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Gründonnerstag bis mit Sonnabend in der Charwoche verboten. Dresden, 20. März. Se. Maj. der König hat für Szegedin der hiesigen österreichisch-ungarischen Gesandt schaft 3000 Bit., Se. k. Hoheit Prinz Georg zu gleichem Zwecke 500 Mk. gespendet. Dresden, 24. März. Die Reichs- und Landeskassen sind angewiesen, alle beschädigten Neichskassenscheine zwar anzunehmen, aber nicht wieder auszugeben, sondern an folgende Sammelstellen abzuführen: Reichshauptkasse, Oberpostkaffe, Generalstaatskaffe und Regierungshaupt kaffen. Dort werden sie gegen unbeschädigte umgetauscht. Dies bezieht sich nur auf Kaffenscheine, deren Umlaufs fähigkeit außer Zweifel steht. Anträge auf Ersatz für Reichskassenscheine von zweifelhafter Umlaufssähigkeit sind an die Reichsschuldenverwaltung zu richten. — Der Landesculturrath für das Königreich Sachsen hat den jetzigen Präsidenten Herrn Pastor Sauppe zu Lückendorf bei Zittau zum Vertreter der Bienenzucht — also zum außerordentlichen Mitglied des Landescultur- raths — ernannt. — Das Directorium des bimenw. Hauptvereins macht bekannt, daß vom Bezirksverein Kieritzsch der Antrag gestellt worden: „DaS Directorium des Hauptvereins wolle dahin wirken, daß auch auf die vom Auslande eingesührten Bienenerzeugniffe ein ange messener Zoll gelegt werde." Es ist dies ein Antrag, der alle Beachtung verdient, da uns Amerika schon feit Jahren durch die nicht immer preiswerthen Produkte der dortigen großartigen Imkerei überschüttet und unsere besseren Products entwerrhet. So soll eine einzige Firma vor Kurzem erst 300,000 Psund Topf- und Scheiben honig nach England und Hamburg gesendet haben. — Die verordnete Vertilgung des mit Sendungen aus Rußland und Böhmen in Dresden eintreffenden Ver packungsmaterials findet gegenwärtig daselbst in ziemlich umfänglicher Weise statt, und es ist aus Rußland na mentlich die Emballage von Rennthierfleisch und Geflügel, aus Böhmen diejenige von Eiern, welche dieser Vorbeug ungsmaßregel verfällt. Berlin. Die Tabakssteuer-Vorlage fordert eine Nachversteuerung von 145 Mk. für den Centner Netto Rohtabak und Fabricate und zwar am Tage des In krafttretens des Gesetzes, so daß alle bis dahin vorhan denen Vorräthe dieser Nachbesteuerung unterliegen. Der Privatvorrath bis zu 10 Pfd. soll der Nachbesteuerung nicht unterliegen; ebenso können Einzelverkäuse ohne Nach versteuerung bis zu 1 Kilogr. gemacht werden. Bis zur Beendigung der Nachversteuerungen dürfen Mengen über 10 Pfd. nur unter steueramtlicher Bezettelung ausgeführt werden. Der Einführungstermin ist offen gelaffen. — Der „Nordd. Allg. Ztg." werden die neuerlich verbreiteten Mittheilungen über ein preußischerseits be vorstehendes Arrangement mit dem Herzog von Cumber land glaubwürdigerseits als jeder Begründung entbehrend bezeichnet. Berlin, 22. März. Die gestrige Sitzung des Reichs tages war nach zwei verschiedenen Richtungen hin in hohem Grade wichtig. Während im ersten Theile der Sitzung die Frage wegen Abänderung der Gewerbeord nung, besonders aber wegen Belebung des Innungs- Wesens einer gründlichen Erörterung unterzogen wurde, beschäftigte sich das Haus in seinem zweiten Theile mit dem Anträge der elsässischen Autonomisten, auf Herstell ung einer selbstständigen im Lande selbst befindlichen Regierung für Elsaß-Lothringen. Dieser Antrag hatte sich bereits, bevor er eingebracht wurde, die Sympathie fast aller Parteien des Reichstags erworben und es hätte deshalb auch einer weniger langen Begründung desselben durch den Antragsteller bedurft, da ja auch bereits be kannt war, daß der Reichskanzler dem Anträge nicht feindselig gegenüberstehe. Trotzdem war man auf die Erklärungen des Fürsten Bismarck allseitig gespannt. Die Auslastungen desselben, die gewissermaßen ein neues Programm des Kanzlers bezüglich der Verwaltung der Reichslande