Volltext Seite (XML)
II sind Auswüchse kaum zu vermeiden, und Liese treten dir in unsern Grosstärten gerade am Meisten unv Grellsten entgegen, während der Segen der Freiheit vorzugsweise aus dem Lande zu suchen ist. Die Gemächlichkeit macht sich in einem öffentlichen Leben, wie das unsrige ist, nicht äußerlich breit, — die Menschen sparen ihre Wärme sür die „Feuerseite", d. h. für die abgeschlossene und stille Welt des häuslichen Kreises und geben scheinbar gleichgültiger einander vorüber. Tie Rohheit drängt sich vielfach hervor, und ihr ist nicht ganz zu steuern; aber sie ist verachtet. Manche unserer eigenen Landsleute finden sich gar schlecht in das hiesige freiere Leben und entschädigen sich durch ungesittetes und anmasliches Treiben für die allzu strenge Zucht, welcher sie entlaufen sind. Doch diese Entarteten oder Unverbesserli chen bilden die Mehrzahl nicht, und du wirst auch unter den hiesigen Teutschen, welche vordem den verschiedensten Klassen und Ständen angehvrten, nicht weniger als unterteil Eingebornen, Solche finden, welche sowohl dein Vertrauen als deine Achtung Im vollsten Maße verdienen; du mußt sie aufsuchen, denn sie drängen sich dir nicht auf. Nach einiger Zeit wirst auch du das allzu kleinliche Rücksichtnah men, die spiesbürgerliche Förmlichkeit, das allzu lange Abwägen, die übertriebene und langsam schreitende Vorsicht mit andern Stücken des TeutschthumeS von dir werfen und dich von einer Last befreit fühlen; unvermerkt stehst du d«^i Wesen, welches dir zuerst abstoßend schien, bald selbst näher, ohne dabei von deinem besseren Kerne irgend Etwas eingebüst zu haben. Indem du ohne Vorurthcil alles dir Neue prüfst und vor Allem es mit der Art, wie man hier die Tinge behandelt, selbst versuchst, wirst du finden, wie viel von deiner gewohnten Weise du unbedingt als unbrauchbar wegzuwerfen und mit der den Verhält nissen entsprechenden hiesigen Art zu vertauschen hast, und wie weit auch hier das sparsamere, ordentlichere, bedächtigere und darum lang samere tcutsche Verfahren mit Vortheil sich in Anwendung bringen läßt. Auf deiner weiteren Wanderung nach dem fernen Westen ist dir natürlich wieder Alles neu, Vieles auffallend, — nichts will dir recht gefallen. Du vermissest die Mannigfaltigkeit der Szenerie einer teutschen Landschaft, die bis in's Kleine der Natur ausgeprägten Spuren der ordnenden Menschenhand, die das Gemüth wohlthätig anregenden Reste und Denkmähler einer längst entschwundenen Zeit;