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Zweiter Jahresbericht der Gesellschaft zur För derung dec buchhäadlerischen Fachbitdung in Schlesien (Sch Breslau). Geschäftsstelle: Breslau 1, Atbrcchlstraße Nr. 52; Postscheckkonto: Breslau Nr. 12160; Kommissionär: F. Volckmac in Leipzig. 8°. 12 S. Zweieinhalb Fahre sind vergangen, seitdem in diesen Spalten die Frage der Einrichtung van Fachknrsen fiir nnscrn Jnngbnchhandel wieder einmal angeschnitten nnd lebhaft erörtert wnrdc. Breslau war diejenige Stadt, die den Gedanken in seiner neuen Form zuerst aufgriff und in die Tat umsetzte. Schau die Art und Weise, in der dies geschah, wirkte recht sympathisch und vielversprechend. Still, ahne viel Aufhebens zu machen, war man an die Arbeit gegangen, und als die breitere Öffentlichkeit zuerst van dem Unternehmen erfuhr, da stand es in seinen (Grundlagen schau festgefügt da, hatte seine bestimmten GegenwartSanfgabcn nnd einen klar umrissenen Zukunftsplan. Ter Lauf der Dinge hat die Erwartungen nicht enttäuscht. Tie van Zeit zu Zeit im Börsenblatt erschienenen kurzen Berichte ließen erkennen, wie die Gesellschaft zielbcwußt an die Lösung der verschiedenen Auf gaben ging nnd sie mit Erfolg bewältigte. Die beiden Jahresberichte geben ein vollständiges Bild ihres Wirkens. Nachdem bereits in Nr. 299 des Bbl. vam 23. Dezember 1918 Einzelheiten ans dem soeben im Druck erschienenen Bericht über das vergangene Jahr veröffentlicht worden sind, soll an dieser Stelle nur auf wenige Punkte nachmals eingcgangen werden, um denjenigen Städ ten, die in die Fußstapfen Breslaus treten wallen, einige Winke zu geben, wie sie ohne langes Experimentierem in verhältnismäßig kurzer Zeit etwas wirtlich Brauchbares und Lebensfähiges schaffen können. Das Breslauer Unternehmen kann in jeder Hinsicht als Schulbeispiel gelten. Im November 1910 hielt ein älterer Buchhändler im Kreise van Fachgenossen einen Bartrag, in dem er die Notwendigkeit einer besse ren sachlichen Ausbildung des buchhändlerischen Nachwuchses betonte und die Möglichkeit ihrer Herbeiführung an der Hand von praktischen Barschlägen erörterte. Nach lebhafter Anssprache wurde die Grün dung der »Gesellschaft...« beschlossen, die sich laut Satzungen die Aufgabe stellte, »die Fachbildung in Schlesien durch Unterricht in Fachklassen nnd Fachkursen, durch Bartrügc, Führungen, Bersendung van belehrenden Drucksachen usw. zu fördern«. Es wurde dabei also nicht, wie es an sich wohl nahegelegcn hätte, ans den vorhandenen buchhändlerischen Bereinigungen anfgebant, sondern eine völlig neue Organisation geschaffen, die alle Gesinnungsgenossen umfaßte: Prin zipale nnd Gehilfen (ordentliche Mitglieder), Lehrlinge (Mitglieder der Jngendabteilung) nnd sonstige Freunde der Bewegung (außeror dentliche Mitglieder). Die bestehenden Bereinigungen stellten sich natürlich in den Dienst des Unternehmens, sei es durch Zahlung von Zuschüssen oder in andrer Weise, etwa wie der »Rübezahl«, der seine Fachbücherei der Gesellschaft zur Benutzung überließ. Die Mitglieder zahl stieg rasch von 17 bei der Gründung bis auf etwa 180 im Fe bruar 1919. Darunter befindet sich eine ganze Reihe auswärtiger. Neben Buchhändlcrnamen von gutem Klang, deren Träger nicht nur Worte, sondern,anch Mittel für die BildungSbcstrebungen übrig haben, stößt man da vor allem ans bnchhündlerischc Bereine als korpcr schaftliche