enthielten, haben auf allen Seiten eine ge wisse Befriedigung hervorgerufen, die, zumal der Reichs kanzler selbst eine Beleuchtung seiner Ideen von den ver schiedensten Standpunkten aus wünscht, zu einer Ver ständigung führen werden, welche den Interessen der Reichslande entsprechen und nicht zu weit gehende Wünsche erfüllen dürste. Das Eine fft aus den Erklärungen des Reichskanzlers mit Bestimmtheit zu entnehmen, daß die Idee, einen königlichen Prinzen als Statthalter nach den Reichslanden zu senden, definitiv aufgegeben ist. Die gestern abgebrochene Berathung wird den kommenden Mittwoch fortgesetzt werden; am Montag wird der Reichs tag die Berathung des Etats wieder aufnehmen, um denselben noch vor Beginn des Monats April endgültig festzustellen. — Wie wir hören, ist es dem Chef der Admirali tät, Minister von Stosch, bisher nicht gelungen, den au militärischen Rücksichten beruhenden Widerspruch gegei die Veröffentlichung des Urtheils des Kriegsgerichts gegen die bei dem Untergang des Großen Kurfürst betheiligten See-Osficiere zu beseitigen. Hat es dabei sein Bewenden, so kann selbstverständlich auch von der Veröffentlichung der Untersuchungsakten nicht die Rede sein. Dem Mini ster dürste die Verantwortlichkeit sür dieses System des Schweigens dem Reichstag gegenüber nicht leicht werden, wie die dritte Lesung des Etats erweisen wird. — Tie Deutsche Neichspartei wird zur Wucherfrage folgenden Antrag im Reichstage einbringcn : In Er wägung: 1. daß seit der Aufhebung der Wuchergesetze die Fälle wucherischer Ausbeutung der Noth, des Leicht sinns und der Unerfahrenheit der Schuldner erheblich zu ¬ genommen haben, 2. daß von der öffentlichen Meinung die Prüfung der Frage dringend verlangt wird, ob diese Thatsache eine Folge der Aushebung jener Gesetze sei und ob und inwieweit Abhilfe im Wege der Gesetzgeb ung geboten erscheine, 3. daß zur Entscheidung über die in dieser Richtung eingebrachten Anträge und zur Beur- theilung der Frage, ob die etwa nöthige Abhülfe aus dem Gebiete des Civilrechts, insbesondere durch Beschränk ung der Wechselfähigkeit, sei es in Beziehung aus den Betrag der Wcchselsumme, oder auf dem Gebiete des Strafrechts, oder endlich auf diefen beiden Rechtsgebieten zu erfolgen hat, ein tieferes Eingehen auf die thatsäch- lichen Grundlagen und die rechtlichen, sowie die volkS- wirthschastlichen Gesichtspunkte nöthig ist, beantragen wir: Der Reichstag wolle beschließen, die vorliegenden Anträge der Abg. Reichensperger (Olpe) und v. Kleist- Retzow, betreffend Unterdrückung und Bestrafung wucher- ifcher Ausbeutung der Nothlage der Schuldner, einer Kommission von 21 Mitgliedern zur Berichterstattung zu überweisen. Wien, 20. März. Der Marschall Mac Mahon wird sich, wie „Figaro" vernimmt, aus Anlaß der silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares nach Wien begeben. Pesth, 20. März. Die Kundgebungen in Deutsch land für das unglückliche Szegedin haben in Ungarn allgemeine Gefühle wärmster Dankbarkeit für das deutsche Volk und Kaiser Wilhelm erweckt. Pesth, 21. März. In Szegedin sind, so weit bis jetzt bekannt, 1900 Menschen umgekommen. Dieselben wurden in Szöregh begraben, wo hundert Arbeiter fort während mit Verscharrung der Leichen beschäftigt sind. Gestern wurde offiziell die Zahl dec Häusereinstürze kon- statirt: In der Rochusstadt stehen noch 14, in der Ober stadt 56, in der Unterstadt 8, in der Jnnerstadt 182, mit dem Bahnhofe zusammen 261 Häuser: der Rest von 9600! Unter solchen Verhältnissen ist es nicht zu ver wundern, daß alle Erklärungen der Regierungsorgane, Szegedin werde wieder aufleben, mit Unglauben ausge nommen werden. Dazu wäre eine Riesen-Anleihe nöthig. Ein großer Theil der Flüchtlinge, dem kleinen Bauern-, Handwerker- und Arbeiterstande angehörig, wird kaum mehr in die zertrümmerte Stadt zurückkehrcn, und der Wiederaufbau SzegedinS wird