ZEITGEMASSERBLUMENSCHMUCK VON GARTENARCHITEKT D. W. B. OTTO VALENTIEN, STUTTGART Die einfachen Bauformen der modernen Architektur geben nicht nur dem Garten am Hause und den öffentlichen An lagen und Plätzen neue Richtlinien, sondern auch der An ordnung des Blumenschmuckes am Hause, auf den Baikonen und Vorplätzen. Die Form unserer neuen Häuser zeigt eine starke Anpassung an den einfachen Bautypus der Mittelmeerländer. Die Er klärung dafür ist sehr einfach und es handelt sich nicht etwa um die unüberlegte Übernahme bodenständiger For men und Gewohnheiten eines fremden Landes. Der Grund ist die Rückkehr zu einer einfachen, elementaren Bauform, von der sich die Bewohner der Mittelmeerländer nie so weit entfernt haben als wir. So zeigen unsere mo dernen Häuser, ganz abgesehen vom häufigen Fortfall des steilen Daches, mit ihren einfachen kubischen Formen eine im Anfang fremd anmutende Ähnlichkeit mit südländischen Bauten. Die hinter dieser Wandlung stehende größere Ehrlichkeit des Empfindens und die Ablehnung jeder Bemäntelung und Verbrämung einer „nackten“ Form ist dabei, auch unsere Beziehung zur Pflanze zu vertiefen. Von den geschniegelten, überladenen Teppichbeeten und den immer nur sauber und gleichmäßig bepflanzten Blumen rabatten sind wir zu der lockeren Form unserer Stauden rabatten gekommen. Wir haben die Schönheit der Einzel pflanze neu erkannt. Aber immer noch steckt uns die über triebene Ordnungsliebe für die „gutgarnierte“ Pflanze im Blut. In Italien stehen winzige Grünfetzen der Zypressen auf mehrere Meter hohen kahlen Schäften. Das entspricht der natürlichen Entwicklung hainartig zusammengepflanzter Bäume und die Schönheit der „kahlen“ knorrigen Stämme vieler südländischer Bäume und Sträucher ist ein beson derer Reichtum der dortigen Flora. Wenn aber bei uns eine Cypresse oder ein Strauch die oft wundervolle Ornamentik der unteren blattlos werdenden Zweige zeigt, gilt er als „kahl“ und wird umpflanzt (ka schiert) oder versetzt. Uns fehlt das Gefühl für die natür liche Form, da wo sie gegen die hergebrachte Korrektheit verstoßen könnte. Der Südländer ist sorgloser und dem Natürlichen näher. Aber auch bei uns zeigen sich schon seit Jahren auf den Baikonen und Terrassen, auch in den Straßen der neuen Siedlungen Kübelpflanzen mit knorrigem Astwerk. Mit der Vorliebe für Kakteen hat sich das Verständnis für bizarre Formen schon weit verbreitet. Vor den meist hellen Wänden der neuen Bauten kommt das interessante Linienspiel des Ast- und Blattwerkes ganz besonders gut zur Geltung. Der hohe Wert der gleichmäßig bepflanzten Balkonkästen in den älteren (nicht den alten) Stadtteilen, mit denen die meist überladenen unruhigen Fläuserfronten oft sehr wohl tuend zusammengefaßt sind, besteht für die neuen Häuser nicht ohne weiteres. Hier ist die Ruhe schon durch die neue Bauart gegeben. Und als besonders glücklich empfinden wir die Unterbrechung der klaren Wandflächen durch ein zelne Bäume und Sträucher. So sehen wir immer häufiger auf Vorplätzen und Baikonen Kübel und Töpfe mit immergrünen Gewächsen, Kakteen und Blumen in sorglosem Nebeneinander. Immer mehr entfernen wir uns von den oft langweilig wirkenden Balkonkästen. Das Zeitgemäße entwickelt sich in der Regel von selbst aus den veränderten Faktoren. Altes Beispiel aus Rottweil Neuzeitliches Beispiel