— 120 — Roman „Die von Hohenstein", wo der Pfarrer Ambrosius Kandel seine Geisteserholnng bei Kant und Spinoza und seine Ascese bei Molinos und Madame Guyon sucht, so dürfen wir nns wohl kaum beklagen. Und wenn Anders gläubige von ihren eigenen Anschauungen aus auf Grund eigener Erfahrungen in ihrem eigenen Kreise auf religiösen Einzelfällen Allgemeinurteile aufbauen, wie der protestan tische Gottfried Keller in seinem „grünen Heinrich", wo ähnlich wie bei Rosegger gegen die Vertreter von Dogma und Katechismus gewettert wird, oder wie der Jude Georg Ebers in dem ägyptischen (!) Roman „Uarda", wo von den Priestern überhaupt nicht viel anderes zu hören ist, als in den Schriften des steirischen „Reformators", so können wir das sogar halberlei verstehen. Selbst Anti- cvelibatäre wie der Soldatenbischof von Soissons in Dahn's „schlimmen Nonnen von Poitiers", oder der Held in Wildenbrnchs „Neuem Gebot" sind immerhin noch historisch mögliche Gestalten, obschon sie im Dienste der Tendenz stehen. Nie aber ist es zu entschuldigen, wenn ein Katholik — heiße er nun Zola oder Rosegger — seiner Kirche, die ihn der Glaube als Braut Christi hehr und heilig zu halten gelehrt hat, ins Gesicht schlägt, indem er die Ver treter ihres Geistes dem Gespötte des litterarischen Janhagels preisgibt, und das dazu noch aus keinem anderen Grunde als — sensationellen Romanstvff zu liefern. Das ist Roseggers Verhalten gegen den Priesterstand; und wie steht es mit dem Verhalten des Priesterstandes gegen ihn? Das Kapitel „Meine lieben Feinde" ist eine Kraft der Natürlichkeit. Er theilt mit ihm die Verschwommen heit seiner Philosophie, Spielhagcn hat übrigens Rosegger sehr empfohlen; sie haben beide denselben Verleger.