Mitglieder. Diese Tatsache beweist, daß weite Kreise des deutschen Buchhandels von der Notwendigkeit besserer fachlicher Aus bildung unseres Nachwuchses durchdrungen sind, daß cs also überall dort, wo in dieser Richtung noch nichts oder nur wenig geschehen ist, offenbar nicht an der nötigen Einsicht, sondern bloß an den geeigneten Persönlichkeiten fehlt, die geneigt sind^. ihren Einfluß, ihr Wissen nnd ihre Tatkraft in den Dienst der guten Sache zu stellen. Der von der Breslauer Gesellschaft gewählte Vorstand sorgte für die Verwirklichung der gesetzten Ziele. Man trat mit der städtischen kauf männische» Fortbildungsschule in Verbindung nnd erhielt in entgegen kommender Weise eine der wöchentlichen Pflichtstnnden für die fach liche Belehrung der die Schule besuchenden Buchhandlnngslehrlinge zur Verfügung gestellt. Hierbei wurden die Schüler aller drei Jahr gänge znsammcngesaßt nnd auch einige freiwillige Teilnehmer (jün gere Gehilfen nnd Gehilfinnen) zngclasscn. So konnte in 37 Stunden des Jahres den jungen Fachgenossen wenigstens etwas geboten wer den. Den Unterricht übernahm in dankenswerter Weise ein Buch händler. Kommende Ostern wird mit dem Aufbau einer durch alle drei Schuljahre laufenden Fachklasse begonnen werden, innerhalb der ber gesamte Unterricht ans buchhändlcrischer Grundlage er teilt werden wird. Der Lehrplan umfaßt ans der Unte r st u f e zwei Stunden Bnchhandelslehre mit Briefwechsel, zwei Stunden Rechnen, je eine Stunde Kurzschrift und Deutsch, ans der Mittelstufe wie derum zwei Stunden Bnchhandelslehre mit Briefwechsel, zwei Stun den Rechnen, je eine Stunde Buchführung und Literaturgeschichte, auf 200 der Oberstufe zwei Stunden Buchführung und je eine Stunde Bnchhandelslehre, Rechnen, Literaturgeschichte nnd Bürgcrkunde. Als Fachlehrer ist ein an der kaufmännischen Fortbildungsschule angestell- ter Handelslehrcr in Aussicht genommen, der sich seit Monaten theo retisch nnd praktisch ans seine Tätigkeit vorbereitet und darin seitens der Breslauer Buchhündlerschast bereitwilligst unterstützt wird. Ein Mitglied der Gesellschaft führt ihn in sämtlichen Buchhandlungen ein, deren Inhaber ihn dann mit den besonderen Einrichtungen ihres Be triebes bekannt machen. Auch zieht man den Herrn zu allen Ver sammlungen und Unternehmungen der Gesellschaft zu. Es werden so persönliche Beziehungen geschaffen, die für den Erfolg des Unterrichts mindestens ebenso -wertvoll sind wie der Einblick in die allgemeinen buchhändlerischen und die besonderen örtlichen Gcschäftsvcrhältnisse. So wirkt Breslau auch hier vorbildlich für alle Städte, die Bil dungsarbeit schon betreiben oder in Zukunft betreiben wol len. — Um diese Fachklasse, die den eigentlichen Kern der Veranstaltungen darstellt und deshalb auch ausführlicher gewürdigt worden ist, gruppieren sich die übrigen Unter nehmen der Gesellschaft. Zunächst der Werkunterricht, durch den die Mitglieder Gelegenheit erhalten, unter fachmän nischer Anleitung die verschiedenen Zweige der buchgewerblichcn Tech nik kennen zu lernen. Führungen durch Musterbetriebe ergänzen ih»: daneben werden Besichtigungen von Museen, Bibliotheken nnd andern den Buchhändler interessierenden Fnstitnten veranstaltet. Die Fachbiicherei, die gegenwärtig bereits 734 Bände umfaßt (sie sind zum größten Teil gestiftet!), steht allen Mitgliedern auf Grund des vorhandenen Verzeichnisses nnd der