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Nr. 112 Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, Lm 20. September 1IZ3. Seite 2. sozialistischen Internationalen gegeben. Mit der Zeit sind die beiden Richtungen immer mehr zusammen gewachsen in der Erkenntnis, daß Einzelheiten in der Methode zurücktreten müssen hinter dem Ziel-, dem wir alle zustreben. Aus meiner Regierungetätigkeit in Sachsen habe ich das Gefühl, daß die Schwierig keiten, die sie zu überwinden haben, sehr große sein werden. Die Schuldfmge an der Meinungsverschie denheit ist aber eine Bagatelle, sie tritt zurück hinter der dominierenden Frage: Was müssen dis einzelnen proletarischen Organisationen Lun? Wie können wir die proletarische Frage lösen? Der ist der Stärkere, der erklärt, zu jedem Opfer bereit zu sein, das zum Ziele führt. Wir haben in Sachsen manches erreicht. Neben Thüringen ist Sachsen das stärkste Bollwerk gegen die Reaktion. Dresden. (Drei Gegenfragen der BSPD an dis KPD) Auf die drei Fragen der Kommu nisten an die Sozialdemokraten richte! die sozialdemo kratische „Chemnitzer Volksstimme* drei Gegenfragen an die Kommunisten: 1. Seid Ihr bereit in den Vordergrund aller Erwägungen und Handlungen die Bedürfnisse des deutschen Proletariats zu stellen, statt euch nach Befehlen und Interessen einer anderen ausländischen Stelle zu richten? 2. Seid ihr bereit, jeden Versuch zur Spaltung der SPD und der wirt schriftlichen Kampforganisationen der Arbeiterschaft, der Gewerkschaften, zu unterlassen, um statt dessen eure Wünsche in demokratischer Form zur Geltung zu bringen? Seid ihr bereit, mit ehrlichen Mitteln ür eure Ueberzeugung zu kämpfen, statt mit Lügen und Hetzereien? 3 Seid ihr bereit, die Verbindungen mit den Faschisten zu lösen, von der Kriegspropa- ganba abzulassen und euch ernsthaft für proletarische Ziele einzusstzen, damit der Widerstand der Bour- geosis gebrochen und das Reparationsproblem gelöst werden kann?" Dresden. (EinsEntschließung der säch sischen Industrie.) Der Vorstand des Verbandes Sächsischer Industrieller hat sine Entschließung ange nommen, in der es heißt: Schaffen wir eine neue wertbeständige Goldanleihe, die den Wert unserer Ar beitsleistung und Waren enthält. Frisdensgeld für Friedensardeit. Wo in normalen Zeiten nur einer gearbeitet hat, dürfen nicht mehrere, 2 oder 3 stehen Die Demobilmachungsbestimmungen, die die Produk tion nur hindern, müssen aufgehoben werden. Bei fehlendem Betriebskapital kommen Lohn- und Ge haltsempfänger vor den Steuern. Wir benötigen dringend die Friedensmork und Stillegung der No tenpresse, sowie Umbildung der Papiermark in Gold mark. Weiter müssen auch Arbeiter und Angestellte werrbesiändig entlohnt werden. Die geschaffene Gold- Notenbank muß aber voll gedeckt und derartig ge sichert sein, daß sie keiner Inflation verfällt. — (Krisis der Sächsischen Stuatszei- tung.) Wie aus parlamentarischen Kreisen mitgetetlt wird, steckt die regierungsamtliche Sächsischs Staats- zeitung in einer schweren Krisis, sodaß mit deren Ein stellung, zumindestens aber mit einer starken Ein schränkung des Betriebes gerechnet werden muß Neustadt. (Ein bedauerlicher Todes fall.) Unter dem Eindruck der schwierigen wirtschaft lichen Verhältnisse hat ein hiesiger Fabrikant Montag Nachmittag seinem Leben freiwillig ein Ziel gesetzt. Waldheim. (Störungen durch prole tarische Hundertschaften.) Am Sonntag vor mittag, als die vom Gottesdienst kommenden Mit- glieder der evangelischen Jungmänneroereine, die ihr ttreisverbandsfest hier feierten, sich nach dem Markt platz zu einer Kundgebung begeben wollten, traten ihnen proletarische Hundertschaften entgegen und hiel ten den Zug auf, gaben jedoch nach Verständigung mit der Festlsitung den Weg frei. Kurz danach rief die von Hartha mit ihrer roten Fahne singend auf den Marktplatz kommende kommunistische Arbeiter jugend neue Störungen hervor. Die proletarischen Hundertschaften entschuldigten