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2712 Börsenblatt s. b. Dtschn. Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 51. 1. März 1912. vsriiu, S. 149) sich als eine trügerische Hoffnung erwies. Bekanntlich trat das neue russische Urheberrechtsgesetz erst am 20. März 1911 a. St. in Kraft (s. die deutsche Übersetzung Bbl. 1911, Nr 190—193). Als erste Frucht der allseitig wieder aufgenommenen Separatbertragsverhandlungen ist der nach langwierigen Diskussionen in Paris am 29. November 1911 Unterzeichnete französisch-russische Literarvertrag zu betrach ten, dessen Inhalt hier summarisch wiedergegeben und be leuchtet werden soll. Das Grundprinzip des neuen Vertrages ist nicht dasjenige der absoluten Gleichstellung der Autoren des andern Landes mit den einheimischen, wodurch die Russen in Frank reich einen sehr weitgehenden, die Franzosen in Rußland einen in verschiedenen Beziehungen sehr unwirksamen Schutz bekommen hätten, sondern dieses Prinzip ist durch dasjenige der Behandlung auf dem Fuße der Gegenseitigkeit moderiert, so daß infolge der materiellrechtlichen vertraglichen Verein barungen die Franzosen den Russen auch nicht so viel zu ge währen brauchen, wie sie dies z. B. den Amerikanern durch vollständige Gleichstellung mit den Einheimischen gewährt haben. Geschützt sind als R e ch t s s u b j e k t e gegenseitig, nach Maßgabe der gegenwärtigen und künftigen Landesgesetze, ein mal die Staatsangehörigen, wo immer ihre Werke erscheinen mögen, sowie die in einem jeden der beiden Länder erschienenen Werke. Die Grundsätze der Rationalität des Autors und der Nationalität des Werkes sind hier also beide zusammen aner kannt, während die Berner Konvention die Verbandsange hörigen ohne territoriale Rücksicht nur für die nicht veröffent lichten Werke schützt, für die veröffentlichten Werke dagegen bloß dann, wenn diese auf Unionsgebict erscheinen. Diese Vertragsbcstimmung mag einen gewissen Wert haben für die Russen, die ihre Werke öfters anderswo als zu Hause ver öffentlichen; dagegen wird nur in den seltensten Fällen ein Franzose sein Werk zuerst anderswo als in seiner Heimat er scheinen lassen. Die Aufzählung der geschützten Werke ist der revi dierten Berner Übereinkunft von 1908 nachgedildet. Über setzungen und kinematographische Wiedergaben sind, wie dort, gleich wie Origmalwerke geschützt. Besonders erwähnt sind in dem neuen Vertrag als schutzfähige Werke noch die Reden, Vorträge, Vorlesungen und Predigten, die Medaillen und Plaquetten, sowie die Scenarien. Was die kunstgewerblichen Erzeugnisse anbelangt, so gestattet allerdings der Vertrag, alle literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Werke ohne Rücksicht auf ihren Wert und ihre Bestimmung — die französische Formel, die den dortigen Urheberrechtlern beson ders teuer ist, lautet: »gusls gus soisnt 1s rnärits st In ctsstination cks I'osuvrs« —zu schützen; allein damit ist, wie ausdrücklich in der Begründung der französischen Regierung') angegeben wird, nicht das ganze Kunstgewerbe in den ver traglichen Schutzbereich gezogen. Rußland hat den Schutz der Muster und Modelle durch Sonderbestimmungen') geord net und verlangt für denselben vorhergehende obligatorische Hinterlegung der Muster und Modelle, eine Förmlichkeit, der auch die Fremden unterworfen sind. Höchstens dürften daher die Kunstwerke, die, auch wenn sie eine gewerbliche Be stimmung erhalten, ein besonders charakteristisches künstle risches Gepräge tragen, auf Berücksichtigung vor russischen Gerichtshöfen hoffen, wenn der Vertrag zu ihren Gunsten an- gerufen wird. Allein die ganze Frage des Kunstgewerbe schutzes ist unabgeklärt geblieben'). Die Schutzdauer für das Vervielfältigungsrecht ') Jndustricrcglement vom Jahre 1893. Art. 199—299. 