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gründende Genossenschaft hier eingeschaltet werden wird, bedarf noch der Klärung. Hier eröffnen sich allerdings vielerlei Möglichkeiten, von sachverständiger Seite auf die Siedler einzuwirken und ihnen zu einer bestmöglichen Ausnutzung des ihnen anvertrauten Bodens zu verhelfen. Hingewiesen sei hier noch darauf, daß eine sehr wesentliche Bedingung für das Gelingen des Siedlerwerks ganz zweifel los eine zweckentsprechende Größenbemessung der Parzelle ist. Wenn diese sich weit unterhalb der durch die Richt linien festgesetzten Höchstgrenze hält, liegt die Gefahr vor, daß die Kleinviehhaltung nicht mehr in dem im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Siedlers wünschenswerten Umfang erfolgen kann, vor allem dann, wenn die Bereit stellung von Pachtland zu günstigen Bedingungen nicht möglich ist. Kann dem Siedler, wie es z. B. in Insterburg der Fall ist, i Morgen Land an die Hand gegeben werden und gelingt es außerdem, ihn durch ausreichende Brunnen bauten von der kostspieligen Beschaffung städtischen Lei- tungswassers unabhängig zu machen (in Insterburg haben je 2 Siedler einen Brunnen auf der Grundstücksgrenze er halten!), so sind zwei sehr wesentliche Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung gerade auch in gartenbautech nischer Beziehung erfüllt. Die erste Forderung begünstigt naturgemäß die Siedlung am Rande der kleineren Städte, deren Bodenpreise sich noch in erträglicher Flöhe bewegen, abgesehen davon, daß die Siedler hier im allgemeinen doch noch erdverbundener sind als diejenigen der Großstädte, ein Moment, das im übrigen von sehr wesentlicher Bedeutung für die Frage der Stadtrandsiedlung überhaupt ist und auch von Seiten der für die Verteilung der Mittel zuständigen Stellen in letzter Zeit erhöhte Beachtung gefunden hat. K. ROSENBAUM, GARTENAMTMANN, HAMBURG Mit Rücksicht auf den wertvollen Raum unserer Zeitung bitte ich Sie mir zu gestatten, meine Gedanken über die Stadtrandsiedlung, wenn sie auch das eigentliche Thema der Wirtschaftlichkeit sprengen, unter Fortlassung aller Flos keln und aller Ansichten, die ich mit den Kollegen Heyer und Rauth teile, zum Ausdruck zu bringen. i. Die Stadtrandsiedlung ist keine Bauangelegenheit, son dern ein Kleingarten mit Dauerwohnung. In dieser Er kenntnis hat der Hamburger Staat die örtliche Kleingarten organisation als „Träger“ und mich als Staatskommissar eingesetzt. Die kleinen Häuser sind eine einmalige Bauauf gabe, die Betreuung der Siedler in Gartenbau, Viehzucht, Erziehung zum Gemeinschaftsleben ist die wichtigere und dauernde Aufgabe. 2. Das Haus ist keine Villa, die 5 m von der Straße ihren Platz hat, sondern eine ländliche Wohngelegenheit. Das Haus des Siedlers gehört 10 m vor die hintere Grenze. Dann stoßen hinter den Häusern die Wirtschaftshöfe zusammen, der Siedler wohnt nicht zwischen Vorgarten und Wirtschafts hof, sondern im Garten. Kein Kleingärtner errichtet seine Laube am Weg. 3. Alles was vom Reichsdarlehen durch Eigenarbeit der Siedler am Haus gespart wird, muß für Nebenanlagen ver wendet werden, wie Wegebau, Pumpen, Einfriedigung (Hecken), Geräte, Viehbeschaffung (nicht mehr als der Sied ler füttern kann, sonst ißt er sein Vieh auf), Obstbäume, Saatgut, Dünger. 