ihr Eingreifen mit der Angabe, es seien Hakenkreuzler unter den Teilneh mern vermutet worden. Leipzig. (Ueberraschte Geldschrank knacker.) In einer der letzten Nächte wurde der 65jährige Wächter der Maschinenfabrik in L-Neu- schönefeld durch bas Anschlägen seines Wachhundes auf einen eingeschlichenen Einbrecher aufmerksam. Der Bursche sprang darauf auf den alten Mann zu, versetzte ihm einen Stoß gegen den Magen und schlug ihn auf den Kopf Darauf feuerte der Wächter zwei Schüsse ab, worauf der Verbrecher floh. Ein zweiter Einbrecher, der sich unter einem Pulte versteckt hatte, konnte feslgenommen werden. Der entflohene Ein brecher wurde später mit einer Schußverletzung im Leibe stöhnend auf dem Bahnareal aufgefunden. Die beiden Burschen hatten versucht, den eisernen Eeldschrank mit einem Brecheisen zu öffnen. Polnische Rundschau. Deutsches Reich. Berlin, 18. Septembrr. (Zur Veamtenbe- soldungrsrage.) Von maßgebender Stelle geht unk folgende Notiz zu: Vom ZeitungSkorreSspondenten find in letzter Zett über veamtenbesoldungSfragen wiederholt vielfach irreführende Nachrichten verbreitet worden, die geeignet find, unbegründet« Beunruhigung zu erregen. Unter anderen wurde behauptet, daß dir ReichSregierung die monatliche Regelung der Bramten- bezügs durch eine wöchentliche ersetzen wolle. Dirk entspricht keineswegs den Tatsachen. Die monatliche Zahlung der Bramtenbszüge bleibt weiter erhalten, nur die im Lauf« des Monats wegen der steigenden Teuerung notwendigen Erhöhungen der Beamter.be- zöge sollen in Zukunft, jr ein otertelmonatig geregelt werden. Diese Maßnahme ist zur Zeit notwendig, um den für diese Zahlungen laufenden Bedarf an Zah lungsmitteln jeweils möglichst niedrig zu halten und einer übermäßigen stoßweisen Inflation zu steuern. Im übrigen wird durch die Einführung der neuen Zahlungsmittel dis Möglichkeit ««schaffen werden, den Beamten die Gehälter wertbeständig zur Auszahlung zu bring«», sodaß die Notwendigkeit der Nachzahlungen dann überhaupt fortfallen wird. Auch die weitere Nachricht, daß Sei den Verhandlungen mit den Spitzen- organtsationen am 15. Sepirmber von der Reichs Legierung für di« erste Hälft« zunächst eine Nach zahlung von 111 Millionen später eine solche von 194 Millionen Mark angeboten worden sei, ist eben falls unrichtig. Die RrtchSregierung hat vielmehr ein« Nachzahlung für di« erst« Hälft« de« September von vornherein abgelehnt. Die mit drn Spitzeuor- ganisationen vereinbarte Zahlung am Mittwoch, den 19. SepteMber galt vielmehr für da» dritte viertel der September. Berlin, 19. September (Devisenrazzia in Berlin.) Aus Ersuchen des Devisenkommissar» fand gestern «ine ausgedehnte Devisenrazzia auf wilde De visenhändler statt. EZ ist ein offene« Geheimnis, daß in der Münz- und Grenadierstroß« und in einer großen Reihe von Kaffeehäusern in der Friedrichstraße und im Wrstrn sich zahllose wilde Devisenhändler auf halt««. In diesen Kaffeehäusern werden täglich Billionen umgesetzt. Nur solche Personen, gleichviel ob In. oder Ausländer, die Nachweisen konnten, daß st« im Besitz der Devisen rechtSmäßig gelangt find, konnten unbehindert dis Lokale verlassen. Alle anderen Personen wurden sestgenommen und dir Devisen be- schlagnahmt. Ein« große Anzahl von Personen öst licher Herkunft, die sich nicht im Besitze eines Reise- paffe» befanden, werden in den nächsten Tagen zwangs weise abgeschobea werden Zahlloffe Devisen wurden im Btfltz« deS Personals der Droisenkaffee« gesunden und fielen ebenfalls der Beschlagnahme anheim. Berlin, 19. September. (Die Beamtenver treter beim Reichskanzler.) Gestern wurden di« Vertreter dr« Rsichtbundrk d«r höheren Beamten, d«S deutschen B«amtdNbund«S und der allgemeinen deutschen Beamtenbunde« nach der Reichskanzlei zu einer Besprechung geladen. Der Kanzler betont« in seiner Erklärung, wir müßten zu einer wirtschaftlichen Wehrpflicht aller Stände gelangen, auch de« Beamten tums. Die Rechte der