Der glasige Zustand bildet eine stetige Fortsetzung des flüssigen Zustandes; man betrachtet die Gläser als Flüssig keiten von sehr großer innerer Reibung. Den Kolloidzustand wollen wir im Gegensatz dazu als den festen nichtkristalli nischen Zustand definieren; amorph, gestaltlos können wir ihn eigentlich nicht nennen, weil, wie Bütschli gezeigt hat, die kolloide Kieselsäure einen sehr zarten Zellenbau darstellt. Sie hat wabige Struktur und kann sich daher auch wie ein Schwamm mit Flüssigkeit vollsaugen. Ein solches Zellen gefüge von gewaltiger Oberflächenentwicklung weisen zahl reiche anorganische und organische Gallerten auf, vorzüglich die Gewebe der Pflanzen- und Tierkörper und daraus gewonnene Stoffe, Wolle und andere Textilfasern, Leder, Leim, Kautschuk, Zellstoff und Zelluloid, Eiweißkörper; alle fallen unter den Be griff Kolloide. Unabsehbar groß ist dies Gebiet! Der Leser ahnt, daß wohl auch die Technik sehr viel mit den Kolloiden zu tun hat, wenn sie auch diesen Namen selbst bisher meist nicht zu gebrauchen pflegte. Kolloide Lösungen. Wir wollen zunächst noch bei der Kieselsäure bleiben und einmal eine verdünnte Lösung von Wasserglas mit Salzsäure versetzen. In diesem Falle scheidet sich keine Gallerte aus; erst wenn wir die Lösung stark eindampfen, erstarrt sie mit einem Male unter Ausscheidung kolloider Kieselsäure. Trotzdem sich aus der verdünnten Lösung keine Kieselsäure sichtbar ab scheidet, ist doch die chemische Umsetzung zwischen Natrium silikat und Salzsäure eingetreten; das kann man durch physi kalische Messungen z. B. Messung der elektrischen Leitfähig keit nachweisen. Wir haben hier den Fall einer kolloiden Lö sung. Aus dieser Lösung können wir das Kochsalz entfernen, indem wir sie in ein Gefäß füllen, dessen Boden durch eine Pergamentmembran gebildet wird, und dieses in reines Wasser einhängen. Das Wasser laugt durch die Membran hindurch das Kochsalz heraus, während die kolloide Kieselsäure nicht diffundiert. Auf diese Weise, durch Dialyse, können wir, wenn wir das auslaugende Wasser von Zeit zu Zeit erneuern,