sich voraussichtlich erst im Laufe von Decennien vollziehen. Paris, 20. März. (N. Fr. Pr.) Der Khedive sen dete bisher den Tribut-Antheil, mit welchem der April- Coupon der türkischen Vertheidigungsanleihe zu decken wäre, nicht. Tie Pforte sieht sich dadurch veranlaßt, die Lage Egyptens in Erwägung zu ziehen. Die Lage des Khedive ist gefährdet. Petersburg, 19. März. (A. H.) In hiesigen po litischen Kreisen ist die Ansicht verbreitet, daß die gleich- z.'itige Anwesenheit des Lords Dufferin und des Grafen Schuwaloff hierselbst, sowie die versöhnliche Stimmung dieser beiden Botschafter einen günstigen Einfluß auf die Annäherung Rußlands und Englands bezüglich der Ori entfrage in Europa und Asien ausüben würden. Die Annäherung würde dahin führen, in Rumelien ohne eine Verletzung d^s Berliner Vertrages einen Zustand der Dinge zu schaffen, welcher die Lage der christlichen Be völkerung Rumeliens nachAbzug der russ. Truppen sichert. Petersburg, 20. März. Der „Novoje Wremja" wird aus Konstantinopel gemeldet, daß sich in einer Versammlung hervorragentster Vertreter der alttürlischen Partei die Mehrzahl für eine offene Verständigung mit Rußland aussprach. Athen. Die Lösung der griechischen Frage wird aller Voraussicht nach noch lange auf sich warten lassen denn da die Türkei wenig oder nichts bewilligen will, Griechenland aber nicht gesonnen ist. auch nur auf einen Zoll breit von dem Terrain zu verzichten, worauf es nach dem Berliner Vertrage ein unbestreitbares Recht hat, so kann der Knoten nur durch das Schwert zer hauen werden. Uebrigens ist die Vermittelung der Mächte zwischen Griechenland und der Türkei bei Weitem nicht mit der Energie betrieben worden, die man hätte erwarten können. Frankreich hat allerdings eine sehr ernste Sprache in Konstantinopel geführt, das französische Kabinet hat auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die englische Regierung der griechischen Sache günstig zu stimmen und es hat in der französischen Presse nicht an Hinweisen darauf gefehlt, daß eine dauerhaufte englisch- französische Entente in der egyptischen Frage keine bessere Bürgschaft erhalten könne, als durch eine Intervention Englands in der griechischen Angelegenheit, bei welcher Frankreich so lebhaft interessirt sei. Für das englische Kabinet hat aber die Räumung der Balkanhalbinsel durch Rußland, die Agitation des Panslavismus in Ost- rumelien und die finanzielle Lage der Türkei ungleich mehr Wichtigkeit gehabt, als die Entwickelung der grie chischen Frage, und so ist es denn gekommen, daß Frank reich mit seiner Orientpolitik bis jetzt gescheitert ist, denn Deutschland hat es eben so wenig in seinem Interesse erachtet, der französischen Nation zur Glorie zu verhelfen, als Rußland dem hellenischen Element günstig gestimmt ist. In richtiger Würdigung dieser Stellung der Mächte zur griechischen Frage konnte es der Türkei nicht schwer werden, die Forderungen Griechenlands zurückzuweisen. Griechenland hat nach der Einnahme von Plewna den besten Moment versäumt, um seine Rechte zur Geltung zu bringen und es wird ihm nichts anders übrig bleiben als seine Wehrkrast zu entwickeln und von derselben bei der nächsten Konflagration den gehörigen Gebrauch zu machen. Ellek. Humoreske von Otto Girndt. (Fortsetzung.) „Ellek ist wahrhaftig keine niedrige Natur, wie Sie annehmen," versicherte Unverdorben. „Warum vertheidigt ihn dann der Doctor nicht?" „Zweifellos aus Respekt vor Ihnen und weil ihm das ganze Thema unerquicklich war. Wenn Sie, Herr Professor, in persönliche Berührung mit Ellek kämen —" „Ich danke ergebenst!" „Ich versichere Ihnen," vollendete Unverdorben, „Ihr Groll würde schwinden; denn Ellek ist ein so nobler Charakter —" „Was?" rief Koch dazwischen. „Daß ich behaupten darf, er hätte keine Zeile gegen Sie geschrieben, sobald ihm Jemand gesagt: Du machst den Professor krank!" Der