnland. Sein Inkrafttreten wird möglichst hinausgeschoben, indem dasselbe erst sechs Monate nach Austausch der Ratifikations urkunden erfolgt. Dieses Datum hat deshalb eine große, be sondere Wichtigkeit, weil der Vertrag die M e i st b e g ü n st i « gungsklausel enthält und weil die Behandlung der Gegenseitigkeit ohne weiteres eintritt, jedoch nur für die nach jenem Zeitpunkt einer dritten Macht eingeräumten Kon zessionen. Ein interessantes Korrektiv ist übrigens hier inso fern angebracht, als die Einräumung solcher Zugeständnisse in den Vereinbarungen der Literarunion, also die fortschritt lichen, dritten Mächten gegenüber durch eine der Signatar mächte eingegangenen Abmachungen der Berner Literarunion nicht als in den Bereich der Meistbegünstigungsklausel ein geschlossen gelten sollen. Die Russen gelangen also nicht auf Grund dieser Klausel unversehens eines Tages in den Genuß der von Frankreich einem in die Union neu cintretendcn Lande, z. B. Holland oder Rumänien, eingeräumten Unions- Vorteile. Wird Rußland mit Deutschland einen gleichlautenden Vertrag eingehen, oder werden an demselben einzelne für die deutsch-russischen Beziehungen besonders zweckmäßige Ver besserungen, die sich aus der obigen Analyse leicht herleiten lassen, angebracht werden? Wenn solche Verbesserungen erst nach Inkrafttreten des französisch-russischen Vertrages effek- VörfeMatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. tiv zugestanden werden, dann kommen sie auch dem französi schen Kontrahenten vermöge der genannten Meistbegünsti gungsklausel zugute. VVs^ner, Or. u., Vden die Orxavisslioo der Waren- ftäv8er, KauNisu8er und der xrosseo Lperisl- 865eftä11e. 1911, Verlaß von Oarl kirnet Uossolrol, Uoipriß. Lrosob. 3.60, ßob. 4.80 orä. Die Bedeutung dieses Buches in einem Fachblatte zu würdigen, dessen Leserkreis mit dem eigentlichen Thema nur wenig Be rührung hat, ist nicht ganz einfach. Man muß sich darauf be schränken, besonders Wichtiges anzudeuten, während manche für den gesamten behandelten Stoff unwesentliche Bemerkung für den Buchhandel von großer Wichtigkeit ist. Der Verfasser weist in der Einleitung nach, daß die rein persönliche Kontrolle, wie sie früher als einzige auch in größeren Betrieben eingeführt war, durch die »zwangsläufige Kontrolle« gestützt werden muß. Das ist ein neuer Ausdruck für ein altes System, das in fast jedem größeren Betrieb heute angewandt ivird. Nichts Mündliches, alles schriftlich. Jeden geschäftlichen Vorgang niederschreiben, und zwar an jeder Stelle, die damit zu tun hat. Durch Vergleichung dieser einzelnen Berichte wird dann das ausgeübt, was jetzt »zwangsläufige Kontrolle« heißt, unter der man »ein Beaufsichtigungssystem versteht, das durch eine doppelte Ausschreibung jeder Grundtatsache eine unabänderliche, ständige Beobachtung jedes Gliedes vornimmt«. Die Organisation des Warenhauses erinnert an die Gliederung m Staate. Wie dieser sich auf die Verfassung und die Gesetze gründet, die schließlich für das Wohl jedes einzelnen Staatsbürgers ohne Unterschied sorgen sollten, so ist jene darauf bedacht, daß jedem einzelnen Käufer Rechnung getragen wird, ganz gleich, ob er für 2H oder für 2000 X kauft. Die Stärke der Organisation beruht darauf, daß dieses Prinzip vom Einkauf bis zum Verkauf, von der Reklame bis zur Statistik streng durch geführt ist. Dieser Gedanke ist vom Verfasser nicht genügend klargelegt, dagegen gibt er eine vorzügliche Schilderung der einzelnen Organe und ihrer Pflichten. Wer sich dafür interessiert, mag das selbst Nachlesen. Manche Einrichtung ist auch im kleineren Detailgeschäft zu verwenden, besonders die Prämienzahlung an Angestellte. Auch aus der Art der Reklame, die »die Aufgabe hat, den Menschenstrom zu regeln und ihn in richtiger Weise durch die vielen Abteilungen des Hauses zu leiten«, kann der Detail list viel lernen. Die Reklame kann auf verschiedene Weise gemacht werden: »I. durch Reklameabteilungen, 2. durch Dekora tionen, 3. durch Zeitungsinserate, 4. durch Brief- oder Drucksachen versand«. In wenigen Buchhandlungen des Inlandes sah ich diese Art der verschiedenen Reklamemethoden bisher harmonisch verbunden. Im Ausland dagegen sind mir öfters Geschäfte be gegnet, die das wohl aus Amerika übernommene System durch geführt haben. Unter den »Reklameabteilungen* wird neben Lebensmitteln, Erfrischungen, Theaterkarten usw. auch die Leih bibliothek aufgeführt. In Städten wie Berlin u. a. dürfte sie außer der beabsichtigten Zuführung guten Publikums trotz des Hohen Anlagekapitals Gewinn bringen. Es wäre von großem Nutzen, wenn über dieses Thema an dieser Stelle ein erfahrener Spezialist das Wort ergreifen würde. Die Bestimmung, daß der Lagerchef für die Richtigkeit der Angaben in Inseraten usw. die strafrechtliche Verantwortung trägt, ist in den buchhändlerischen Abteilungen dahin ausgedehnt worden, daß er auch für jeden dem Warenhaus entstehenden Schaden wegen Verletzung der buchhändlerischen Gesetze haftbar ist. Bei der Kontrolle spielt die Statistik eine Hauptrolle. Sie ist so fein gegliedert, daß sich »aus diesen Zahlen vor allem die interne Arbeit jedes, auch des kleinsten Gliedes fortlaufend beobachten« läßt. Auch hier kann das kleinere Spezialgeschäft viel lernen. Wagner führt folgende statistische Abteilungen an für: 1. Reklame; 2. tägliche Einkäufe pro Abteilung; 3. tägliche Abteilungsverkäufe; 4. tägliche Verkaufssummen jedes Verkäufers; 5 Lagerbestände; 6. Retouren; 7. Kreditverkäufe; 8. Auswahl sendungen, 9. Nachnahmesendungen; 10 Expeditionen; 11. Renta bilitätsziffern usw. Bekannt ist die Differenzenkontrolle. Ver- 354