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23S, 13, Octobcr, Nichtamtlicher Theil, 4733 der Reliquien in Wasserfarben zu zeichnen. Dieses prächtige Miniaturwerk, in einen Band gebunden und jetzt in der Bibliothek in Aschasfenburg bewahrt, umfaßte 344 Abbildungen, Sieben stellen kostbar verzierte Bücherdecken vor, fünfzig vergegenwärtigen verschiedene Monstranzen in der reichsten Fülle gothischer Archi tekturformen, zweiundfünfzig zeigen ganze Figuren von Heiligen insbesondere zwölf Silberstatuetten der Apostel, fünfzehn Brust bilder und Köpfe; dazu kommen die unzähligen Abbildungen von herrlichen kleinen Altären und künstlerisch gestalteten Reliquarien, Den Anfang des prächtigen Manuscripts bilden die Worte: „Messe tzeigunge und Waysunge des allerhochwürdigsten Hayligthumbs ist geteilet und verordnet in Newn teile oder Genge", Dem Act des „Zeigens" unmittelbar vorher ging ein Warnruf an die Volks masse: „Stehet stille und dringet nicht einander, und ob sich einiger- lei Aufruhr, Geschrei von Feuer oder anderm begebe, sollt ihr euch daran nicht kehren, bis so lange man euch hinwegzugehen erlaubt," Diese wenig feierlichen Worte leiteten das „Ausrufen" ein, welches der Priester nach dem Text vornahm: „Erstlich wird hier gezeiget eine ganz goldene Rose, die Papst Leo X unserm gnädigen Herrn dem Kardinal gegeben hat" u, s, w. Und wie es Friedrich der Weise gethan hatte, ließ auch Albrecht noch in einem besonderen kleinen Merkchen seinen Re liquienschatz veröffentlichen. Er ließ die vorzüglichsten der von Meister Simon entworfenen Zeichnungen in Kupfer stechen und unter dem Titel „Berzeichnuß und Zeichung des hochlobwllrdigen Heiligthums der Stiftskirchen der heiligen St, Moriz und Marie Magdalena zu Halle" herausgcben. Dieses kleine Buch, welches ausdrücklich alle Gläubigen zur Heiligthnmsfahrt nach Halle aus- sorderte, erschien Ende 1520 und umfaßt im Ganzen 238 Abbil dungen, Als Titelblatt ist das Portrait Erzbischof Albrecht's, der „kleine Kardinal", von Dürer vorausgeschickt. Mit Blatt 3 be ginnen die Abbildungen der Heiligthümer, die bis Blatt 120 gehen. Es ist ein Auszug aus dem Miniaturwerk und führt wie jenes die Kostbarkeiten in neun Gängen vor. Nun galt es aber auch, diesem kostbaren Heiligthum eine würdige Behausung zu schaffen. Und so begann Albrecht im Jahre 1520 die gothifche Kirche, die bereits sein Vorgänger Bischof Ernst als „St, Moriz und Magdalenenkirche" angelegt hatte und in der bisher das Heiligthum aufgestellt war, in neuem glänzenden Stile umzuballen, Mathias Grünewald und andere Meister hatten die Bilder zu liefern, und bald erhob sich in Halle ein Bauwerk, das wegen seiner märchenhaften Pracht von den Zeitgenossen als Wunderwerk gepriesen wurde. Wer hätte es dem stolzen Kardinal damals vorausgesagt, daß von allen diesen Herrlichkeiten, mit denen er die wankenden Grund pfeiler der Kirche äußerlich aufzuputzen suchte, binnen kurzem nichts mehr vorhanden sein, daß die Reformation mit allem diesem glänzenden Tand gründlich aufräumen würde! Es soll hier nicht die alle Streitfrage aufgefrischt werden, ob die Reformation den Künsten geschadet habe. Zu bedauern aber bleibt es, daß sowohl der Wittenberger wie der Hallische Reliquienschatz in den kirchlichen Wirren der Zeit gänzlich zu Grunde ging. Was aus der Wittenberger Sammlung geworden ist, ist bis heute noch nicht aufgeklärt. Als im siebenjährigen Kriege die Witten berger Schloßkirche abbranntc, war der Reliquienschatz schon längst verschwunden. Nach einer zeitgenössischen