— 110 — Herzen Gottes. Rosegger kann ja auch den Priester gar nicht schildern, denn 1) ist dieser ihm nur Kirchendiener, jeder Übernatürlichkeit entkleidet und auf keiner höheren Stufe stehend als die Leiter anderer Kulte, und 2) hat er ja gar keinen Einblick in das Wesen eines akademisch ge bildeten Mannes, um wie viel weniger in das Herz eines Priesters. Dazu ein Beispiel: aä 1) der „Loisl", ein „Dorfkaplan", hat sich in eine Bauerndirne verliebt; daher bittet er das „Consistorium" um „Exkommunikation", die ihm schleunigst gewährt wird, und nun — man traut seinen Augen kaum - - ist er nicht mehr Priester. Das schreibt der Katholik, der Reformer Rosegger! er mag seinem protestantischen Mitnovellisten Ganghofer die Hand zum Bunde reichen, uä 2) „Loisl" kommt von einem Bersehgang mit dem Ciborium an der Brust und findet „seine" Lisbeth am Wege eingeschlafen. Entzückt ruft er aus: „O Weib, warum bist du nicht Gott, daß du mein wärest und ich dein! — Nicht wahr, Gott ist in allem? er ist in dir, in mir, und groß in der Einheit?" und nach diesen lächerlichen Worten küßt er sie. Damit will Rosegger nicht einen schlechten Priester zeichnen, sondern nur die tragischen Konflikte darstellen, worin die Kirche mit dem Cölibat ihre Diener ungerechterweise verstrickt; er ist anticölibatär. „Wären einflußreiche geistliche Stellen (in Böhmen) nur erst besetzt mit guten Deutschen, dann könnte man von der Kirche manches erzielen, vielleicht sogar die Aufhebung des Hauptanstoßes, des Eheverbotes" („Soll man übertreten?" Heimgarten.) Da halten wir's doch mit der Mutter des „Loisl": „Zwei lediger Leut' Lieb' ist wie ein brennender Span, ein Ehbruch ist wie ein brennendes Haus, und wenn sich eine Priesterliebschaft