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196 " laufende Sommerhalbjahr beträgt die Gefammtzahl derl rits inscribirten Studirenden 2716 (955 Sachsen und 1761 Nichtsachsen) gegen 2876 (908 Sachsen und 1968 Nichtsachsen) im vergangenen Wintersemester. Nach den Nationalitäten kommen auf die deutschen Staaten zu sammen 2418 (darunter 1016 aus Preußen, 46 aus Mecklenburg-Schwerin, 40 aus Bayern re.), auf die übrigen europäischen Staaten zusammen 244 (darunter Rußland mit 76, Oesterreich mit 69, die Schweiz mit 41 re.) und auf die außereuropäischen Staaten zusammen 54 (darunter 45 aus Nordamerika, je 2 aus Asrika und Brasilien und je 1 aus Chili, Cuba, Venezuela, Japan und Indien). Außer jenen 2716 rito Inscribirten haben noch 84 Personen die Erlaubniß zum Besuche der - akademischen Vorlesungen erhalten, so daß die Gesammt- summe der Hörer gerade 2800 beträgt. Im Verhältniß zu Berlin, das in seinem jüngst erschienenen Personal verzeichniß nur zusammen 1609 rito Jnscribirte aufführt, zählt die Universität Leipzig sonach 1107 Studirende (in dem gegenwärtigen Halbjahre) mehr. Berlin, 17. Juni. Nach dem heutigen Leitartikel der „Nordd. Allg. Ztg." würde sich der nächste Landtag auch mit einer Angelegenheit aus dem gewerblich-socialen Gebiete zu beschäftigen haben, und zwar in einer Weise, die sich allseitigeren Beifalls erfreuen dürfte, als das verunglückte Contractbruchsgesetz im vorigen Reichstage. Es handelt sich nach den etwas dunkeln officiösen An deutungen um die Einführung obligatorischer Fortbild ungsschulen, wie solche in der letzten Zeit von den ver schiedensten Seiten gefordert wurden, als das geeignetste Mittel, um durch vermehrte Bildung und geistige Anreg ung der zunehmenden socialistischen Verführung und Bethörung der Heranwachsenden Arbeiterbevölkerung ent gegenzuwirken. Schon dem letzten Reichstage lagen eine große Menge Petitionen vor, welche die Einführung ob ligatorischer Fortbildungsschulen in die Gewerbeordnung ausgenommen und somit zum Reichsgesetz gemacht wissen wollten, ein Verlangen, welches als außerhalb der Reichs- competenz gelegen zurückgewiesen und der landesgesetzlichen Regelung überlasten werden mußte. Sollte es wirklich der preußischen Gesetzgebung gelingen, diese schwierige Angelegenheit in befriedigender Weise zu ordnen, so würde sie damit einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der so cialen Frage liefern. Berlin. Der preußische Episcopat wird demnächst wieder, und zwar diesmal unter dem Vorsitz des Fürst- bischoss Heinrich von Breslau, in Fulda zusammentreten, vermuthlich, um seine Stellung den diesjährigen Mai gesetzen gegenüber noch präciser festzustellen. Berlin. Eine, wie es scheint unvertilgbare Ange legenheit, diejenige des Capitäns Werner, beschäftigt neuerdings wieder die deutsche Publicisiik. Der Magdeb. Ztg. deutet man an, daß Werner nach Austragung seines Protestes den Staatsdienst jedenfalls verlassen werde. Seine Freunde behaupten, daß die ministeriellen Organe nur detzhalb so heftig über ihn Hergesallen wären, weil sein damaliges Austreten politisch unbequem war und Alles nur darauf ankam, des schleunigsten darzuthun, daß die deutsche Politik Spanien gegenüber eine streng neutrale sei. Die Militärs lagen, als Werner's Ver halten bekannt wurde, init den Diplomaten in Fehde; von Bismarck nachdrücklich desavouirt, wurde Werner durch einen Besuch Moltke's überrascht. Für jetzt könne nur bedauert werden, daß die deutsche Marine einer tüchtigen Kraft beraubt werden wird, denn Werner sei praktisch ein eben so guter See-Offizier gewesen, als er durch schriftstellerische Leistungen in den Ruf eines ex- cellenten Theoretikers gelangte. Posen. Der „Kuryer Poznanski" veröffentlicht ein Schreiben des hiesigen Domcapitels, in welchem gegen die an dasselbe ergangene Aufforderung, einen