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„wirtschaftliche“ Erwägungen die Verwirklichung verhin dern. Die gesunde Form gegenüber „rationell“ vielleicht günstigeren Wohnformen für breite Volksschichten durch zusetzen, muß zur Sache des Willens gemacht werden, zur Sache des Willens auch gegenüber der Trägheit des durch Bequemlichkeit verwöhnten Städters. Heule ist der Wunsch nach dem Eigenheim in zahlreichen Großstädtern wieder lebendig, und zwar aus dem halb er zwungenen, halb freiwilligen Bedürfnis nach Rückkehr zu einfacher, ruhiger und gesunder Lebensführung. „Siedlung“ und „Gartenstadt“ bestimmen die gegenwärtige Epoche städtebaulicher Entwicklung. Voraussichtlich nach und nach zu erwartende Standortsverlagerungen der Industrie würden sogar Gelegenheit zur Gründung von Gartenstädten in reiner Form geben. Aber die Gartenstadt, wie sie in der Vorstellung des Garten architekten und Städtebauers lebt, sehen wir bisher leider nur selten verwirklicht. Das regellose Durcheinander von kleineren und größeren Einfamilienhäusern, wie es jetzt an den Rändern aller Städte sich bildet, läßt allzusehr die ord nende und gestaltende Hand vermissen. Wir sind nicht so unbescheiden, in jedem Falle Planmäßig keit in einem Ausmaße zu fordern, wie sie unsere Bildbei spiele zeigen; aber wir halten ein gewisses Mindestmaß von einheitlicher Geschlossenheit des Eindrucks doch für unent behrlich. Deshalb werden wir nicht müde werden, hinzu weisen auf vorbildliche Leistungen und nicht nachlassen in dem Bestreben, Verständnis zu wecken für die Arbeit des Gartengestallers und Architekten. Welche Steigerung der Wohnlichkeit und Behaglichkeit ist durch sinnvolle Gestaltung bei den Beispielen unserer Bilder erreicht! Aber erst das geschulte Auge erkennt das Wesentliche. Nach dem Bebauungsplan und der Hausarchitektur ist die Profilgestaltung und Befestigung der Straße, ihre Bepflan zung, die Erhaltung und Einfügung vorhandenen Pflanzen bestandes, die Ausnutzung gegebener Geländeunterschiede, die Art der Grundstückseinfriedigung und der Charakter von Vor- und Hausgartenanlage für den Gesamteindruck von maßgeblicher Bedeutung. Leider sind wir noch weit davon entfernt, in breiteren Volks schichten das Verständnis für eine ihrer Sehnsucht nach Naturverbundenheit angemessene schlichte — d. h. natür liche — Ausdrucksform für Bau- und Gartenanlage voraus zusetzen, so daß von berufener Hand in voller Harmonie von Bauwerk und umgebender Landschaft gestaltete An lagen, auch einfachster Art, noch selten anzutreffen sind. An der Herausbildung neuer, dem deutschen Volke artge mäßer Lebensformen werden gartenkulturelle Bestrebungen wesentlich Beteiligt sein müssen. Jensen DIE GRÜNANLAGEN UND GARTEN DER GARTENSTADT HANNOVERKLEEFELD VON DR. FRANZ HALLBAUM. BERLIN Aus der Vorliebe des englischen Volkes für das eigene Heim und aus seiner engen Verbundenheit mit der Natur ist die Idee der Gartenstadt geboren und unter Ebenezer Howard zu einer Bewegung geworden, die in England schon vor dem Kriege eine bedeutende Rolle spielte und von da auf das Festland, besonders auf Deutschland, übergegriffen hat. Wenn auch das in England geprägte Ideal der völligen Selb ständigkeit solcher Gartenstädte, wirtschaftlich und verwal tungstechnisch, nur in wenigen Beispielen wie Letchworth und Welwyn verwirklicht worden ist, so hat doch die Gartenstadtbewegung überall in Europa wesentlich dazu beigetragen, das neue städtebauliche Wollen nach einer Auflockerung der Großstädte, nach einer Umsiedlung und Seßhaftmachung der Bevölkerung zu fördern und eine neue ethische Verbundenheit mit Besitz und Boden zu schaffen. Im großen und ganzen bleiben diese nach einheitlichen Gesichtspunkten geplanten, locker von Grün durchsetzten Siedlungskomplexe Anhängsel der Großstadt und sind da her eher als Gartenvorstädte anzusprechen. Diesen Charakter trägt auch die Gartenstadt Hannover- Kleefeld. Die Bauten, Einfamilien-Reihenhäuser verschie dener Größe, zu Gruppen zusammengeschlossen, haben in ihrer architektonischen Haltung durchaus etwas Städtisches, aber die günstige Lage in unmittelbarer Nähe des Stadt waldes Eilenriede, der enge Zusammenhang mit den schon vor dem Kriege erbauten Villenquartieren und die reich liche Einfügung von öffentlichem Grün und privaten Gärten vermitteln den Eindruck ländlichen Daseins und enger Ver bundenheit mit der Natur. Hierfür gebührt das Verdienst der umsichtigen Stadtverwaltung Hannovers, im besonderen Herrn Stadtbaurat Senator Prof. Elkart und Herrn Garten direktor Kube, und den hannoverschen Gartenarchitekten Wilhelm Hübotter und Oswald Langerhans. Sie sind in der Anordnung des Grüns, in der Disposition der Straßenzüge und Gartenanlagen so freigebig vorgegangen, daß der Ruf Hannovers als der „Stadt im Grünen“ aufs neue gerecht fertigtwordenist. Es ist eine Freude zu sehen, welcher Wett eifer unter den Besitzern entstanden ist. An den Treppen aufgängen und auf den Balkons leuchtet üppiger Blumen schmuck, die Häuser sind auf das anheimelndste mit ver schiedenstem Grün und Blühern berankt, die den Bauten in ihrem ernsten Klinkerton eine fröhliche Note verleihen. Über die Entstehung der Gartenstadt teilen wir folgende Daten mit: 1927 wurde durch die Stadt. Kollegien auf Vor schlag von Senator Stadtbaurat Professor Elkart das Ge lände zur Verfügung gestellt und auf seine Anregung hin die Gemeinnützige Baugesellschaft m. b. H., Hannover, ge gründet, mit dem ausdrücklichen Zweck, den Bau von Ein familienhäusern auf kaufmännischer Grundlage durchzu führen. Aus einem Wettbewerb unter den hannoverschen Architekten zwecks Erlangung geeigneter Bebauungsvor schläge gingen mit dem ersten Preis die Architekten Kölliker 82