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Von Neuem glänzt mit seinen Kerzen Uns nun der duft'ge Tannenbaum, Und wiederum steigt in den Herzen Herauf der Kindheit goldener Traum — Es bringt des Festes Strahlenschimmer Ein sich' Gedenken uns zurück Noch einmal winkt in seinem Flimmer Uns ein, ach, längst entschwund'nes Glück! Und wieder schlingt aus Jugendtagen Zu uns sich heut ein holdes Band — Es will des Festes Glanz uns tragen Noch einmal in das Märchenland — Jn's Land, aus dem sind abgeschieden So blut'ger Hatz wie grimmer Streit, In dem der Kindheit reiner Frieden Erstrahlt in voller Herrlichkeit! Wohlan, so latzt uns heute finden Nun wiederum dies sel'ge Reich — Des Tannenbaumes Lichter künden Den Weg zu ihm ja allsogleich — Wir alle wollen dorthin ziehen, Wie auch des Lebens Woge tost — So soll zu Christi Fest erblühen, Jedwedem neuer Lebenstrost! Politische Rundschau. Berlin, 23. Dez. Anläßlich des Hin schei dens der Fürstin Hohenlohe haben auch die offiziellen Körperschaften des Reiches und Preu ßen ihr Beileid bezeugt. Der Bundesrath und das preußische Staatsministerium haben heute prächtige Kranzspenden niederlegen lassen. Frhr. von Vuol hat heute Namens des Reichstages ein Condolenzschreiben an den Reichskanzler ge richtet. Der Direktor beim Reichstag, Geh. Re- gierungsrath Knack, erschien persönlich im Trauer hause, um den Empfindungen des Reichstags Ausdruck zü geben. — Wegen Majestätsbeleidigung zu 6 Jahren Festung verurtheilt wurde ein Gefreiter der 1. Eskadron des 3. Garde-Ulanen-Regiments aus Potsdam. Der Verurtheilte hat sich die Maje stätsbeleidigung in Berlin, Unter den Linden, zu Schulden kommen lassen gerade in dem Augen blick, als der Kaiser dort vorüberfuhr. Berliner Schutzleute haben ihn zur Anzeige gebracht. — Herr Fink hat das ungeheure Verbrechen begangen, eine gegen die Sozialdemokratie gerich tete Broschüre zu redigiren. Dieses Verbrechen zu sühnen, hat Herr Bebel übernommen. Es werden in der Broschüre recht unangenehme Wahr heiten verkündet. Wie kann man sie zurückwei sen ? Nun, man beschimpft den Verfasser und den Mitarbeiter. Und die Methode ist folgende: Reichstagsabgeordnete haben für das, was sie im Parlamente sagen, Straflosigkeit. Niemand kann sie belangen, auch wenn sie verleumden. Für einen Mann von gesundem Ehrgefühl ist dies natürlich ein Grund, äußerst vorsichtig und nur im zwingendsten Fall etwas zu sagen, was den, der nicht des gleichen Schutzes genießt, beleidigen kann. Herr Bebel ist natürlich frei nach Ju lius Caesar — ein ehrenwerther Mann. Er sagt also frank und frei, natürlich unter dem Schutze der Immunität, Herr Fink habe früher Wechsel gefälscht. Etwa 300 Zeugen für diese Aeutzerung, — Alle, die zugehört — sind vorhanden. Mu- thig fügt Herr Bebel hinzu, er werde dies auch öffentlich erklären, um dem Angegriffenen Gele genheit zur Vertheidigung zu geben. Und was geschieht? Heimlich, ganz heimlich schleicht Held Bebel zum Stenogramm und fälscht seine eigene Rede — Fink hat nicht mehr Wechsel — ge fälscht, sondern es geht nur ein Gerücht, er ist nicht verurtheilt, sondern er „soll" nur verurtheilt worden sein, Herr Bebel hat nicht mehr auf Grund von „Thatsachen" seine infamirenden Worte gebraucht, sondern auf Grund von „An gaben". Und nachdem Herr Bebel so seine ei genen Worte gefälscht und aus der Gegenerklä rung Finks erfahren hat, daß dieser Mann nie mit