General- vicar für die Erzdiöcese zu wählen, Protest erhoben wird. Das Domcapitel könne eine beim erzbischöflichen Stuhle eingetretene Sedisvacanz nicht anerkennen und ohne das Gewißen zu belasten und seinem Eide untreu zu werden, könne und wolle dasselbe nicht zu einer ander weiten Wahl schreiten. Hannover, 16. Juni. Der „Cour." meldet aus Duderstadt, daß der dortige Kreishauptmann, geh. Re- gierungsrath vr. B. Rodewald, infolge einer gegen ihn erhobenen Untersuchung wegen Unregelmäßigkeiten in der Cassenverwaltung ehevorgestern Abend nach 10 Uhr ver haftet und sofort durch einen Gensdarmen und den Ge richtsvogt nach Göttingen abgeführt wurde, vr. Rode wald vertrat früher den Wahlkreis Osterode im Preuß. Abgeordnetenhause. (Nach einer späteren Mittheilung hat man den Verhafteten in seiner Zelle todt aufge funden.) München. Bei der Wanderversammlung der baier. Landwirthe in Regensburg wurde Einem derselben in Donaustauf der Hut vom Kopfe geschlagen, weil er vor einer vorbeimarschirenden Procession den Hut nicht bis zum letzten alten Bauernweib abnahm: „vor Kreuz und Geistlichkeit" hatten er und seine Begleiter, die in drei Chaisen zur Wallballa fuhren, die Hüte abgenommen, vor den übrigen aber das zu thun, hielten sie schon we gen der Gluthhitze für überflüssig. Bremen, 20. Juni. Bei dem heutigen vom Senate gegebenen Banket brachte der König von Sachsen folgen den Toast auf den deutschen Kaiser aus: „Heute, wo die Vertreter sämmtlicher deutscher Stämme zu einen: friedlichen Wettkampfe aus dem Gebiete der ältesten Kunst, der Landwirthschaft, versammelt sind, ziemt es Wohl vor Allem dessen zu gedenken, der uns in den Zeiten der Ge fahr ein so siegreicher Führer gewesen, des wahren Re präsentanten des Symboles des geeinigten starken, aber friedlichen Deutschlands. So fordere ich Sie auf, meine Herren, auf das Wohl Sr. Majestät des Kaisers Wil helm zu trinken." — Der Kronprinz des Deutschen Reichs und von Preußen erwiederte hierauf mit folgendem Trink spruch auf den König von Sachsen: „Ich fordere Sie, meine Herren, auf, mit mir auf das Wohl Sr. Majestät des Königs von Sachsen zu trinken, des bewährten Führers, des siegreichen Feldherrn ini letzten Kriege, der Zierde unter den Fürsten des Deutschen Reiches, der Stütze des deutschen Vaterlandes. Se. Majestät der König von Sachsen lebe hoch!" — Der Präsident des Senates, Bürgermeister Gildemeister, trank auf das Wohl des Kronprinzen, indem er der Freude und stolzen Ge- nugthuung der Stadt Bremen für die Anwesenheit der beiden Feldherrn des Deutschen Reiches und der Dank barkeit für die große Förderung der Ausstellung durch das Protectorat des Kronprinzen Ausdruck gab. Oesterreich. Wien. Warrens' Wochenschrift debutirt mit der ihr angeblich ans guter Quelle zugehenden Meldung, daß mau in Belgrad die Stellung deS Fürsten Milan als unhabbar betrachte und daß bereits eine russisch-englische Combination bestehe, nach welcher dem Herzoge von Edinburgh die Erb schaft zugedacht wäre. Auch von der Eventualität einer Ablößuug der Snzeraiuetüt der Fürstenlhümer gegen Capitali- sicung des Tributs ist in der erwähnten Mittheilung die Rede. Frankreich. Paris, 18. Juni. (K. Z.) Laut „Patric" reisen Lucien Brun und der Marquis v. Castellano nach Frohs- dorf, uin Chambord zu ersuchen, seinen Aufenthalt in Frankreich zu nehmen. — Der Ministerrath beschloß heute, auf die Ernennung der Bürgermeister durch die Regierung zu bestehen und höchstens auf einen Vergleich einzugehen, welcher die Ernennung durch die Regierung auf drei Jahre beschränkt. — Orleansistische Blätter er klären sich jetzt offen gegen den Antrag Perior's. Der Broglio'fche „Frankens" deutet den Jubel der Republi- caner in der Provinz über Lie Annahme des Perier'scheu Antrags als einen Beweis, daß dieser Antrag äußerst gefährlich sei. Das „Journal de Paris", Organ der Prinzen von Orleans, erblickt schon das rothe Gespenst und hält die rcpublicanische Kundgebung, welche in Nimes bei dein Bekanntwerden der Abstimmung von Montag Statt fand, für ein deutliches Anzeichen, daß die Proclemation der Republik sofort Aufstände Hervor rufen werde. Voraussichtlich erklärt sich der Dreißiger- ausschuß gegen Perier und für Lambert de Sainte Croix, also für die Aufrechterhaltung des Provisoriums. Der Gegenstand kommt wahrscheinlich in nächster Woche vor die Kammer. Wie die Abstimmung ausfallcn wird, läßt sich heute noch nicht absehen. Audiffret-Pasquier sucht man dadurch zu gewinnen, daß man ihm den Botschafter posten in Wien anbietet; Harcourt, der jetzt in Wien ist, würde alsdann nach London versetzt. Wie aus der Sprache des officiösen Blattes „La Presse" hervorgeht, will Mac Mahon nur solche Gesetze annehmen, welche von der geniäßigten Rechten gulgeheißen werden und die Aufrechterhaltung der jetzigen Politik und Verwaltung gestatten. Die Hauptsache sei übrigens, daß die dem Marschall am 20. November gemachten Versprechungen Betreffs der Organisation seiner Gewalt möglichst bald erfüllt würden. Spanien Madrid. Es bestätigt sich, daß mehrere carlistische Banden, vorzugsweise aus Basken bestehend, dem Prä tendenten den Gehorsam aufgesagt haben und insbeson dere dre aus der Provinz Guipuzcoa recrutirten Ba taillone sich in offener Meuterei befinden. Es scheint, daß sie dem Worte des Prätendenten, ihre alten Municipal- rechte, die „Fueros," achten zu wollen, tiefes Mißtrauen entgegentragen. Ihr „gesalbter König" hat darauf mit der Füsillade von vierzehn Unteroffizieren geantwortet und verheißen, mit diesem Maffacre fortsahren zu wollen. Trotzdem bleibt es zweifelhaft, ob es ihm gelingen wird, baskische Trotzköpfe damit unter seine Fuchtel zurückzu- bringen, und mit der Gegnerschaft dieser alten vielbe- thörten Anhänger seiner schlechten Sache wäre diese so gut wie verloren. Ter Kampf um'S Dasein. Roman von Franz Ewald. Fortsetzung aus Nr. 49. Der Abend dämmerte herein. Schwere Wolken wurden von einem starken Nord-West vorwärts ge peitscht und der Regen floß unaufhörlich. So unfreund lich und rauh wie es draußen war, so war's auch drinnen. Nur in dem großen lustigen Arbeitszimmer des Pastors Sieverling war's freundlich und behaglich. Ja, es schien, als ob der Sturm und das Unwetter nur ge eignet wären, es drinnen noch wohnlicher zu machen. Im Kamin flackerte ein lustiges Feuer und be leuchtete die Umgebung, welche gerade nicht viel An ziehendes darbot, aber um so viel mehr enthielt, was ; zur Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des Lebens durch- faus nothwendig ist. Da waren Lehnsessel, welche von kostbareren Stoffen gearbeitet werden konnten, aber ge wiß nicht besser ihren Zweck Erfüllten. Alles war auf Comfort berechnet. Der Pastor faß, in einen grauen Schlafrock gehüllt, ein schwarzes Sammtkäppchen auf dem Haupte in un mittelbarer Nähe des Feuers. Die Flamme beleuchtete zu Zeiten gespenstig seine hageren, scharf ausgeprägten Züge. Es gab oft Zeiten, wo Pastor Sieverling eine seltsame Unruhe an sich heranschleichen fühlte. Zwar war er gewohnt, alle Schatten der Vergangenheit energisch zu vertreiben, aber nicht immer wollte es ihm gelingen und gerade jetzt war ihm ein Schatten in den Weg ge treten, den er nicht bannen konnte. Er hatte gehofft, Alaric Schneidler würde diese Krankheit, welche sie an den Rand des Grabes führte, nicht überstehen, und dann war er von allen Sorgen befreit. Er hatte seine Maßregeln derartig getroffen, daß er auf alle Fälle gedeckt war. Aber Marie erholte sich eben wieder. Der Pastor war ein Mann, der sich nie um einen Ausweg in Verlegenheit befand und so hatte er auch bereits einen solchen gesunden. ° Er hatte schon oftmals an Mariens Verstand