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flotte ein starkes Angebot zurückläßt, auf welches mau eventuell zurückgreifen kann. Bei uns fehlt es gerade in diesem Punkte gar sehr; so groß unsere Flotte auch ist, so muß sie doch um ein volles Drittel verstärkt werden, sobald ein Augenblick kommt, wo es gilt, die Bemannung zu complettiren. Woher sollen aber die Mannschaften kommen? Wie sollen sie ausgebildet werden? Deutschland hat eine im Verhältmß kleine aber voll bemannte Flotte. Sie ist bei alledem doch spärlich bemannt; allein wir dürfen überzeugt sein, daß alle Mittel angewendet werden, die Seeleute in allen modernen Gunsten des Offensiv- und Defensivkrieges gründliw tüchtig zu machen." — Ueber die in Breslau stattgefundene erste Per brennung einer menschlichen Leiche macht die „Allg. Zlg." noch folgende Mittheilungen: Dee Leiche gelangte um 5' Uhr, mit weißem Linnen eingehüllt und überdeckt, in den Verbrennunasraum. Sofort von Flammen so umhüllt, daß man keine Einzelheiten wahrnehmen konnte, war schon nach einer Viertelstunde een großer und nach einer halben Stunde der Weitaus größte Theil der Weichtheile der im lebhaften Hellroth glühenden Leiche vom Feuer verzehrt und verschwunden. Eine Stunde nach Beginn war die Verbrennung der Knochen und Weichtheile beinahe vollständig beendet, so daß für die Zwecke der Gesund heitspflege das Ergebniß bereits als völlig genügend bezeichnet werden mußte. Da es aber auch darauf ankam, die Leistungsfähigkeit des Apparates zu prüfen, so ließ man der Sache ihren Verlauf bis auch die beiden Theile (Becken und Leber), welche bei jeder Verbrennung den hartnäckigsten Widerstand leisten, so vollständig von der heißen Luft verzehrt sein würden, daß sie keine Flammen mehr hervorbringen. Hierzu war noch I Stunde 10 Minuten erforderlich, also mehr als zur gesammten übrigen Verbrennung. Im ganzen wurde mithin vom Einbringen der Leiche bis zum Ausziehen der Aschenreste die Zeit von 2 Stunden 10 Minuten verbraucht. Lie Äsche be stand aus weißen kleinen Knochenstückchen und Bröckchen, von denen nur wenige noch die Form der einstigen Knochen zeigten. Alle Knochen waren schneeweiß; nur das schwam mige Innere einiger Wirbelknochen war hell- bräunlich-gelb gefärbt. Das Gewicht der sämmtlichen Knochenüberreste betrug 3 Pfund. Die Kosten waren äußerst genug; es wurden bei der Verbrennung nicht ganz 2 Hektoliter Koaks verbrannt, welche zusammen den Preis von 13,^, Silber groschen haben. Die Verbrennung kostete also nur etwas über eine Reichsmark. — Ein dummer Junge in Steglitz bei Berlin bom- bardirle ein? Schafheerde auf dem Felde mit Steinen, die Schac^^ahmen's übel und galoppirtcn „sporn streichs" ^WM nahe Eisenbahn. In demselben Augen blick brauM"der Courierzug einher, ein Zusammenstoß und eine Entgleisung schien unvermeidlich, doch gelang dem Locomotivführer das Bremsen des Zuges unmit'el bar vor den Schafen. Der Zug und die Heerde war gerettet, die Schafe aber kamen von dem Bombardement in die Traufe; denn der Locomotivführer schickte ihnen einen Dampf- und Wasserstrahl zu, vor dem sie zur Heiterkeit aller Reisenden kopfüber die Flucht ergriffen. Oesterreich-Ungarn. Wien, 25. Sept., Abds. Die Mitglieder der öfier- reichischen Nordpolcxpedition sind heute Abend hier em- getroffen. Schon Stunden lang vorher waren die zur Nordbahn führenden festlich geschmückten Straßen von Menschenmassen dicht besetzt. Viceadmiral Pveüh au der Spitze einer großen Anzahl von Marineoffizieren, viele Generäle und andere Offiziere, der Bürgermeister mit dem gesammten Gemcinderath emfiugen die Ankommen den. Von der Bevölkerung wurden die Heimkehrenden mit enthusiastischen