Benutzungsordnung zur Ver fügung. Preisausschreiben im Anschluß an die Führungen veranlassen die Teilnehmer zur geistigen Verarbeitung des Gesehe nen: Versammlungen mit Vorträgen über buchhändlerische Stoffe bieten ebenfalls geistige Anregung und fördern den festen Zu sammenhalt der Mitglieder untereinander. Die in zwangloser Folge erscheinenden »Mitteilung e n« der Gesellschaft berichten über die laufende Tätigkeit, über geplante Unternehmungen und geben Winke für zweckmäßige Gestaltung des Selbststudiums, z. B. durch Zusäin- menstellen geeigneter Untcrrichtswerke. Auch eine Lehrlings- vermittlung ist geschaffen worden. Das ist in kurzen Zügen das, was bisher in Breslau geleistet wurde. Es ist viel, sehr viel. Jedem, der sich in dieser materiel len Zeit den Sinn für die Fdeale unseres Berufs, Verständnis sür die inner» Bedürfnisse unsrer Jugend und den Glauben an ihre Zu kunft bewahrt hat, muß das Herz aufgehen beim Lesen der wenigen Seiten. Aus ihnen weht einem ein erfrischender, befreiender Hauch von Arbeitslust und Unternehmungsgeist entgegen, man vernimmt kein wehleidiges Klagen über die traurigen Folgen des Krieges, die die Verwirklichung des einen Planes nicht ermöglicht, die Durchfüh rung eines andern verzögert und die Inangriffnahme eines dritten verhindert haben. Die zähe Tatkraft und die selbstlose Hingabe von Männer», die an sich schon durch ihren Berns voll in Anspruch ge nommen waren, haben hier in Breslau dafür gesorgt, daß in der Ent wicklung trotz der ständig wachsenden Kriegshemmnisse nie ein Still stand, geschweige denn ein Rückgang eintrat. Unausgesetzt führte der Weg nach oben. »Was wir im zweiten Geschäfts jahre unternehmen konnten, haben wir getan, und wir sind etwas allzu bescheiden, in der Einleitung des Berichts.« Dann wird dem Leser kurz nnd sachlich, ohne viel Worte, durch einfaches Aneinanderreihen von Tatsache'.! vor Augen geführt, ivie es gelungen ist, den widrigen Zeitvcrhältnissen das Zustandekommen und Empor- blühen des Unternehmens abznringen. Wahrlich, der ganze deutsche Buchhandel kann stolz darauf sein, was von einem seiner Teile voll bracht worden ist. Alle, die der Bildungsfrage Interesse cntgegenbringe» es sind deren mehr, als man meinen könnte, sollten sich den Bericht verschaffen, ihn aber dann nicht nur lescu, sondern vor allem in sei nem Geiste handeln. Glaubt jemand an die Möglichkeit der Schaf fung eines ähnlichen Unternehmens am eigenen Platze, so gehe er ohne Zögern ans Werk oder trachte die geeigneten Persönlichkeiten dafür zu gewinnen: die Breslauer Gesellschaft wird sicherlich gern ans Grund ihrer Erfahrungen mitraten und mithelfen. Niemand sage, die Zeit sei nicht günstig, es müßten andre, bessere Verhältnisse abgcwartet werden. Die Zeit ist günstig, mehr noch, der Augenblick verlangt gebieterisch ein Handeln. Auf das jetzt Heran wachsende Geschlecht junger Buchhändler gründen sich unsre Zn- kunftShoffnungcn. Diese können sich nur erfüllen, wenn bei allem berechtigten Streben nach materiellem Vorteil die Pflege der inner» Güter nicht vernachlässigt wird, ohne deren Besitz der Mensch znm bloßen Tagelöhner seines Berufs hcrabsinkt. Gedenkt der deutsche Buchhandel seinen Znknnftsban von Tagelöhnern aufführcn zu las sen? — Wer aber, ans irgend welchen Gründen, die Sache nicht durch schaffende Arbeit zu fördern vermag, der erfiille in andrer Weise seine