gezweifelt, sie war in solchen ent setzlichen Widersprüchen befangen, daß ihr gewiß ein zeitweiliger Aufenthalt in einer Privat-Jrrenanstalt von großem Nutzen gewesen wäre. Sieverling hielt dies in der That für eine ausgezeichnete Idee und er war ent schlossen, sie sofort in's Werk zu setzen. Vorläufig wollte er sie noch einmal prüfen. Der Gedanke ermunterte den Pastor. Er zog sich einen Rock an und begab sich dann in das im obern Stockwerk befindliche Krankenzimmer. Eins beunruhigte ihn nur und das war der Gedanke an Doctor Sauber, den er als einen schlauen und energischen Mann kannte. Aber auch dies würde sich arrangiren lassen — es gab ja so unzählige Auswege aller Art. Sieverling scheute vor keinem Morde zurück, aber dennoch war Mariens Leben vor ihm gesichert. Sie aus deni Wege zu räumen, hatte er ja oft die Gelegen heit gehabt und vor der Strafe oder vor Entdeckung bangte er nicht. Es waltete ein Geheimniß zwischen ihm und der Unglücklichen und dies rettete sie. Wenn er auch oft mit dein Plane umging, sich durch ihren Tod vor jeder möglichen Gefahr zu sichern, vor der Aus führung dieses Planes schützte sie ein geheimnißvolles Etwas, was Sieverling mit Grausen erfüllte, wenn er daran dachte. Auch jetzt, wo er sich allein in seinem Arbeitszimmer befand, konnte er den Gedanken daran nicht bannen. Er war am Nachmittage im „Grauen Hause" gewesen. Er hatte den Verwundeten erkannt. Steverling harrte auf die Nachricht seines Todes. Aber hatte ihm das Walten der Vorsehung nicht schon einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht? Lebte nicht auch Marie noch? Düstere Gedanken durchzogen sein Inneres und nur seine eiserne Willenskraft hielt ihn aufrecht. Er freute sich fast, als feine Wärterin ihm den Besuch eines Mannes anmeldete, der ihn dringend zu sprechen wünschte. Er wollte seinen Gedanken entrinnen. Der angemeldete Besuch trat in das Gemach. Der Pastor sah sich bei dem Scheine der Lampe einem Frem den gegenüber, der sich ihm langsam näherte. Auf Sieverling's Lippen schwebte die Frage, wer der Einge tretene sei, aber ehe er dazu kommen konnte, diese Frage zu thun, richtete sich der Fremde aus seiner gebückten Stellung empor. „Ich bin's, Herr Pastor!" Sieverling stand einen Augenblick wie erstarrt. Den Mann hatte er nicht wieder erkannt, so geschickt und geradezu unerkenntlich hatte dieser sich verkleidet, wohl aber die Stimme desselben. „Höll' und Teufel!" schrie er auf. „Du bist es. Wo kommst Du her? Ich glaubte Dich auf dem Meere." Jetzt kam der Fremde dem Lichtschimmer der Lampe näher. Sieverling starrte ihn an, als hielte eine Geister erscheinung, seinen Blick gebannt. Trotz der Verkleidung, trotz der Perücke erkennen wir einen alten Bekannten wieder — den Kesselschmied Stahlbock. „Unglücklicher, wo kommst Du her?" wiederholte der Pastor mit zitterndem Tone. „Ich erwartete eher meinen Tod, als Dich hier zu sehen, hier in meinem Hause, mitten in der Stadt, wo die Gefahr der Ent deckung so nahe steht. Weigt Du denn nicht, daß man im Geheimen alle Mittel aufwendet, Deiner habhaft zu werden. Alle wären verloren, wenn man Dich findet." „Niemand wird mich in dieser Verkleidung erkennen," sagte der Kesselschmied. „Niemand? Das Auge der Polizei ist scharf."! „Schärfer wie das Ihrige, denn auch Sie haben nach nicht erkannt. Meine Stimme leitete Sie auf die richtige Fäh.te und meine Stimme habe ich zu verstellen gelernt. Außerdem müssen Sie mich schlitzen, wenn es wirklich dazu kommt, daß man mich entdeckt. Sie sind ja allmächtig!" Ein bitteres Lächeln umspielte die Lippen des Pastors. „Einen Brandstifter schützen?" murmelte er zwischen den Zähnen. „Glaubst Du im Ernste, daß ich die Macht habe, Dich den Händen der strafenden Gerechtig keit zu entziehen?" „Ich habe auf Sie gezählt." „Du dürftest Dich aber doch verrechnet Habs», Ver-