Weltweise ließ ein erkünsteltes Lachen hören: „Warum nicht gar? Das wäre Wasser auf seine Mühle gewesen!" Unverdorben setzte muthig den Kampf fort: „Die üble Meinung, welche zwei Menschen von einander hegen, rührt häufig nur daher, daß Beide sich fremd sind, und weicht in der ersten Stunde gegenseitiger Be kanntschaft einer aufrichtigen Achtung. Ich wage, jede Bürgschaft zu leisten, Herr Professor, der Umschlag träte auch bei Ihnen und Ellek ein." Koch machte eine abwehrende Handbewegung: „Ich spüre nicht das mindeste Bedürfnis nach seiner Be kanntschaft." Der Jurist war nicht um Antwort verlegen: „Er hat die Ihrige ebensowenig gesucht, sonst wäre er als Einwohner der Metropole mit Leichtigkeit dazu gelangt. Doch ich schwöre darauf, erführe er nachträglich, wie Sie, Herr Professor, in Folge ihres Zwistes gelitten, Ellek unterdrückte fein Wort an Sie!" Der Philosoph fuhr halb vom Stuhle auf: „Er ist noch nicht zum Schweigen gebracht?" „Ich wiederhole: er würde sich freiwillig Schweigen auferlegen, obschon sein letztes Wort geschrieben und druckfertig ist." Bissig entgegnete Kcch: „Er soll's getrost in die Welt schicken!" „Hiernach müßle ich," sagte der Kreisrichter, „die Abmahnung unterlassen, selbst wenn sie in meiner Macht läge." Er verbeugte sich kurz. Lamprecht hatte ein achtsames Ohr und Auge aus Unverdorben's ganzes Verhalten gehabt. Nun legte er das rechte Bein über sein linkes Knie, faltete die Hände darüber, spielte mit den Daumen und fragte trocken: „Entwickeln Sie am grünen Tische dieselbe Brredtsamkeit wie hier, Herr Kreisrichtcr?" Dieser wich fein aus: „Sonnenberg wird schwerlich je die Ehre haben, Sie, Herr Direktor, einer unserer Gerichtssitzungen beiwohnen zu sehen." „Herr Professor, Herr Professor!" rief es Plötzlich aus der Hausthür. Es war Kelle'S Stimme. Der Professor erhob sich: „Mein lieber Herr Doctor?" Kelle trat ganz heraus: „In zwanzig Minuten geht der Stellwagen nach Wörgl. Sie klagten über Erschöpfung, ich habe in dem leeren Gastzimmer ein sehr bequemes Sopha entdeckt, Sie können vor der Fahrt noch ein Viertelstündchen ruhen; wir rufen Sie, wenn angespannt ist." Fast gerührt blickte Koch den jungen Mann an: „Wie Sie für mich sorgen! Der Gedanke ist gut, ich werde mich wirklich noch ein wenig niederlegen!" „Dir würde es ebenfalls wohlthun, liebe Elise," kehrte Lamprecht sich zu seiner Frau; „denn die Stell wagenfahrt ist eher eine neue Anstrengung, als ein Ge nuß. Komm in mein Logirzimmer, ich schnüre gleich zeitig mein Handgepäck!" „Der Vorschlag ist nicht zu verachten," nickte aus stehend die Dame. „Magdalene," sagte Lamprecht, „ich bin in wenig Sekunden wieder bei Dir!" Das Mädchen verließ rasch ihren Platz am Tisch und drängte sich an die Mutter: „Mama!" Sie flüsterte ihr Etwas in'S Ohr. „Ja? Bitte!" „Ja, mein Töchterchen!" lächelte die Mama, ihr die Wange klopfend; dann forderte sie ihren Gatten auf: „Lieber Anton, willst Du mich führen?" Der Director bot ihr den Arm. D<m Philosophen, der sich dem Paar anschloß, er- theilte Kelle die Unterweisung: „Im Flur die zweite Thür links, Herr Professor!" Koch verstand, daß er dort das Sopha finden solle, und sprach als klassisch gebildeter Mann seine Zufrieden heit lateinisch aus: „korbono!" Die vier jungen Leute befanden sich allein unter freiem Himmel. Kelle gesellte sich zu Magdalenen und fragte: „Soll ich einmal rathen, was Sie mit so schlauem Lächeln von der Mama -erbeten?" Das helläugige Mädchen antwortete nur indlrect: „Sie setzt es auch durch; denn Papa ist sehr gut, und Ihre Schilderung ließ ihn nicht gleichgültig." Des Doctors Blick suchte das Gesicht des KretS- richterS: „Unverdorben, ich habe den Herrschaften ein wahrheitsgetreues Bild Ihres Sonnenberger KreiSrichter- lhums entrollt." „Kelle, wie konnten Sie?" Der Jurist heuchlte vor trefflich Schreck. „Würden Sie böse sein," fragte ihn Magdalene