4. Die Auswahl der Siedler ist entscheidend. Jeder muß mindestens 2 Jahre einen Kleingarten bearbeitet haben oder sonst gärtnerisch vorgebildet sein, auch der Bauhandwerker (es genügen übrigens erfahrungsgemäß 37%). 5. Auf ästhetische Dinge kann man keine Rücksichten nehmen. Was zweckmäßig ist, ist auch schön und fügt sich in das Landschaftsbild. 6. Die Betreuung der Siedler soll nicht in Bevormundung ausarten. Die Siedler sollen freie, bodenständige Menschen werden. Wenn sie in jeder Kleinigkeit gegängelt werden, kehrt das durch die Abhängigkeit vom Wohlfahrtsamt ver lorengegangene Selbstvertrauen nie zurück. Flier liegt einer der Gefahrenpunkte der Stadtrandsiedlung. Der Siedler soll nicht fordern und verlangen, er soll sich rühren und sich selber helfen. 7. So notwendig die Beratung in Gemüse- und Obstbau ist, noch wichtiger ist der Unterricht über Pflege und Fütterung des Viehs. Hier gewahrt man mit Erschrecken die Entfrem dung des Großstädters von allen ländlichen Dingen. 8. Der Siedlungsberater muß auch auf die Pflege und In standhaltung des Hauses sein Augenmerk richten. Viele Siedler fühlen sich noch als Mieter, für die der Hauswirt bezahlen muß, wenn etwas ruiniert ist. 9. Die Siedlerberater dürfen nicht zu akademisch sein. Neben dem praktischen Wissen und der Gabe, das Wissen volkstümlich weiterzugeben, kommt es vor allem auf ein Vertrauen einflößendes Menschentum an. Der Berater muß die Sprache des Volkes sprechen. Die Kollegen, die bisher die Kleingärtner betreut hahen, werden am besten geeignet sein. 10. Gerade die besten Siedler leben in einem Dilemma; sie möchten vorwärts kommen, möchten ihre Siedlung ausbauen und verbessern, aber es fehlt ihnen als Erwerbslose das nötige Geld. Die Siedlung wird erst dann Glück und Zu friedenheit bringen, wenn der Mann seinen Wochenlohn nach Hause bringt. Daher darf die Siedlung nicht größer sein, als die Familie bearbeiten kann, wenn der Mann Be rufsarbeit hat. Siedlungen mit 600 qm, wovon noch das Haus abgeht, sind zu klein, icoo qm ist am besten. 11. Auf 1000 qm gibt es kein „wirtschaftliches“ Siedeln. Man vermeide bei den Siedlern und in der Öffentlichkeit Hoffnungen zu erwecken, als ob die Stadtrandsiedlung mehr sein könnte als der Schrebergarten mit billiger Wohnung im Garten. 12. Ob es nicht besser wäre, Leute, die noch verdienen und über etwas Eigengeld verfügen, als Siedler anzusetzen, ist sehr der Überlegung wert. Kollege Rauth hat Recht, das selbstbezahlte Haus wird anders geschätzt als das geschenkte. Weiter ist zu überlegen, ob es verantwortet werden kann, einem kleinen Teil der Erwerbslosen zu unternormalen Be- dingungen ein Heim zu verschaffen, ob nicht auch die Finanzierung der Siedlung wirtschaftlich zu gestalten wäre. Bekommt ein Siedler Arbeit, so besteht doch kein Grund, ihm neben dem Vorteil des Eigenheims und Gartens auch eine Monatsmiete einzuräumen, die /4 dessen beträgt, die sein Kollege bezahlen muß, der nicht das Glück hat, Siedler zu sein. 13. Jede Verquickung der Stadtrandsiedlung mit gärtneri scher Berufssiedlung ist vom Übel. Solange der Berufs- gemüsebauer nicht einmal den Preis für die Anfuhr auf dem Markt erlöst, kann niemand verantworten, mit Reichsgeldern berufsmäßige Gemüsebauern anzusiedeln. Ist der Gemüse bau wieder rentabel, dann können auch nur erfahrene ge lernte Gemüsegärtner berufsmäßig angesiedelt werden.