Zurufen begrüßt und die von chueu bestiegenen Wagen konnten durch die hin und her wogenden, fortwährend hochrufenden und Hüte schwenk enden Volksmassen nur schrittweise vorivärts gelangen. Tie zahlreichen Deputationen und Corporalionen aus Oesterreich-Ungarn, die bei der Begrüßung am Bahnhofe anwesend gewesen waren, schloffen sich dem Zuge an. Morgen Abend findet die Begrüßung der Zurückgckehrten in der geographischen Gesellschaft statt, an welcher auch der Kronprinz Rudolf als Protector der geographische^ Gesellschaft theilnehmen wird. Spanien. Madrid. Der Wiener „N. F. Pr." wird unterm 22. ds. Mts. telegraphirt, es seien „auf Anrathen und Pression der russischen Diplomatie" neue Unterhandlungen zwischen den Carlisten und Alfonsisten eiugeleitet worden. Die in Folge dessen von Don Carlos mit den Prinzen des Hauses Bourbon und den Familien von Neapel, Modena und Parma geflogenen Berathungen hätten die Nichtigkeit der Ansprüche von Don Carlos auf den Thron von Frankreich ergeben, und auch die Vorschläge der Alfonsisten seien unannnhmbar befunden worden. — In carlistischen Blättern wird jedoch die aus dem Jourm l „Iberia" stammende Erzählung von den Ansprüchen des Ton Carlos auf den französischen Thron als eine lächer liche Fabel erklärt. Auch wird im Weiteren ausgeführt (und Pariser legitime Blätter machen sich dieselben Aus führungen, als von der carlistischen Agentur in Paris stammend, zu eigen), daß die spanische Linie des Hauses Bourbon durch den Frieden von Utrecht (1813) vom französischen Throne so lange ausgeschlossen sei, als sie ihre Ansprüche auf Spanien aufrecht erhalte. Ter gegen wärtige Krieg beweise Wohl am Besten, daß das Letztere der Fall sei. — Dieselben Blätter halten es für nöthig, nochmals hervorzuheben, daß der Brief des Kaisers von Rußland an Don Carlos neueren Datums sei. — Ledig lich als Luriosum sei hier noch eine Notiz angeführt, die sich in einer der letzten Nummer des vffieieUen carlistischen Blattes „Cuartel Real" findet; dieselbe besagt Folgendes: „Preußen hat den Reihen der spanischen Armee 700 (!) Soldaten und 40 (!) Offiziere einverleibt. Um sie zu diesem Schritte zu bewegen, Hal Preußen den Soldaten angeboren, daß sie nach Beendigung der spanischen Dienst zeit ihren vollständigen Urlaub erhalten und täglich drei Pesetas Löhnung beziehen sollen." Die rothe Törthe. Erzählung von I. Krüger. Erstes Kapitel. Eine unglüaliche Frau. Das kleine in Holstein liegende Dörfchen D., das kaum diesen Namen verdiente, weil es nur aus zehn bis zwölf Kathen bestand, deren Bewohner Leibeigene eines in der Nähe liegenden grosten Gutes, im Besitze der freiherrttchen Familie von Diethelm, waren, wurde un November des Jahres 1807 von einem heftigen Schnee sturm umtodt. Diese Windsoraul raf'le w gewaltig, daß die Bäume der gröpen Landstraße, die aber in der Zeil noch nicht chaussirl war, sich wie dünnes Röhricht bogen, ja, daß mehrere davon, die erg vor wenigen Jahren gepflanzt worden, mit ihren Wurzeln aus der Erde gehoben wurden. Die Wollen, deren Schoop die kalten Flocken entfielen, flogen mit einer Schnelle, die mir dem Flug einer Schwalbe zu vergleichen, schwer und dicht über die ärmlichen Hütten hinweg, so daß Niemand in dieser schauerlichen Nacht den Kopf zum Fenster hin aus zu stecken wagte, um zu erforschen, ob das Unwetter nicht bald aufhören werbe. Es war um die neunte Stunde des Abends, der an Fiilfterniß seines Gleichen suchte, als das kleine Haus des alten Tagelöhners Heitmann, indem er mit jemer schon ziemlich ältlichen Frau kinderlos lebte, von einem heftigen Windstöße erschüttert wurde, dap es in seinen Pfosten erbebte und die kleinen Fenster ganz