Beamten seien keineswegs an gegriffen worden. Dr. Hilferding versicherte, daß drm- nächst eine neue Besprechung beim Reichskanzler statt - finden werde, in der über dem Abbau der Verwaltung und über die Besoldung gesprochen werden soll. Berlin, 19. September. (Forderungen der sozialdemokratischen Reichstag« - Frak tion.) Der .Vorwärts* berichtet: Di« Vorstände der sozialdtmokraten, Reich«tag«sraktion beschäftigte sich gestern in feiner Sitzung mit der außen- und innen- politisch«« Lage Deutschland«. ES bestand Einmütig keit darüber, daß von der ReiESregierung olle« getan werden müsse, um von deutscher Sette schleunigst zu Verhandlungen mit Frankreich zu kommen mit dem Ziele: mit Befriedigung de« Ruhrgebiete» und der Wiederherstellung vertragsmäßiger Zustände. In Be zug auf die innenpolitische Lage wurde von allen Setten der ungeheure Ernst, der durch den WährungS- sturz, durch die Preissteigerungen, durch die Erwerb», lofigkeit, und durch Mangel an Nahrungsmitteln, geschaffen wurde, betont. Außerdem von der Regierung bereit» anzekündtgten Währung». und finanzpolitischen Schritten wurden gefordert: Einschränkung aller nicht unbrdingt notwendigen Einfuhren auch an Kohl«. Ferner wurde verlangt, daß bet »etrtebtstillegungen die Mitglieder des Be.riebSrate» schärfsten« zu prüfen haben, ob sich die Stillegung unbedingt notwendig macht. Bei unrichtiger Betriebsstillegung sollen alle den Unternehmen gehörigen Rohstoff« und Devisen enteignet werden. Außerdem wurde Sicherstellung der Ernährung gefordert. Berlin, 19. September. (Vorbereitung ern ster Dinget» Berlin.) Die,Rote Fahne* beginnt jetzt ihre Leser in direkter Form aus herannahende Krawalle aufmerksam zu mache». Sie teilt nämlich mit, daß die ausländischen Vertretungen in Berlin in den letzten Tagen aus bevorstehende groß« Kämpfe in Berlin aufmerksam gemacht worden seien und daß deshalb beabsichtigt sei, die Familien der hier anwesen den diplomatischen Vertreter, Konsuln usw. von Ber- lin nach drm besetzten Gebiete oder sonst außerhalb Deutschlands zu schicken. In den ausländischen Ber tretungen wird auch davon gesprochen, daß innerhalb der Reichswehr Vorbereitungen für ein« bevorstehende bewaffnete Auseinandersetzung getroffen würden. Von amtlicher Stelle werden diese Angaben al» unzutref fend bezeichnet. ES ist die» jedenfalls auch, soweit die Reichswehr in Frage kommt, sicher richtig, hingegen wird sich kaum leugnen lassen, daß selbst, wenn di« ausländischen Vertretungen die erwähnt« Benachrich tigung nicht erhalten hätten, e« ihnen kaum entgan gen sein könnt», daß sich tatsächlich in Berlin ernste Dinge vorbereiten. Den ausländische« Diplomaten wird auch kaum die ganz eindeutig« Rührigkeit der kommunistischen Parteileitung entgangen sein. Die Form, in der dar kommunistische Zentralorgan dies« und andere Anspielungen aus umstürzlerische Bestre bungen bringt, zeugt von einer gewissen taktischen Schlauheit, da direkte Mitteilungen und Aufforderun gen zur Bereitschaft zweifellos ein Verbot dr« Blattet nach sich ziehen würden. Als kommunistisch« Maß nahmen schlägt das Blatt vor: Konfiskation der Ver mögen der großen Gauner, Erfassung der Sachwert«, Kontrolle der Produktion, also Dinge, die die sozial demokratischen Führer ihren Anhängern oft versprochen haben und die die Kommunisten nun auszuführen heißen. Berlin, 19. September. (Geheimer Abbau der Ruhrabwehr?) Da« RrichskaMnett hat gestern «in« sehr bedeutsame Sitzung über die Frage de« pas sive» Widerstandes abgehaltrn, über dis vorher bereit« mit den Vertretern der Beamtenorganisationen und Gswerkschssten aus der» Ruhrgebiet Besprechung«» ge führt worden waren. Die Beratungen drS Kabinett» waren vertraulich. In BZrlin laufen seit einigen Ta gen Gerüchte um, wonach die RrichSregirrung ange ordnet hätte, die Verordnungen, die verbieten, den Be fehlen der Besatzungtmächt« zu gehorchen und di« den passiven Widerstand regeln, sollten von oen Behörden