den Gerichten zu thun hatte, daß es ihm nur einmal in Chicago passirt sei, einen Chec, den er selbst als Honorar erhalten hatte und dessen Werthlosigkeit er nicht kannte, Weiterzugeben, fühlt er, Herr Bebel, „kein Vedürfniß", wegen des „kleinen Mißverständnisses" auch nur ein Wort des Bedauerns auszusprechen. Herr Bebel ist ein kluger Mann: Für das, was er im Reichstage spricht, ist er nicht verantwortlich, und privatim im „Vorwärts" behauptet er ganz etwas Anderes! — Die „Times" macht heute ihrem Aerger über die Entwicklung der Dinge in Ostasien wieder durch allerlei hämische Sticheleien gegen Deutsch land Luft. Sie schreibt: Die Thatsache (?), daß die Russen von den Chinesen die Entlassung der englischen Ingenieure und die Anstellung russischer bei den Eisenbahnbauten verlangen, wie die, daß an Stelle der deutschen Jnstr'uktionsoffiziere für die chinesische Armee russische treten sollen, sowie daß Rußland den Chinesen 120 000 Berdan- Gewehre aufnöthigte, veranlaßt die „Times" zu der höhnischen Frage, ob diese Schritte wohl von Deutschland als eine der ersten Folgen seiner Energieentwicklung im fernen Osten nach der vorangegangenen Verständigung mit Rußland vorausgesehen waren. Die Times schließt daraus indirekt, daß, wenn diese Dinge das Ergebniß einer Verständigung seien, es noch immer besser sei, isolirt zu sein. Doch läßt das Cityblatt durch blicken, daß Japan an Englands Seite stehen würde, wenn es sich darum handelt, Kompen sationen zu erzwingen. Japan würde sich freuen, die Frage über den fernen Osten wieder auf zurollen. und es sei nur zu hoffen, daß es keinen übereilten Schritt unternehmen werde. Außer Japan dürften aber auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika in Betracht zu ziehen sein. Das Reutersche Büreau verbreitet folgende Mel dung aus Washington : Dem Vernehmen nach sind die maßgebenden Stellen inoffiziell sondirt worden bezüglich der Haltung, welche die Regie rung den Vereinigten Staaten im Falle von Komplikationen in Ostasien annehmen würde. Bei der Sondirung handelt es sich darum, fest zustellen, ob die amerikanischen Interessen in China für groß genug erachtet werden, um ein aktives Verhalten Amerikas zu rechtfertigen. Darüber, von welcher Seite diese Sondirung aus gegangen ist, verlautet nichts. In politischen Kreisen nimmt man allgemein an, England würde aktive Schritte der Vereinigten Staaten, die darauf abzielen, den Fortschritten Deutschlands und Rußlands Schach zu bieten, günstig aufneh men. Bekannt ist ferner, daß China ein Vor gehen der Vereinigten Staaten willkommen heißen würde. (?) Die Haltung der Vereinigten Staaten dürfte die sein, daß Amerika, da es an dem in China jetzt vor sich gehenden Gebiets erwerb nicht interessirt ist, keine Truppenabthei- lungen in chinesischen Häfen landen läßt, sondern sich auf die Wahrung seiner feststehenden In teressen beschränkt. — Also ein englisch-japanisch- amerikanischer Dreibund, als Gegenstück zur deutsch-russisch-französischen Entente in Ostasien, scheint zur Zeit noch gute Wege zu haben. — Der Panzerkreuzer „Deutschland" ist auf seiner Fahrt von Wilhelmshaven nach Kiel im Nordostseekanal nicht weniger als sechs Mal auf gelaufen. Auch die Rückfahrt, zu der das Schiff über neunzehn Stunden brauchte, ist nicht glatt von statten gegangen, trotzdem drei der stärksten Schlepper Hilfe leisteten. Außerdem hatte der Kreuzer keine Kohlen