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Abb. 2 Abb. 3 Die Abbildungen zeigen Musterentwürfe für individu elle Gestaltung von Typengrabmalen nach Vorschriften des Stadtfriedhofsamtes Hannover, bearbeitet von Bildhauer Karl Ahlbrecht, Hannover (Gesamthöhe der Steine jeweils i,60 m) immer hemmend im Wege stehen, außer bei den obenge nannten Instanzen, nur in der Verständnislosigkeit des Publikums und in dem mangelnden Interesse der Presse usw. allein zu suchen sind. Denn wer in der Bewegung an ver antwortlicher Stelle steht und wer in vorderster Front mit- kämpfend sich um die Besserung der beklagten Mißstände bemühte, hat immer wieder feststellen müssen, daß die hart näckigsten Widerstände gerade bei den nur geschäftlich interessierten Grabmalfirmen und -Industrien sich erhoben haben, daß jeder neue Versuch der Führenden, die Ent wicklung weiter zu treiben, von diesen Kreisen mit Miß trauen und mangelndem Verständnis aufgenommen und ein wirklicher Erfolg nur dort erzielt wurde, wo energische Maßnahmen dazu zwangen. Die wenigen guten Anläufe einzelner Industrien, die Elerr Reg.-Baumeister Kretschmer rühmend hervorhebt und die gewiß nicht verkannt werden sollen, können aber an dieser Feststellung wenig ändern. Noch mehr überzeugend wirkt aber auch ein Vergleich zwischen den im kulturellen Sinne beeinflußten Friedhöfen und solchen — die immer noch die Regel bilden —, auf denen die Grabmalindustrie, wenig oder gar nicht gehindert, ihre Erzeugnisse absetzen konnte; denn auf den letzteren ist von einer Grabmalkultur noch sehr wenig zu spüren. Es soll damit nicht gesagt sein, daß dieser wenig erfreuliche Zustand allein dem Versagen einer ganzen Fachgruppe zur Last zu legen ist, sondern daß die letzten Ursachen in der ganzen Einstellung unseres materialistischen und technischen Zeitalters liegen. Damit sind wir aber an dem Kernpunkt der umstrittenen Fragen angelangt, und im Folgenden soll versucht werden, einen Ausweg aus diesem Labyrinth zu zeigen. Die moderne Grabmalindustrie und im besonderen die Gra nitschleifereien sind wie unser ganzes wirtschaftliches Leben auf die rationelle Maschinentechnik eingestellt. Die Ratio der Maschine widerstrebt im Grunde genommen aber einer künstlerischen Formgestaltung, wie sie beim Grabmal ge fordert werden muß; wenn anders wir auf eine solche nicht von vornherein verzichten wollen. Hinzu kommt die durch die Poliermaschine erzeugte Zwangsvorstellung, daß der Gra nit sowohl als auch der Diabas nur im geschliffenen und polierten Zustand seinen höheren Materialwert und damit seine allen übrigen Gesteinen überlegene Schönheit bewei sen könne. Diese Vorstellung von der alleinseligmachenden Schönheit des polierten Granits, die im Lauf der Jahre zu einem schwer zu erschütternden Dogma geworden ist, hat sich als ärgster Feind einer geläuterten Friedhofskultur er wiesen und hat alle Anstrengungen der verantwortungsbe wußten Arbeit auf diesem Wege gehemmt und erschwert. Selbst die allweise Natur, die sich — allerdings vergebens — bemühte, diese schillernden Fremdlinge in ihrem Bereich mit in die zarte farbige Harmonie einzuspinnen, konnte die unentwegten Verfechter dieses Dogmas nicht davon über zeugen, daß es etwas anderes ist, ob ein poliertes granitenes Götterbild im Dunkel eines ägyptischen Tempels mit seinen geheimnisvoll blinkenden Flächen und Formen den An dächtigen zur Ehrfurcht zwang, oder wenn ein schwarz polierter Granitstein im Blumengarten eines deutschen Fried hofes im hellen Licht der Sonne mit seiner gleißenden und spiegelnden Schärfe jede zarte Ruhestimmung brutal zer reißt. Aber nicht nur in dieser Hinsicht hat die Poliermaschine verhängnisvoll gewirkt, sondern sie ist auch als Formzer störerin für den Verlust jedes feineren Formgefühls mitver-