Notiz, die sich in dem Bamberger Exemplar des Wittenberger Heiligthumsbüchlcins be findet, soll er nach Einführung der Reformation unter die protestan tische Geistlichkeit vertheilt worden sein; wahrscheinlich aber wurde er in den Stürmen des Schmalkaldischen Krieges von den Spaniern geraubt. Der Sammlung des Kardinals Albrecht erging es nicht besser, ja Albrecht mußte, was Friedrich dem Weisen erspart blieb, die religiösen Stürme noch selbst mit erleben. Während er durch seine Ablaßprediger das Volk zu blenden suchte, hatte Luther auf andere Weise Len Weg zum Herzen seiner Nation gefunden. Nicht nur in den benachbarten Fürstenthümern hat die Reformation die Ober hand gewonnen, selbst in Albrecht's Erzbisthum brachen sich die Neuerungen Bahn, Das Hallische Heiligthum zog keine Wallfahrer mehr herbei, denn Luther's Schriften hatten dem Volke den Glauben an den Abgott in Halle genommen, Albrecht selbst mußte Halle verlassen und konnte sich sogar in seinem Mainzer Erzbisthum nur mit Mühe behaupten. Er ließ die Heiligthümer einpacken und nach Mainz schaffen. Der ganze Reliquienschatz wunderte von der Saale an den Rhein, und Luther konnte cs sich nicht versagen, in der „Neuen Zeitung vom Rhein Anno 1542" ihm einen Denkzettel in seine neue Heimath nachzusenden, als der Kardinal sein altes Spiel damit wieder begann und den Ablaß seines Heiligthums auch in Mainz zu verwerthen suchte. Heutzutage ist auch von dem Hölli schen Heiligthum nichts mehr übrig. Alle nach Mainz gekommenen und mit dem dortigen Domschatze vereinigten Prachtvollen Gefäße und Paramente theilten mit diesem zur Zeit der französischen In vasion im letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts das Schicksal der Veräußerung und Zerstreuung in alle Welt, Nur die Heiligthumsbüchlein sind übrig geblieben und lassen uns die Pracht jener Sammlungen ahnen und ihren Verlust ans's Tiefste beklagen. Aber auch sie sind sehr selten geworden und nur in wenigen vollständigen Exemplaren erhalten. Es war ein glück licher Gedanke, daß G, Hirth im sechsten Bande seiner „Liebhaber bibliothek alter Illustratoren" das Wittenberger Heiligthums- bllchlcin in mustergültiger Weise neu publicirte. Doch auch dem Höllischen Büchlein, das beinahe noch seltener als das Wittenberger geworden und durch feine Kupferstiche kunstgeschichtlich ebenso wichtig ist, wäre eine baldige Publication dringend zu wünschen. Miseellen. Zur Unsallversicherung, — Das Reichsversicherungsamt hat den „Berl, Polit, Nachrichten" zufolge ein Normalstatut für die Berufsgenossenschaften ausgearbeitet. Ehe dasselbe definitiv festgestellt wird, sollen Interessentenkreise gutachtlich darüber ge hört werden. Das Statut wird daher allen bei der bcrufs- genossenschaftlichen Organisation betheiligten Vereinen, Verbänden und Korporationen demnächst zur gutachtlichen Aeußerung über mittelt werden. HoherBesuch, — Bei seinem kürzlich stattgehabten Münchener Aufenthalte beehrte der Kronprinz des Deutschen Reiches mit seiner hohen Gemahlin und der Marquise of Lorne, Schwester der Kronprinzessin, Herrn Verlagsbuchhändler und Buchdruckerei besitzer Dr, Georg Hirth mit einem Besuche und verweilte in dessen neuem Hause mehrere Stunden, ^tnsmAbr Mr cktlbliOArazMe Dor- ausAOAvbon von Dr. ck. Dotabolät. lieft 10. Ootobor 1884. Inlmlt: Döttingor ^oitnnAon. — Dlnolrwunoobüarton von älit- Vorreiebniss DngllLobsr null LrnoriüaniLobor Lobriktstolier uuck Xooliziner Lobrikton auf ckom ksbists cksr stenoxraxbr- Lobön Intitsratur. (Lobluos tolZt.) — Int-tsratnr nnä Äia-