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Bekanntmachung. Hiermit wird zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß Seiten des Raths- und Stadtverordnetencollegiums zu der Feuerlöschordnung für Pulsnitz vom 28. Juni 1870 folgender Nachtrag beschlossen worden ist: Weiter sollen, selbst wenn ein Brand in der Stadt für gelöscht und die nächste Gefahr für beseitigt erachtet wird, außer den als Wache bet der Brandstätte commandirten freiwilligen Feuerwehrleuten eine aus den jüngeren Bürgern bestehende Wache von 10 bis 20 Mann bei der Brandstätte verbleiben und erst auf Anordnung des Feuerlösckdirectors abtreten dürfen. Pulsnitz, am 4. Juni 1878. Der Stadtrat h. Schubert. Brgrmstr. Bekanntmachung. Glaubhafter Anzeige zufolge hat die nachstehend unter O, soweit möglich, näher beschriebene unbekannte Frauensperson sich am 16. dies. Monats in einer Wohn ung les Dorfes Laußnitz einen neuen dunkelblauen, mittelst hellblauen Streifen gekästelten Frauenrock von Lama-Stoff durch wahrheitswidrige Angaben über ihre per sönlichen Verhältnisse zu erschwindeln gewußt. Behufs Ermittelung der Schwindlerin und Wiedererlangung des vorbezeichneten Rockes wird dies hiermit öffentlich bekannt gemacht. Königsbrück, den 27. Mai 1878. KöniglichesGerichtsamtdaselbst. Leitzring. S. O Die unbekannte Frauensperson ist dem Anscheine nach 45—50 Jahre alt, von mittler Statur, war mit schwarzem Sammet-Jaquett, grauem Kleide, schwarzem Krepphute mit weißer Blume und schwarzem Schleier bekleidet, trug veilchenblaue Glacehandschuhe und führte einen schwarzen Sonnenschirm mit weißer Kante bei sich. Das zweite Attentat. Unserem heutigen Bericht über die Vorgänge, welche mit dem ruchlosen Anschläge auf das Leben unseres Kaisers in Verbindung stehen, schicken wir zunächst das Bildniß des Attentäters vr. xkü. Nobiling voraus, das mit großer Sorgfalt nach einer wohlgetroffenen Photographie des Verbrechers hergestellt ist. Wir wollen unsern Lesern das Porträt des ruchlosen Meuchelmör ders schon aus dem Grunde nicht vorenthalten, weil vielleicht dieser oder jener sich seiner erinnert und in der Lage ist, Angaben über sein Vorleben, seine Verbindungen u. s. w. an zuständiger Stelle abzugeben. Eine kurze Biographie dieses Elenden haben wir bereits in voriger Nummer dieses Blatte? gebracht und verzichten wir deshalb auf eine Wiederholung der selben, dagegen lasten wir nähere Berichte, welche wir zum großen Theile Berliner Blättern entnommen, hier folgen: Berlin, die „B. B. Z." schreibt:. „Unsere gestrige Mittheilung, daß auf persönlichen Wunsch des Kaisers der Kronprinz die provisorische Führung der Staatsge schäfte bis zur Wiedergenesung des Kaisers übernehmen werde, wird mehrfach ventilirt. Es ist erklärlich, daß die vom Staatsministerium in Vorschlag zu bringenden Maß regeln bei dem jetzigen Zustande des Kaisers seiner Sank tion nicht unterbreitet werden können. Daher möchte man denn auch den Kronprinzen in Stellvertretung des Kaisers diesen Akt der vom Staatsministerium vorge schlagenen Maßregeln zuvörderst vollziehen lasten. Eine Einberufung des Landtages ist bei einer bloßen Stell vertretung nicht durch die Verfassung geboten, sondern erst bei Uebernahme einer Regentschaft für den Monarchen. Als der jetzige Kaiser in seiner Eigenschaft als Prinz von Preußen die Stellvertretung für den' kranken König Friedrich Wilhelm IV. übernahm, wurde dieselbe ohne die nothwendige Znstimmung des Landtages von Viertel jahr zu Vierteljahr verlängert. Erst als der Prinz von Preußen unter dem Namen Prinzregent die Regierung übernahm, wurden die Kammern einberufen zur Ableistung des Eides, welchen auch der Prinzregent auf die Ver fassung schwor. In Bezug auf Dr. Nobiling war gestern Nach mittag in der Stadt das Gerücht verbreitet, derselbe habe das Bewußtsein wieder erlangt und habe, da man ihn auf die Nähe seines Todes aufmerksam machte, seine Mitschuldigen — man wollte sogar wissen, netto 100 Personen — angegeben. Trägt das Gerücht auch schon an sich den Stempel der Unwahrheit, so wollen wir es doch als durchaus unbegründet bezeichnen. Wir können authentisch versichern, daß Nobiling andauernd bewußt los ist und daß man neuerdings als ziemlich gewiß an nimmt, er werde überhaupt