entsetzlich erklirrten. Frau Heitmann, die bei dem Scheine einer blechernen, mit Oel gefüllten Lampe >panu, während ihr Mann einen alten zerbrochenen Rechen wieder zusammenzunageln ver suchte, schlug, zum Tode crjchreckl, die Hände zusammen und ließ das Rad ihres Spinnrockens einige Minuten müßig stehen. „Gott erbarme sich!" rief sie, „bas ist ja ein Weller, als wenn die Welt untergeben wollte, und wer weiß, ob es nicht dato wirtlich geschieht? Hat doch der alte Pastor in Heisdorf, wo wir Sonnlags zur Kirche gehen, erst neulich gepredigt, daß die Welt lies m Lagern und Sünden steckt und Gottes Strafgericht unfehlbar über die Menschen Hereinbrechen würde, wenn sie nicht bald auf dm Weg des Heils zurückkehrteil und Buße in Sack und Asche lhälen." „Bah," erwiderte Heitmann, indem er seinen Hammer bei Seile legte. „Wenn's auch der Pfarrer sagt, ich glaube nicht daran. Die Menschen sind nicht so schlecht, als er von der Kanzel herunterdonnert. Wie es draußen in der gropen Welt steht, weiß ich freilich nicht. AVer alle unsere Nachbarn bis auf den langen Krönk, der ein Trunkenbold ist und Frau und Kinder mißhandelt, sind ordentliche, nüchterne Leute, die Gott und dem Gutsherrn gehorchen und sich keine Unthaten zu Schulden kommen lagen. Unser Herr ist zwar em strenger, aber doch ein gerechter Herr, der für seine Untergebenen väter lich sorgt, wenn sie alt und schwach werden und nicht mehr arbeiten können. Na, und wir selbst ich will mich nicht überheben, aber das darf ich doch sagen, daß ich von der Zeil an, wo aus dem kleinen Schlingel nach Md nach ein Mann wurde, mein Gewissen in allen Dingen rein erhalten habe. Und nun Lu erst, Marthe. Bist Du mir nicht schon an dreißig Jahre ein frommes, rechtschaffenes Weib gewesen, das nur zu einem wahren Segen geworden? Wo sollen denn da die Sünder Her kommen?" Er war bei den, letzten Worten dicht an seine Frau getreten und klopfte ihr die Backen, die bei schwerer Arbeit in der glühenden Sonnenhitze, wie im rauhen Herbstwetler, braun und runzelig geworden waren. Ueber diese herzliche Liebkosung vergaß Marthe den Pfarrer und seine Weltuntergangspredigt. Sie legte den Kopf, den eine schwarze Mütze von unechtem Sammt bedeckte, an die Brust des trotz seiner sechzig Jahre noch rüstigen Mannes und sah mit guthmüthigem Lächeln zu ihm empor. Aber sie fuhr doch auf's Neue zusammen, als aber mals ein heulender Bindstoß an die kleinen mit Blei eingefaßten Scheiben schlug. „Gott sei Dank," sagte sie, „daß wir unter Dach und Fach sind. Aber wie mag es den armen Menschen ergehen, die in dieser schrecklichen Nacht auf der See, oder die unterwegs auf der Landstraße sind und die Herberge noch nichl erreicht haben?" „Die auf dein Beeer umherschwalken, mag der Himmel beschützen," versetzte Heilmann, indem er die rauhe Pelzmütze von dem buschigen grauen Haar zog und nach der niedrigen Decke der Stube hinaufblickte. „Unterwegs wird aber wohl kein Wanderer mehr sein, sondern vor dem Einbruch der Nacht ein Obdach gesucht haben." Er hatte kaum die leisten Worte gesprochen, als ein ziemlich lautes Klopfen draußen an oer Thür di innen hörbar wurde. „Wer mag das sein," sagte er, „der noch so spät — soltte bei einem unserer Nachbarn ein Unglück geschehen sein und man verlangt unsere Hülfe? Ich will doch gleich Nachsehen." „O, Alter, sei vorsichtig," versetzte Marthe ängstlich. „Es streift so viel böses Gesindel im Lande umher. Wenn so ein Strolch hier Einlaß begehrte, um uns zu bestehlen und vielleicht gar umzubringen?" „Du hast Recht, Frau," erwiderte Heitmann. „Vor sicht ist in allen Lingen »Ütze, darum will ich meine Axt mitnehmen." Er ergriff das scharfe Beil, das er zum