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wieder in den Kreislauf der produktiven Arbeitsleistung hineinzubringen. Die in der Zeit der Scheinblüte über die Zeiterfordernisse hinaus erfolgte Rationalisierung und Technisierung von Handel und Industrie einerseits, die immer mehr sich ver mindernde Exportmöglichkeit industrieller Erzeugnisse an derseits zwingt zu einer gesetzlich geregelten Arbeitszeit teilung, d. h. zu einer allgemeinen Kurzarbeit, um allen gelernten Arbeitern einen Arbeitsplatz in der Industrie zu sichern. Die damit verbundene Einkommenschrumpfung zwingt zu einer Neuordnung des Wohnens und Bauens in engster Verbindung mit Gartenbau, um so jedem die Mög lichkeit zu geben, sich ein selbsterarbeitetes Naturaleinkom men zu schaffen, wodurch der zur Kurzarbeit Verpflichtete erst existenz- und lebensfähig wird. Hieraus ergibt sich, daß man bei der Planung von Stadt randsiedlungen nicht, wie bisher beim Städtebau, vom Hause, sondern vom Garten ausgehen muß. Hierin erblicke ich das grundlegend Neue der ganzen Be wegung, die jedoch nicht von Amts wegen in Szene gesetzt wurde, sondern vom Volke ausging. Den Beweis dafür liefert das wilde Siedeln am Bande der Städte, wo man durchaus lo gisch mit dem Garten begann und dann das Haus hineinsetzte. Die bei der Planlosigkeit dort entstandenen Zerrbilder sind lediglich ein Beweis dafür, daß neue Wege beschritten wer den müssen, um hier zu einem befriedigenden Gesamtergeb nis zu gelangen. Es handelt sich vor allen Dingen darum, klar zu erkennen, daß mit dem üblichen Städtebau das Problem nicht zu lösen ist. Eine Parzellierung im Zusammenhang von Licht, Luft und Sonne nach gartentechnischen Gesichtspunkten, weitgehend ste Berücksichtigung verkehrstechnischer Fragen, denn der Verkehr muß in den Dienst der Stadtrandsiedlungen gestellt werden, um so eine Verschmelzung der Arbeit in der Stadt mit der Arbeit im Garten zu sichern, kann nur durch eine alle Erfordernisse klar überschauende Landesplanung getätigt werden. Dies ergibt sich ja auch ganz von selbst, denn wie der Name „Stadtrandsiedlungen“ schon andeutet, werden diese in den meisten Fällen außerhalb der städtischen Gemarkungs grenzen entstehen. Wenn bisher bei allen Erörterungen dieses Themas meist immer von diesen oder jenen neuen Haustypen die Rede ist und der Garten und seine Bewirtschaftung mehr nebensäch lich behandelt werden, so beweist das nur, wie wenig man den Kern der Sache erkannt hat. Nicht das Haus, sondern der Garten ist das Leitmotiv der ganzen Bewegung, die wichtigsten wirtschaftlichen, sozialen und hygienischen Auf gaben hat er hier zu erfüllen. Das Problem der Stadtrand siedlung ist ein Problem der Bodennutzung, und erst wenn es als solches überall gewertet wird, kann das Ziel erreicht werden, das letzten Endes nicht nur in der Verwertung, son dern in der Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft gipfelt. Es ist bedauerlich, feststellen zu müssen, daß es an dieser Erkenntnis oft noch fehlt, sonst wäre es einfach unmöglich, daß, wie ich es auf Ausstellungen des öfteren habe feststellen müssen, Stadtrandsiedlungspläne ohne die dazu notwendige und führende Mitarbeit von Gartenfachleuten aufgestellt werden. Es wird Aufgabe der deutschen Gesellschaft für Gartenkunst sein, in dieser Beziehung noch eine gewaltige Aufklärungs arbeit zu leisten. Hans Gerlach DIE SCHRIFTLEITUNG hält es für angebracht, in diesem Zusammenhang aufmerk sam zu machen auf die vielleicht nicht allen Lesern der „Gartenkunst“ bekannten neuen Bestimmungen für die vor städtische Kleinsiedlung. Die Reichsregierung stellt bekanntlich im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms weitere Mittel zur Förderung der vorstädtischen Kleinsiedlung zur Verfügung. Auf Grund der inzwischen gesammelten Erfahrungen sind die Richt linien für die Hergabe der Reichsdarlehen in einigen wich tigen Punkten abgeändert bzw. ergänzt worden. Aus den vom Reichsarbeitsminister herausgegebenen Vor schriften*) geben wir einige für die Leser unserer Zeit schrift besonders bemerkenswerte Abschnitte dem Inhalt nach wieder. Da die Kleinsiedlung vielfach zu sehr als Gelegenheit zur Erlangung billiger Wohnungen angesehen worden ist, wird die wirtschaftliche Seite der Siedlung besonders betont und dementsprechend sorgfältigste Auswahl der Sied ler gefordert. Es wird ferner die Notwendigkeit der Betreuung und Beratung der Siedler ausdrücklich hervorgehoben. Die Träger des Vorhabens haben bereits beim Darlehens antrag Nachweis über die Form der Betreuung zu führen. Gemeinnützige Unternehmungen dürfen für diesen Zweck einen geringen Verwaltungsbeitrag von höchstens je RM. 0,50 monatlich erheben. Um eine wirtschaftliche Ges taltungder Siedlerstelle zu ermöglichen, wird die Mindestgröße von 600 qm nur noch bei besonders gutem Boden zugelassen. Schon bei mittleren Bodenarten werden mindestens 1000 qm verlangt. Es ist ferner vorgeschrieben, daß schon bei der ersten Aus wahl des Grundstücks landwirtschaftliche Berufsvertretungen oder sonstige Sachverständige gutachtlich über die Güte des Bodens zu hören sind. Es wird der Charakter der vorstädtischen Kleinsiedlung als Kurzarbeitersiedlung betont und schließlich eine stärkere Berücksichtigung der Mittel- und Klein städte in Aussicht gestellt, weil in diesen letzteren die Vor bedingungen für diese Art der Ansiedlungsform in vieler Beziehung günstigere sind als in den Großstädten (Eignung der Siedler, Arbeitsmarktverhältnisse, Bodenpreise). Es ist uns eine erfreuliche Feststellung, daß diese abgeän derten Bestimmungen Zeugnis ablegen von der Bedeutung, die der gartenbautechnischen und wirtschaftlichen Seite der vorstädtischen Siedlung an verantwortlicher Stelle zuerkannt wird. Wir knüpfen daran die Hoffnung, daß es mehr und mehr gelingen möge, dem Gartenfachmann die ihm gebührende Mitwirkung an dieser Aufgabe zu sichern. Der Klärung der hierfür erforderlichen Grundlagen theoretischer und prak tischer Art und dem Gedankenaustausch über bereits er worbene Erfahrungen auf diesem Gebiet sollte unsere Aus sprache dienen. *) Der Wortlaut ist im „Reichsarbeitsblatt“ 1933, Nr. 6, I, Seite 55—64 veröffentlicht. 60