nicht mehr zum Bewußtsein kommen. Nobiling wurde gestern Morgen aus der Cri- minalzelle nach der Krankenstation der Stadtvoigtei über geführt. Medicin und Nahrung wird ihm auf künstlichem Wege eingegeben, auch ist ein Wächter der Charitee ihm beigegeben. Wir glauben an dieser Stelle die Nachricht des „Tgbl." einfügen zu dürfen, daß auch der Feldmarschall Graf Moltke einen Drohbrief erhalten habe, worin steht, daß er sich nicht unterstehen solle, wieder einmal im Reichstag eine solche Rede zu halten, sonst würde man ihm ebenfalls zu Leibe gehen. Auch solle er sich nicht einbilden, daß unsere Landwehr, wie die Franzosen, auf die Kommunards schießen würde. So etwas thäten unsere Landwehrleute nicht. Ein kaiserlicher Lakai brachte gestern Vormittag dem Untersuchungsrichter, Stadtgerichtsrath Johl, die Sachen, die der Kaiser am Nachmittag des Attentats getragen hat, den Helm, den Jnterimsrock, der stark durchlöchert ist, die weiße Weste, welche mit Blut ge tränkt und das Hemd, welches gleichfalls durchlöchert und von Blut durchdrungen ist. — Ueber die Scene, welche sich beim Eintreffen der Nachricht von dem Attentat in der Familie des Ver brechers entwickelte, wird in dem „Tgbl." von gut in- formirter Seite Folgendes berichtet: Die in der Hinter- sinstraße wohnhaften Eltern Nobilings seine Mutter und der Stiefvater — saßen am Sonntag Nachmittag beim Kaffee in höchster Seelenruhe und unterhielten sich von gleichgültigen Dingen, als ein königlicher Wagen mit zwei Herren in Civil und zwei Offizieren vorüber jagte und dann in der Roonstraße 3 anhielt. Wenige Minuten später fuhren die Herren mit dem Geheim- rath Langenbeck, der in jenem Hause wohnt, wieder zu rück. Herr v. G., Major a. D-, der Stiefvater des No biling, der vom Fenster aus die Eilfertigkeit mit an gesehen hatte, sagte zu seiner Frau: „Da muß wohl eine hohe Person sehr schwer erkrankt sein; sie haben's mit dem Geheimrath sehr eilig. Eine halbe Stunde später kam eine Droschke 1. Elaste vor das Haus ge fahren und eine schwarzgekleidete Dame mit todtenbleichem Antlitz stieg aus. „Barmherziger Gott, was fehlt meiner Tochter!" rief die Majorin und stürzte der Kommenden schon auf der Treppe entgegen. Die Tochter ist be kanntlich eine pflegende Schwester in einem hiesigen Hos pital. Sie bat im Flüsterton die Mutter zu schweigen und erst in die Wohnung zu kommen. Hier ließ sich die Tochter erschöpft in einen Lehnstuhl nieder, während die Mutter mit angsterfüllter Seele an ihren Lippen hing. Endlich fragte die Tochter: „War Karl heute hier?" — „Nein," sagte der Major, „gestern am Sonn abend hat er uns besucht." — „Und wißt Ihr nicht, was heute unter den Linden vorgefallen ist?" — „Nein antwortete die Mutter, aber spanne uns nicht auf die Folter; was ist geschehen?" — „Man hat auf den Kaiser Wilhelm geschossen." Der Major und seine Frau sprangen entsetzt auf und fragten zugleich: „Wer?" Die Tochter holte erst tief Athem, dann antwortete sie mit tonloser Stinime: „Der Mörder heißt Karl Nobiling, man schreit den Namen von Verwünschungen begleitet durch alle Straßen der Stadt; ich hörte den Tumult von meinem Fenster aus, und fuhr, wie ich ging und stand, zu Euch, um zu hören, wo unser Karl ist." Der Major stand wie an den Boden gewurzelt, die Mutter fiel in Ohnmacht, die Tochter fing sie mit ihren Armen äuf. Wieder kam ein Wagen vorgefahren, zwei Herren stiegen die Treppe zur Wohnung des Majors hinauf, es waren höhere Polizeibeamte, die in sehr höflichem Tone den Herrn Major v. G. und seine Gemahlin ersuchten, zur Polizeiwache nach der Mittelstraße mitzukommen. Die Tochter fragte, ob sie ihre Ellern begleiten dürfe, was ihr gestattet wurde. Die Majorin, die sich wieder er holt hatte, folgte, von der Tochter gestützt, ihrem Manne und den beiden Herren, die mit den Damen dann nach dem Molkenmarkt fuhren. Auf dem Wege dorthin sprach die Mutter nicht eine Silbe, sie sah mit halb verworrenem Sinn das Gewoge der Menschen auf der Straße, hörte das Ausrufen der Extrablätter und das Verdammen des Mörders." Die Nachforschungen nach Complicen Nobilings haben bisher zu keinem Resultate geführt. Zwar er zählte man sich gestern, das kurz nach dem Attentat mit Nobilings Adresse hier eingetroffene Schreiben