im Ruhrgebiet stillschweigend nicht mehr angewandt werden, da dis Regierung nicht in der L!gs sei, sie aufheben zu können. Berlin, 18. September. (Mtllionengold- marksendungen der Sowjrtregierungnach Berlin.) Auf Seiten der sowjetrusfilchen Machthaber scheint man die augenblickliche Lage Deutschland« für geeignet zu halten, die Wrltrevolution, die bekanntlich bisher über Rußland nicht recht hinauLwollte, wieder einmal nach Deutschland vorrücken zu lassen. Wie Nämlich von durchaus glaubwürdiger Seite mitgeteilt wird, siad au» den Seldkasien der Sowjetregterung in den letzten Tagen (es soll sich um über 10 Million«» Goldmark handeln) zugkstellt word-m mit der Weisung, st« zur Ausrüstung der trotz ds» Verbote« in Preußen heimlich weiierbestrhenden proletarischen Hundertschaf ten, sowie zur Vorbereitung de« in nächster Zeit zu erwartenden Umsturzes zu verwenden. Auch seien große Posten Handfeuerwaffen und Gewehr«, dis man in Rußland infolge der Verkleinerung der roten Armee entbehren könne, al» keiner Durchsicht unterliegende» Kuriergepäck nach Deutschland geschafft und hier in den Berliner Räumlichkeiten der russischen Handels vertretung vorläustz untergrbrocht worden. Man sei in den Kreisen der sowjetrusstsHen Diktatoren der Nn sich», daß der katastrophale Marko-rsall und dir heran- nahende Auflösung dr» Wirtschaftslebens die Regierung Stresemann bald beseitigt und für eine kommunistische KrSeiterregierung Platz gemacht werd«. Die!« Anga ben treffen insofern zu, al» tatsächlich von den russt- schm Vertretungen tn Berlin in drn letzten Tagen große Aufkäufe namentlich auch in Lebensmitteln ge macht wurden, di« scheinbar bereitgestellt werden, um bei rinrr etwaigen Krise die unvermeidlichen Ernäh- rungSschwierigkeitt» wenigstens für die kommunistischen Anhänger mildern zu können. Berlin, 2L September. (Der Zusammen- trittdeSdeutschenReichLtaget. Der Präsident de« RrichStage« hat für Mittwoch, den 26. September, den Reichstag rinberuf-n. Er ist zu erwarten, daß der Relchrkanzler schon t» den ersten Tagen der Sitzung oder vielleicht bereits am 26. September ein« Erklärung der Rttchsrsgierung über di« Eaiwickelung der außen politischen Lags im Zusammenhang« mit einer Dar stellung über dir innerpolitischr Entwicklung und di« geplanten Maßnahmen der ReichSrsgierung abgehen wird. Berlin, 20. September. (Die Lieferungs bedingungen der Kohlengruben.) Da» ReichSwirtschaMministerium hat eine Vermittlung zwischen dm Verbrauchern und den Kohl,»Produzenten übernommen. Da» Niederlausttzer Kohlensyndikat soll darauf heute «ine Ermäßigung beschlossen haben. Der RetchSkohlenverband dürste sich angesichts der zahllosen Proteste in den nächsten Tagen mit der Angelegenheit weiter beschäftigen. Schwei; Genf, 19. September. (WettereZugeständ« niss« Italien«.) In der gestrigen Sitzung de« LölkerbundeSrateS gab Salandra, di« vorgestern in Aussicht gestellte Erklärung zu dem italienisch-griechi schen Konflikte, beziehungsweise der Kompetenz de» Völkerbundes in dies«! Frage ab. Seine Erklärung«» stellten einen Rücktritt gegenüber den bisherigen ita lienischen Standpunkt« dar. Er erklärt« sich nämlich damit einverstanden, eine juristische Autorität, wie beispielsweise den internationalen Gerichtshof im Haag über di« Frag« ber Kompetenz de« Völkerbundes in ähnlichen Jäll«n, wie dem italienisch-griechischen im Prinzip entscheiden zu lassen. Bezüglich der Besetzung Korfu» bildet er aber an den bereit» bekannten Stand punkt« Italien» fest. Genf, 19. September. (Die Reparation»- frage und der Völkerbund.) Di« Reparation»- frage, die nach Beilegung de» italienisch.griechischrn Konfliktes auch den Völkerbund beschäftigen wird, wurde gestern in der Sitzung zum ersten Male öffent lich zur Sprach« gebracht und zwar durch drn Ver treter Afrikas der in der Sitzung der Ftnanzkommisfion «mpfahl, eine Entschließung, worin die Versammlung ausgrsordrrt wird, auch ihrerseits sich zu dem Repara-