16. Februar'1912^^ ^ r°umu--, r. om richtet sich nach der jcwcilen geringem, von einer Landesge setzgebung vorgesehenen Frist; das hat speziell für die Photo graphien Bedeutung, die in Rußland, wie übrigens in Deutschland auch, nur 10 Jahre Schutz genießen. Die abgeleiteten Urheberrcchtsbesugnisse sind teils be sonders, teils in Übereinstimmung mit der Berner Konvention geordnet. Eine besondere Ordnung erfuhr das wichtige über setzungsrecht, das, wie dies das russische Gesetz im Artikel 33 vorsieht, 10 Jahre dauert, vorausgesetzt, daß der Autor die Übersetzung innerhalb fünf Jahren erscheinen läßt und sich dieses Recht durch einen Vermerk auf dem Titelblatt oder in der Vorrede ausdrücklich vorbehält. Diese Be nutzungsfrist von fünf Jahren ist noch mehr beschränkt worden hinsichtlich der Übersetzung von wissenschaftlichen, technischen und zum Unterricht bestimmten Werken. Der Bericht der französischen Regierung hebt hervor, daß der Begriff solcher Werke sehr weit zu fassen sei, und daß die wissenschaftlichen Werke alle im höheren Lehrwesen behandelten Gegenstände, also auch Philosophie, Geschichte, Jurisprudenz, Medizin, Theologie usw. betreffen. Wenn somit von dieser Kategorie von Werken innerhalb drei Jahren nach Erscheinen keine Über setzung herausgegeben wird, so ist das übersetzungsrccht ver wirkt. Allerdings ist nicht vorgeschrieben, wo die betreffende (russische, polnische usw.) Übersetzung zu erscheinen hat. Das Bearbeitungsrecht ist ganz gleich wie in der Union, also wie in Artikel 12 der revidierten Bemer Übereinkunft, geregelt. Das Aufführungsrecht ist anerkannt, jedoch mit Bezug auf die veröffentlichten Werke der Tonkunst nur dann, wenn dieselben auf jedem gedruckten Exemplar einen Unter sagungsvermerk tragen, und nur nach Maßgabe der in der internen Gesetzgebung enthaltenen Einschränkungen (s. Ar tikel SO des russischen Gesetzes, der für nicht in gewinn süchtiger Absicht oder für an Volksfesten und ausschließlich zu wohltätigen Zwecken veranstalteten Darbietungen Ausfüh rungsfreiheit gewährt). Die Dauer des ausschließlichen Aufführungsrechts an Übersetzungen richtet sich nach der Dauer des ausschließlichen Übersetzungsrechts. Wie in der Konvention ist dagegen in Kürze das Recht der Wiedergabe von musikalischen Werken auf mechani schen Instrumenten und das Recht der Aufführung solcher Werke mittels dieser Vorrichtungen normiert, sowie auch das Recht der Wiedergabe auf kinematogra- phischem Wege. Was das erstere Recht anbelangt, so ist behauptet worden, das russische Gesetz, das im Artikel 42 den Lizenzzwang vorsieht, gehe nicht nur auf die rein musi kalischen, sondern auch auf die musikalischen Werke samt Text. Aber nichts zwingt dazu, eine solche einschränkende Aus legung anzunchmen. Das russische Gesetz spricht wie die Berner Konvention nur von Werken der Tonkunst. Dieser Punkt verlangt aber nach Aufklärung. Förmlichkeiten werden, wie in der neuen Rechts ordnung der rev. Berner Konvention von 1908, nicht ver langt, mit Ausnahme der Vorbehalte des übersetzungs- und Aufführungsrechts und der besonderen Angaben auf Werken der Photographie. Letztere müssen nämlich, um geschützt zu sein, auf jedem Exemplar die Firma oder den Namen, Vor namen und Wohnort des Autors oder Verlegers sowie das Erscheinungsjahr tragen, es sei denn, sie seien in ein ver öffentlichtes literarisches Werk ausgenommen in welchem Falle sie als mit diesem Werk erschienen und durch die auf demselben borkommenden Angaben geschützt betrachtet werden. Noch ein Vorbehalt ist zu erwähnen, derjenige auf Zei - tungs- und Zeitschriftenartikeln, die ihn tra gen müssen, um gegen Wiedergabe in Original oder Über setzung gefeit zu sein. Unbedingt und ohne weiteres geschützt