aus Paris enthalte sehr kompromittirende Mittheilungen, die ein förmliches Complott gegen das Leben unserer Herr scherfamilie enthüllen, allein Mse Nachricht dürste doch mit großer Vorsicht aufzufaffen sein. Gestern Vormitttag hat die Vernehmung des Kut schers und des Lakaien des Kaisers durch den Unter suchungsrichter stattgefunden. Es sind dieselben Personen, welche auch beim Attentat Hödels im Dienst waren. Dem ganzen Zeugen-Verhör des gestrigen Tages wohn ten Staatsanwalt Tessendorff und Stadtgerichtspräst- dent Krüger bei. Bis gestern, Dienstag, Abend hatten sich schon 53 Personen als Zeugen gemeldet, vielfach, um über Nobi lings Vorleben Zeugnitz abzugeben. Von derselben zu verlässigen Seite, von der wir diese Mittheilung erhalten, wird uns noch bestätigt, daß Beweise über das Vorhanden sein eines Komplotts vorliegen. Wie wir hören, hat die Polizei dafür Anhalts punkte gewonnen, daß Nobiling Komplicen hat, denen man bereits auf der Spur sein dürfte. Man soll in den Besitz einer Photographie derjenigen Person gelangt sein, welche den aufgefangenen Brief an Nobiling ge schrieben. Ferner ist in der Wohnung der Geliebten Nobilings die Photographie eines distinguirt aussehen den Manner ausgefunden worden, nach dem jetzt ge forscht wird. Nobilings Mutter hat ausgesagt, daß ihr Sohn mit einer bekannten Persönlichkeit umgegangen, sich aber geweigert habe, den Namen zu nennen. Gestern Nachmittags 2 Uhr ließ der Kaiser sich telegraphisch nach dem Befinden des Attentäters erkun digen. Als die Depesche im Polizei-Präsidium anlangte, befand sich gerade Geheimrath Wilms bei Nobiling. Derselbe stellte die Diagnose, daß Nobiling nur noch kurze Zeit zu leben habe, die beiden Kugeln sitzen noch im Kopfe des Verbrechers. Diese Meldung wurde dem Kaiser sofort mitgetheit. Die offiziellen Bulletins, die im Laufe des gestrigen Tages ausgegeben wurden, lauten wie folgt: „Morgens, 6 V, Uhr. Nachts größtentheils geschlafen, kein Fieber, Schmerzen vermindert. Dr. v. Langenbeck." „Mittags 12 Uhr. In dem Befinden Sr. Maj. des Kaisers ist seit gestern eine wesentliche Veränderung eingetreten. Die Nacht war ruhig und wurde größten theils schlafend verbracht. Berlin, den 4. Juni 1878, 12 Uhr Mittags. Grimm. Dr.v. Lauer. B. v. Langenbeck. Dr. WilmS." Herrn Hotelbesitzer HoltfeuerS Befinden ist nach Ausspruch der ihn behandelnden Aerzte Professor Busch und Sanitätsrath Abarbanell ebenfalls sehr befriedigend. Fieber ist noch nicht eingetreten. Die Nahrung, die der Patient vorläufig zu sich nehmen kann, besteht auS Milch mit eingequirlten Eiern. Er empfindet noch große Schmerzen. Gestern verlangte er von dem in sein Zimmer gerusenen Portier, er möge ihm die verhängnißvolle Kugel, die ihm das Kinn zerschmettert habe, bringen. Dem Wunsche konnte nicht Folge gegeben werden, da sich daS Projektil als oorpus äolioti am Molkenmarkt befindet. Der Kaiser, der sich am Montag 4 Mal, am gestrigen Tage 2 Mal nach dem Befinden HoltfeuerS erkundigen ließ, sandte demselben, nachdem er erfahren, daß eS dem Hotelier gut gehe, die Botschaft, daß auch er (der Kai ser) hoffe, durchzukommen. Bremen, 3. Juni. Heute Abend ist Socialist Neisser durch den Staatsanwalt verhaftet. Die Druckerei der socialistischen „Freien Presse" ifi geschloffen und ver siegelt. Haussuchung in Wohnung Neiffer's Zeitereignisse. PulSnitz, 6. Juni. Gestern Nachmittag verunglückte auf hiesigem Bahnhofe der Bodenarbeiter Haase dadurch, daß er bei dem Versuche, ein Paar durchgehende Pferde aufzu halten, von diesen umgerissen und dann vom Wagen über fahren wurde. Der anscheinend stark Verletzte wurde nach seiner Wohnung gebracht und befindet sich in ärztlicher Be handlung. — Ein anderer dergl. Fall, bei welchem ein Waschbär sein Leben verlor, ereignete sich heute Vormittag in der Nähe des Schützenhauses. Der Bär war, wie uns Herr Menageriebesitzer Schaaf mittheilt, aus Versehen in einen weniger stark gebauten Käfig gesperrt worden, welcher beim Fahren entzweibrach; beim Herausfallen kam der Bär unter die Räder des Wagens und wurde durch Ueberfahren getödtet. Dresden, 4. Juni. (Dr. N.) Die königlichen Ma jestäten werden von Rehfeld zurückgekehrt, am dritten Pftngstfeiertage das Sommerlager in Pillnitz beziehen