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tritt. Tieß ist nicht deine gewohnte Welt, und sie wird nicht nach deiner Gewöhnung sich umbilren, sondern du mußt lernen, dick in sie zu finden. Eine fremde Sprache tönt in dein Ohr, fremde Menschen rennen theilnahmlos an dir vorüber, keinen heimathlichen Baum, keine Staude, keinen Unkrautbusch erkennst du wieder, — es ist eine andere Luft, welche du athmest, — ein anderer Himmel wölbt sich über dir, — die ganze Art des Lebens der Menschen ist eine andere; du siehst eine Hast, siehst neben Abgeschlossenheit und Prunk eine Kälte, mitunter Rücksichtslosigkeit, welche dein Gemüth verletzen, und am Meisten verletzen es vielleicht Rohheiten, welche Lu an deinen eigenen Landsleuten wahrnimmst. Ich kenne mehr als einen Fall, daß Menschen nach einem ein- und zweitägigen Ausentbalte in einer unserer Seestädte, verzweifelnd an ihrer Fähigkeit, diesem veränderten Leben fick selbst anzupasscn, sehnsuchtsvoll in eine Heimath zurückkehrten, welche sie so eben erst im Unwillen über die dortigen Verhältnisse ausgegebcn hatten. Toch ein solcher Schritt zeigt von mehr als von achtbarer teutscher Gemäch lichkeit, — er zeugt von Kleinmuth und „Pbilistcrthum", einem Auswüchse der guten teutschen Art, für dessen Gedeihen freilich in der neuen Welt sich kein geeigneter Boden findet. — Wenn du, lieber Leser, nicht vor Allem deine Gewöhnung besiegen kannst, wenn du an deinen sogenannten vaterländischen Eindrücken für immer zu haften entschlossen und unfähig bist, neuen Verhältnissen in so weit dich zu bequemen, als du sie nicht selbst durch Energie und Ausdauer deiner Neigung gemäß umzugestalten vermagst, dann verlasse den Boden niemals, auf welchem du erwachsen bist. Sage dir mit Ernst und wiederholt: das Alte ist aufgegeben, vorwärts richte sich mein Blick, und ich werde und will in einem veränderten Leben neue und starke Wurzeln fassen, wie schwer der Anfang auch immer sei. So bewahrst du dir zugleich die nöthige Unbefangenheit des Urtheils über das viele Ungewohnte, Lem du begegnest; denn nicht Alles ist vor trefflich, was lange Gewohnheit geheiligt bat. Das Leben der Menschen in einer Republik, indem das Volk seine Gesetze sich selbst giebt und abgeneigt ist allen Beschränkungen, welche nicht Durchaus crwrLerlich sind, muß natürlich anderer Art sein als das, welches Lu bisher kanntest, in welchem von Oben Alles angeord- net, gelenkt unr überwacht wurre. Beim Vollgenuffe der Freiheit