an Bord, um möglichst wenig Tiefgang zu haben. Die Kohlen werden erst in England, wie telegraphisch gemeldet wird, eingenommen. Der kleinere Kreuzer „Gefion" mit Z*/2 Meter Tiefgang hat den Kanal in OVg Stunden glatt passiert. Bei dieser Gelegenheit ist die schon früher gemeldete, aber nicht geglaubte Thatsache offenbar geworden, daß der Kanal, der mit 9 Meter Wassertiefe gebaut worden ist, jetzt nur noch 8 Meter tief ist. Er ist also, wie der Vorgang mit „Deutschland" erweist, für die größeren Schiffe unserer Marine durchaus unzu reichend. Ebensowenig kann er von den großen Handelsdampfern benutzt werden. Daraus er klärt sich auch, daß die Einnahmen kaum ein Viertel der zur Verzinsung und Amortisation er forderlichen Summen bringen. Allem Anscheine nach wird die Reichsregierung aus militärischen Interessen gezwungen sein, zur Vertiefung des Kanals mit einer größeren Forderung an den Reichstag zu treten. Prag, 23. Dez. Heute Nacht richteten Ex zedenten einen Angriff gegen das Schulgebäude in Barschowitz. Ein Wachmann schritt ein und zerstreute die Exzedenten. Drei Personen wurden verwundet. — Wie der Magd. Ztg. aus Graz gemeldet wird, wurde gegen 150 Reserveoffiziere, meistens Studenten, die im Civilanzug der Beerdigung des Opfers der jüngsten Straßenkundgebungen beigewohnt haben, ein ehrenräthliches Verfahren eingeleitet, um sie aus dem Offizierkorps aus zustoßen. Prag, 23. Dez. Heute Nacht wurde die Schulvereins-Schule in Barschowitz mit Steinen beworfen. Gegen halb 1 Uhr Nachts schlichen sich etwa 15 unbekannte Männer über die be nachbarten Felder zur Schule. In einer Ent fernung von etwa 60 Schritt davon angelangt, rief Einer von ihnen! „Das ist das vierte Haus", ein anderer bemerkte dazu: „Es steht ein Polizei mann dort, den werden wir nun herauskitzeln" nun mit Hurrah! auf ihn los." Hierauf be gannen sie gegen die Schule Steine zu schleudern. Der bei der Schule postirte Wachmann schritt ein und hieb einen der Steinwerfer mit dem Säbel über den Kopf. Als er den Verwundeten fest nehmen wollte, wurde er von den Anderen um ringt und mußte, um sich zu befreien, vier Re- volverschüsie abgeben, von denen einer getroffen haben dürfte, da einer seiner Bedränger rief: „Jesus Marie, mein Kops, Wenzel hilf mir!" Der Wachmann wurde ebenfalls leicht verletzt. Die noch in der Nacht vorgenommene Streifung einer Polizei-Abtheilung blieb ohne Erfolg. Agram, 22. Dez. In dem Prozeß wegen der Ermordung von Beamten in Sjenicska (Be zirk Pisarovina) wurde heute Nachmittag das Urtheil gefällt. Von den 36 Angeklagten wurden elf zum Tode verurtheilt, zwei zu drei respektive zwei Jahren schweren Kerker mit Fasten und Einzelarrest am Jahrestage der That. Zwei Rädelsführer erhielten zehn Jahre schweren Kerker, vier wurden wegen Diebstahls zu zwei Jahren bis herab zu zehn Monaten Kerker ver urtheilt. Gegen einen Angeklagten war das Verfahren eingestellt worden, 16 Angeklagte wurden freigesprochen. Paris, 23. Dez. In Calais wurde in einer Menagerie der Thierbändiger Fort vor den Augen des Publikums von einem Löwen angefallen und erlag sofort den furchtbaren Bißwunden. Havana, 23. Dezember. Eine spanische Kommission, die abgesandt war, den Leichnam des Obersten Ruiz zu suchen, ist unverrichteter Sache hierher zurückgekehrt. Wie sich jetzt heraus stellt, ist der Jnsurgentenführer Arangueren nicht erschossen worden, er hat sogar seine Führerstelle