Holzhauen gebrauchte und das in der Ecke des mit Torf geheizten Kachelofens stand, und ging mit dieser Bertheidigungs- waffe auf die kleine Lehmdielc hinaus. Seinen Kops dicht an die Ritzen der aus zwei Hälften bestehenden Thür legend, rief er mit kräftiger Stimme: „Wer ist da, und was giebt's noch so spät?" Der Verben Stimme antwortete erst ein schwaches Wimmern und daun folgten die mit kläglichem Tone von einem weiblichen Wesen ausgestoßenen Worte nach: „0, inon Uiou! ^62 pitio clo inoi! Lour I'umour cio Diou! Mc ken Sie auf. llo mo mourb! Make» Sw auf In porto! llo mo inours!" Wenn der Bauer Heilmann auch kein Französisch verstand, so wurde es ihm doch aus den dieser Sprache beigemffchten deutschen Brocken klar, daß eine Unglück liche draußen um Hülfe flehte. Heitmann besaß bei feiner rauhen Außenseite ein Herz, dem die Regungen des Mitleids nicht fremd waren. Er stand schon un Begriffe, den hölzernen Riegel vor der Thür hinwegzuschieven, als sich plötzlich eine Hand auf seine Scbulter legte. Es war Marthe, die iyn so berührte. Sie war ihm gefolgt und stand jetzt, die Lainpe tragend, Vicht Hutter ihm. — „Nimm Dich in Acht, Alter," sagte sie ängstlich. „Wenn das Weib, das da draußen jammert, eine Spitz bübin wäre und Spießgesellen m der Nähe hätte." Heitmann wollte erwidern, daß er sich nicht fürchte, aber ehe er dazu kam, rief die ^Stimme draußen noch lauter und noch klagender als zuvor: „Blak' Sie auf! Blak' auf! Ick sterb', ick sterb'! O, mak' Sie auf!" Jetzt zögerte der wackere Alle nicht länger. Er hob den Riegel mit kräftiger Hand zurück. Die Thür flog weit auf und eine Wolke von Schnee flog ihm in's Ge sicht. Trotzdem sah er, daß an der Schwelle eine dunkle Gestalt kauerte, von der der Hülferuf ausgegangen war. — Während Marthe ihre Schürze vor die Lampe hielt, um sie vor dem Erlöschen zu bewahren, trat ihr Mann auf die nächtliche Wanderung zu und streckte Vie Hand aus, um sie aufzuheben. Sie ergriff dieselbe und hob sie mit Anstrengung empor. Heitmann zog sie, indem er seinen Arm um ihren Leib schlang, m die Hütte und verriegelte dann die Thür wieder. Indessen beleuchtete Marthe, deren Lampe jetzt vor dem Erlöschen geschützt war, das fremde Weib. Die Unglückliche sah bleich und zuni Tode erschöpft aus. Um den Kopf hatte sie ein buntes seidenes Tuch ge schlungen. Ihren Körper bedeckte ein langer Mantel, dessen Farbe aber nicht genau zu erkennen war, da eine Fülle von Schnee darauf ruhte. Am Arm trug sie einen kleinen Bündel, der wahrscheinlich ihre wenigen Habselig keiten enthielt. War Heckmann durch die Stimme der Wanderin gerührt worden, so wurde sein Weib es durch ihren Anblick. Sie faßte die Hände der Armen und bemerkte, daß sie ganz erstarrt waren. „Um Gottes Willen, schnell in die Stube mit ihr!" sagte sie zu ihrem Manne. „Das arme Geschöpf ist ja halb erfroren. Wir wollen sie zuerst zu erwärmen suchen." Mann und Frau faßten das vor Kälte zitternde Weib unter die Arme und führten sie in den kleinen ge heizten Raum. Drinnen wurde ihr sogleich von Marthe der mit Schnee bedeckte Mantel abgenommen und sie dann in den ledernen Großvaterstuhl gesetzt, der ein Erbstück der Familie war und ziemlich entfernt von dem Ofen stand, damit die zu große Wärme der fast Erstarrten nicht schaden konnte. Marthe fuhr erschrocken zurück, als sie die Fremde ohne die dunkle Hülle sah. „Du lieber Gott," rief sie, „das ist ja schrecklich. In diesem Zustande in der Nacht und iin Schneegestöber auf der Landstraße!" „In welchem Zustande?" fragte Heitmann, der seine Axt wieder in den Winkel gestellt hatte. Marthe zog ihren Mann zur Seite. „Sieh sie doch nur genau an,""' flüsterte sie ihm in's Ohr.